Die dritte BIM-Studie von Orca zeigt: Damit sich BIM als Standardmethode für das digitale Planen, Bauen und Betreiben durchsetzt, ist noch einiges an Überzeugungsarbeit notwendig.
In einer laut Unternehmensangabe nicht repräsentativen Studie* befragte der Softwarehersteller ORCA Ende 2022 insgesamt 364 Architekten, Ingenieure und Fachplaner nach ihren Erfahrungen und Einschätzungen zu BIM. 79% der Befragten gehören den Berufsgruppen der Architekten, TGA-Fachplaner oder Bauingenieure an. 68% der Befragten sind im Hochbau tätig. Der zweitgrößte Anteil (10%) der Befragten arbeitet im Ingenieurbau. Die Antworten auf die 21 Fragen ergeben ein „differenziertes Bild zum Thema ab“, wie es ORCA formuliert.
Weiterhin überwiegend traditionelle Planung
Insgesamt scheinen Projekte nach wie vor überwiegend traditionell geplant zu werden. Auf die Frage „Haben Sie bereits ein BIM-Projekt durchgeführt oder befindet sich eines in konkreter Planung“ antworteten nur 30% der Befragten mit „Ja“, 61% dagegen mit „Nein“, 9% der Befragten machten dazu keine Angabe. Dies könnte daran liegen, dass sich an der Befragung eher kleine und mittlere Planungsbüros beteiligten. Auf Nachfrage dieser Redaktion teilte ORCA mit, dass fast die Hälfte der Befragten in Büros bis zehn Mitarbeitern arbeiten, knapp ein Drittel in Büros zwischen zehn und 50 Mitarbeitern.
Im Folgenden konzentriert sich die Studie auf die Planer, die bereits BIM-Projekte durchgeführt oder geplant hatten. 49% der Befragten verneinen, in ihren BIM-Workflows BIM-Objekte genutzt zu haben, 63% verneinen die Nutzung einer gemeinsamen Datenquelle (Common Data Environment – CDE), und sage und schreibe 65% der befragten Planer tauschen CAD-Daten per PDF aus (gegenüber 58% in 2020). Selbst die gute alte Excel-Datei wird von 16% derer genutzt, die doch eigentlich per BIM-Methodik planen wollten oder sollten (gegenüber 15% in 2020). Immerhin: Beim Austausch von CAD-Daten gibt es inzwischen einen Anstieg bei der Nutzung des IFC-Standards (58% gegenüber 46% in 2020) sowie von DXF/DWG-Datenformaten (75% gegenüber 71% in 2020).
BIM-Kompetenz wird zum Wettbewerbsvorteil
Auf die Frage „Haben Sie bereits ein Projekt mit einem BIM-Koordinator (intern oder extern) durchgeführt?“, also eine Frage, auf die man vermeintlich nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann, antworteten 6% der Befragten mit „unsicher“. Heißt das, dass 6% der Befragten nicht wissen, ob in ihrem Projekt ein BIM-Koordinator eingesetzt war, oder dass sie nicht wissen was ein BIM-Koordinator ist?
Aufholbedarf besteht offenbar auch beim Thema Nachhaltigkeit. Der effiziente Einsatz aller Ressourcen über die gesamte Wertschöpfungskette Bau hinweg ist ja einer der wesentlichen Gründe, warum die BIM-Methodik überhaupt zum Einsatz kommen sollte. Auf die Frage „Haben Sie bereits ein Projekt mit nachhaltigen Zielen mit Hilfe der BIM-Methodik geplant“ antworteten allerdings nur 8% der Teilnehmer mit „Ja“.
Auch wenn die Umfrage von ORCA nicht repräsentativ ist, sondern ein Stimmungsbild ist, eine Richtung abbildet, lässt sie zumindest den Autor dieser Zeilen etwas ratlos zurück. Wenn man bedenkt, dass beispielsweise BIM ab 2025 Standard bei allen Bauvorhaben des Bundes sein soll, dass viele Großunternehmen bereits seit Jahren BIM-Kompetenz in ihren Ausschreibungen zwingend fordern (z.B. die Deutsche Bahn), dass selbiges Unternehmen in den kommenden Jahren zudem auf Lean Management und IPA (Integrierte Projektabwicklung) setzt, dann könnte es für manches Planungsbüro künftig ungemütlich werden.
Digitalisierung erhöht Attraktivität als Arbeitgeber
Und das nicht nur die BIM-Kompetenz betreffend: Wie eine Umfrage der Bundesingenieurkammer aus dem November 2022 zeigt, setzen Ingenieurbüros auch auf BIM, um für ihre Angestellten und Nachwuchskräfte attraktiv zu bleiben, und zwar unabhängig von der Nachfrage nach konkreten BIM-Projekten. Fast die Hälfte der 1.268 Befragten gibt an, aus Eigeninteresse BIM eingeführt zu haben. Befragte, die BIM bereits anwenden, optimieren darüber interne Prozesse (58 Prozent) und sehen darin einen Wettbewerbsvorteil (67 Prozent). Fast die Hälfte möchte mit BIM die Projektkoordination verbessern. Der überwiegende Teil setzt auf das gemeinsame Arbeiten mit Open BIM.
Fazit: Der rasche Aufbau und die stetige Weiterentwicklung von BIM-Kompetenz in Planungsbüros ist dringend notwendig, denn dies wird nicht nur über die planerische Wettbewerbsfähigkeit entscheiden. BIM-Kompetenz ist jetzt schon ein entscheidender Faktor im Kampf um die klügsten Köpfe.
Lesetipp
Die Schwesterzeitschrift Moderne Gebäudetechnik hat in der Ausgabe 1-2/2023 ein Themen-Special zu den Themen Lean, IPA, BIM und Agile Planung zusammengestellt. Prädikat: Lesenswert!
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*Die komplette Studie stellt ORCA auf Anfrage als Whitepaper zur Verfügung.