Auch die fast 200 Mitglieder der German PropTech Initiative (gpti) spüren die derzeitige Baukrise. Laut Geschäftsführer Christian Chaléat haben bereits acht Mitglieder Insolvenz angemeldet. Doch wie gehen die übrigen Mitglieder mit der Krise um?
Viele Mitglieder der gpti stehen aktuell vor ähnlichen Herausforderungen, sagt gpti-Geschäftsführer Christian Chaléat. Im Umfeld steigender Leitzinsen sei es schwerer, Risikokapital einzusammeln. Finanzierungsrunden seien oft nur mit erheblichen Abschlägen auf die Bewertung möglich, Kunden nähmen sich viel mehr Zeit, bis sie über Aufträge entscheiden. Andere stellten Projekte unbefristet zurück. Wie ernst die Lage sei, verrate ein Blick auf den Transaktionsmarkt, so Chaléat: „Betrachtet man alleine den Transaktionsmarkt, dann wird jedem sofort klar, was gerade Phase ist. Der Markt ist faktisch tot. Der Schmierstoff, der in unserer Branche so viel beweglich hält, sind nun mal die Transaktionen.“ Das wirke auch bei den Mitgliedern des Verbands. In einer Befragung unter den rund 200 Mitgliedern zeichnete sich durchgängig ein ähnliches Bild: Die Krise ist angekommen.
gpti-Mitglieder nutzen die Krise konstruktiv
Der Verband unterstützt seine Mitglieder derzeit hinter den Kulissen durch unterschiedliche Formate, mit Gesprächen oder Kontakten. „Die Mehrheit unserer Mitglieder ist sehr flexibel, gut vorbereitet und, viel wichtiger, ungebrochen hoch motiviert“, berichtet der gpti-Geschäftsführer. Das zeigten die Ergebnisse einer verbandsinternen Erhebung.
Acquirepad ändert Fokus auf eigenkapitalstarke Investoren
gpti-Mitglied Acquirepad ist auf Transaktionen angewiesen. Das Team um die drei Gründer Frederik Raspé, Manuel Derra und Viktor Weber verdient nur dann, wenn durch den eigens entwickelten Matching-Algorithmus ein Deal zustande kommt. Neben einer konservativen Finanzplanung spart sich das Unternehmen ein Büro. Alle Mitarbeiter arbeiten remote. Im Marketing setzt das Team auf Word of Mouth statt teurer Kampagnen. Außerdem hat das Unternehmen den Fokus nachjustiert, wie Weber betont: "Wir haben unseren Fokus auf eigenkapitalstarke Investoren ausgerichtet, um den veränderten Bedingungen gerecht zu werden. Grundsätzlich treffen wir Entscheidungen wohlüberlegt, aber schnell und iterieren bei Bedarf. Darüber hinaus geben wir uns offenes Feedback."
docunite gibt nur Geld aus, das schon verdient wurde
Weniger abhängig von Transaktionen ist das Geschäft von docunite. Das Unternehmen aus Wuppertal hat ein Real Estate Datenmanagementsystem samt Datenraum entwickelt.
CEO Patrick Penn hat docunite als Start-up ganz ohne Fremdkapital aufgebaut. “Als Bootstrapping Start-up konnten wir immer nur aus uns selbst heraus wachsen. Das heißt: Wir sind gesund gewachsen. Wir haben nur Positionen, die für unser Vorhaben wichtig sind”, erläutert Penn die Strategie von docunite in der Krise. Auch vor der Krise hat es nach dem Motto gehandelt, nur das Geld auszugeben, das auch da war. Das soll auch künftig gelten. Gleichwohl erhält docunite wöchentlich Anfragen von potenziellen Investoren, doch Penn lehnt ab. Das Wachstum finanziert er lieber aus laufenden Einnahmen. So bewahrt er sich die Unabhängigkeit.
Fördermittel helfen Heimladen
Als Fullservice-Anbieter für Ladelösungen profitiert Heimladen von steigenden Zulassungszahlen bei E-Autos. Laut CEO Max Wojtynia ist die Projektpipeline voll. Trotzdem hat das Heimladen-Team gemeinsam mit den Investoren einen Effizienzmodus erarbeitet, um die Effekte der Krise abzufedern. Bislang reicht die Finanzierung bis Ende 2024. Um den Zeitraum gegebenenfalls zu strecken, ging das Team die Extrameile über das Land und den Bund: “Wir haben uns noch einmal intensiv mit Fördermitteln auseinandergesetzt und konnten so zusätzlich zu Mitteln von Bestandsinvestoren eine relevante Summe einsammeln", beschreibt Max Wojtynia den zusätzlichen Geldsegen.
Tauschwohnung nimmt alle Ausgaben unter die Lupe
Die Gunst der Stunde nutzt auch Tauschwohnung. Das Unternehmen aus Bonn vermittelt bedarfsgerecht Wohnraum im Bestand. Damit setzt das Team auf Effekte der stark rückläufigen Neubauzahlen. Geschäftsführer John Weinert sollte die Krise also in die Karten spielen. “Im Nachhinein waren wir leider zu wenig auf die Krise vorbereitet. Uns hätte vorher ein Workshop geholfen, in dem wir mal die Frage ‘was wäre, wenn ...’ durchgespielt hätten”, räumt Weinert ein. Jetzt geht Tauschwohnung ganz pragmatisch mit der Situation um. Als eigenfinanzierte Gründung sind sie zwar unabhängig von Fremdkapital und Finanzierungsrunden, trotzdem müssen sie sparen. Überflüssige Tools wurden abgeschafft.
Lernen mit der Krise umzugehen
Die meisten befragten Mitgliedsunternehmen sind so jung, dass sie von der Finanzkrise 2009 verschont geblieben sind, und jetzt neue Erfahrungen im Umgang mit Krisen sammeln müssen. gpti kündigt an, sie dabei zu unterstützen. Neben dem informellen Austausch untereinander veranstaltet der Verband im Herbst des Jahres wieder sein sogenanntes Offsite, das mittlerweile dritte in Reihe. Dabei kommen die Teilnehmenden für zwei Tage zusammen, um in Workshops wichtige Fähigkeiten zu erlernen, die bei der Bewältigung einer Krise helfen.
„In den Gesprächen mit den Mitgliedern stellen wir fest, dass sie durch die aktuelle Situation mitunter gestresst sind. Umso wichtiger ist es, aus diesem Trott auszubrechen, vom Bild zurückzutreten, um zu sehen, wie weit man eigentlich schon gekommen ist Das zählt bei so einem Offsite ebenso dazu“, erklärt Christian Chaléat und ergänzt, „auch unsere Tech & Excellent Nacht am ersten Messeabend der EXPO REAL (4.-6.10.2023) wird den Rahmen bieten, bestimmte Themen hinter sich zu lassen und frische Kontakte zu machen!”