Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat ihr Zertifizierungssystem für kleine Wohngebäude überarbeitet. Erstmals umfasst es neben Neubauten auch Sanierungen. Zudem können nun Projekte mit bis zu zwölf Wohneinheiten die Systemvariante nutzen, während die Grenze bisher bei sechs Wohneinheiten lag.
Bei der Überarbeitung der Zertifizierung hat die DGNB großen Wert auf eine vereinfachte Anwendbarkeit gelegt und den inhaltlichen Umfang reduziert. Das neue DGNB System umfasst nun statt bisher 28 nur noch 16 Kriterien, die mit den Anforderungen des Qualitätssiegels Nachhaltiges Gebäude (QNG) harmonisiert sind. Dank der Berücksichtigung der neuen Systemvariante bei der kürzlich erfolgten Akkreditierung der DGNB Zertifizierungsstelle können Projekte sich ab sofort für die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) registrieren.
„Das DGNB System für die Sanierung und den Neubau von kleinen Wohngebäuden ist für uns eine außerordentlich wichtige Weiterentwicklung unter unseren Zertifizierungsangeboten“, erklärt Johannes Kreißig, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. „Kleine Wohnbauprojekte haben im Vergleich zu anderen Gebäudetypen einige besondere Merkmale, denen wir mit der Überarbeitung Rechnung tragen. Uns ging es um eine vereinfachte Anwendbarkeit, einen sinnvoll reduzierten Umfang in der Bearbeitung und eine klare Fokussierung auf Themen, die im Sinne der Nachhaltigkeit wichtig sind. Und das alles unter Berücksichtigung der finanziellen Mittel, die bei solch kleinen Projekten typischerweise limitiert sind.“
Für Bauherren, die das neue Zertifizierungssystem der DGNB nutzen möchten, gibt es eine positive Nachricht: Die QNG-Anforderungen werden vollständig abgedeckt und optional überprüft, was eine sofortige Förderfähigkeit im Rahmen der BEG-Förderung ermöglicht, ohne Übergangsfrist.
16 Kriterien für umfassende Nachhaltigkeitsqualität
Das neue DGNB-Zertifizierungssystem verfolgt übergeordnete Ziele wie den Beitrag der Gebäude zum Klimaschutz. Es belohnt Maßnahmen, die darauf abzielen, Gebäude schnellstmöglich klimaneutral zu betreiben und bestehende Bausubstanz weitgehend zu erhalten. Zudem wird die Erzeugung und Eigennutzung erneuerbarer Energien am Standort gefördert. Die DGNB setzt sich auch für die Förderung der Biodiversität am Standort ein und zielt darauf ab, den natürlichen Wasserhaushalt zu unterstützen sowie den Trinkwasserverbrauch zu reduzieren.
Im Hinblick auf die Bewohner der Gebäude honoriert das DGNB-System für kleine Wohngebäude Maßnahmen, die die Wohngesundheit verbessern, z.B. durch die Verwendung extrem schadstoffarmer Materialien zur Förderung einer hohen Innenraumluftqualität. Auch die langfristige Nutzbarkeit der Häuser steht im Fokus, z.B. durch gute Anpassungsfähigkeit, sinnvolle Gebäudedokumentation und qualitativ hochwertige bauliche Umsetzung.
Das neue DGNB-System fördert zudem das Konzept des zirkulären Bauens, indem es bereits vor dem Bau an die spätere Verwendung und Verwertung der Bauteile und Baustoffe denkt. Darüber hinaus unterstützt es den Gedanken der Suffizienz, indem Bauherren und Planende angeregt werden, genau zu überlegen, welche Maßnahmen und Komfortlevel wirklich notwendig sind, ohne die Qualität zu beeinträchtigen.
Insgesamt umfasst das neue Zertifizierungssystem 16 Kriterien, die drei Hauptthemen zugeordnet sind. Die "Ökologische Qualität" ist dabei mit einem Anteil von 40 Prozent an der Gesamtbewertung etwas stärker gewichtet als die "Ökonomische Qualität" und die "Soziokulturelle und funktionale Qualität".
Für Sanierung und Neubau gleichermaßen anwendbar
Die perspektivisch vielleicht wichtigste Änderung des DGNB Systems für kleine Wohngebäude ist die Erweiterung auf Sanierungen. „Der zielgerichtete Umgang mit dem Gebäudebestand im Sinne einer Transformation in Richtung Ressourcenschonung und Klimaneutralität ist die wohl größte Herausforderung, vor der wir in unserem Bereich stehen“, sagt Johannes Kreißig. „Deshalb ist der Schritt, die Kriterien über die Neubaubetrachtung hinaus auch für Sanierungen anzupassen, so essentiell.“
Um erstmaligen Anwendern des DGNB Systems eine bessere Orientierung zu geben, gibt es in den Kriterien eine Kennzeichnung, in welchen Projektphasen die einzelnen Anforderungen konkret zu berücksichtigen sind – von der Bedarfsanalyse, über die Planungsphase und Umsetzung bis hin zu Betrieb und Nutzung. Zusätzlich stellt die DGNB eine Reihe von Tools zur Verfügung, die als Planungs- und Dokumentationshilfen im Rahmen der Zertifizierung dienen.
Ausweitung auf Mehrfamilienhäuser mit bis zu zwölf Wohneinheiten
Eine weitere wichtige Anpassung ist die Erweiterung der Systemgrenze auf Wohngebäude mit bis zu zwölf Wohneinheiten. „Damit wird das schlanke DGNB System für die Sanierung und den Neubau von kleinen Wohngebäuden nochmal für ganz andere Anwendergruppen interessant“, so Kreißig. „Gerade bei sanierungsbedürftigen Wohnbauten im Bestand gibt es viele Projekte, die in die erweiterte Kategorie fallen.“
Die DGNB unterteilt die Zertifizierung in drei Kategorien: Ein- und Zweifamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser mit bis zu fünf Wohneinheiten sowie Mehrfamilienhäuser mit sechs bis zwölf Wohneinheiten. Dabei bestehen geringfügige Unterschiede in den Anforderungen einzelner Kriterien. Diese Einteilung dient auch der Staffelung der Zertifizierungsgebühren, die für DGNB-Mitglieder zwischen 950 und 2.250 Euro und für Nicht-Mitglieder zwischen 1.450 und 2.950 Euro liegen.
Die Gebühren umfassen neben dem Vorzertifikat und dem Zertifikat auch die Prüfung der QNG-Anforderungen sowie die Vergabe des obligatorischen Siegels für Neubauten, das für den Erhalt von Fördermitteln im Rahmen der BEG-Förderung erforderlich ist. Auf Wunsch kann zusätzlich eine ESG-Verifikation zur EU-Taxonomie beauftragt werden, bei der die Übereinstimmung mit den Kriterien des EU-Klassifizierungssystems überprüft wird. Die Anmeldung von Projekten zur neuen Systemvariante ist ab dem 1. Juli 2024 möglich.