Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts in Deutschland haben eine neue Art von Biobeton auf Basis von Bakterien geschaffen, die vollständig ohne Zement auskommt. Ein zusätzlicher Vorteil dieser Methode ist, dass die eingesetzten Mikroben das klimaschädliche CO2 aufnehmen und binden.
Die Bauindustrie steht vor einer Herausforderung: Zement, der Hauptbestandteil von Beton – einem der am häufigsten verwendeten Baustoffe der Gegenwart – ist ein erheblicher Klimafaktor. Die Produktion von Zement setzt große Mengen CO2 frei. Laut dem Umweltbundesamt wurden 2018 in Deutschland etwa 20 Millionen Tonnen CO2 emittiert, was rund zehn Prozent der Industrieemissionen ausmacht. Im Rahmen des Projekts „BioCarboBeton“ präsentieren Forscher des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS sowie des Fraunhofer-Instituts für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP ein umweltfreundliches Verfahren zur Herstellung von biologisch basierten Baumaterialien. Bei diesem Verfahren wird nicht nur kein CO2 freigesetzt, sondern das klimaschädliche Gas wird aktiv im Produktionsprozess genutzt und im Endmaterial gebunden.
Bauwirtschaft ohne klimaschädliche Emissionen
Das Verfahren basiert auf Cyanobakterien, die auch als Blaugrünbakterien bekannt sind. Diese Bakterienkulturen, die Fotosynthese betreiben können, produzieren im Zusammenspiel von Licht, Feuchtigkeit und Temperatur Kalkstein und bilden dabei Stromatolithen. Diese steinartigen Gebilde existieren seit etwa 3,5 Milliarden Jahren und verdeutlichen die Stabilität dieses biologischen Prozesses. Wie schon in der Urzeit wird bei der Mineralisierung CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen und im biogenen Gestein gespeichert. Cyanobakterien sind weltweit in freier Natur verbreitet. Sie besiedeln häufig Süßwassergebiete, Feuchtböden wie Moore, salzhaltiges Meerwasser, Baumrinden und sogar Gesteinsoberflächen.
Diese Bakterien sind dafür bekannt, Kalksteinstrukturen zu bilden, was sich in den sogenannten Stromatolithen widerspiegelt – porösen Sedimentgesteinen, die man gelegentlich in Küstengebieten findet. Ähnliche Eigenschaften zeigen auch Kieselalgen. Den deutschen Forschern ist es gelungen, diesen Prozess im Labor nachzubilden. In einem Reagenzglas produzieren die Cyanobakterien aus CO2, Stickstoff, Licht und Feuchtigkeit durch Photosynthese Kalksteinstrukturen. Anfangs leben die Bakterien in einer dunklen Umgebung, gemischt mit Sand, Kalzium und einem wässrigen Gel. Durch die Zugabe von CO2 wird das Gas von den Bakterien verbraucht.
Anwendung: Vom Dämmmaterial bis zum Mörtel
Diese Bio-Mischung wird in lichtdurchlässige Formen gegossen. Durch das enthaltene Kalzium und die Lichtstrahlung sterben die Bakterien ab und die Mischung verhärtet sich – ein Prozess, der als Mineralisierung bezeichnet wird. Falls gewünscht, können auch poröse Strukturen erzeugt werden. Der entstehende Festkörper ist zunächst noch porös, sodass Licht ins Innere dringt und die CO2-Fixierung durch Kalkstein-Mineralisierung weiter vorantreibt. Man kann den Prozess durch Reduzierung von Licht und Feuchtigkeit oder durch Temperaturveränderungen stoppen. Das Endprodukt sind feste „Porensteine“, die als Ziegel, Dämmmaterial oder andere Anwendungen genutzt werden können. Die flüssige Mischung kann auf bestehende Bauwerke aufgetragen werden, da sie aufschäumt und sich aufsprühen lässt. Denkbar ist auch der Einsatz als Mörtel, Fassadenputz oder direkt als Biobeton.
Ein Ziel des Projekts »BioCarboBeton« ist es, die möglichen Material- und Festigkeitseigenschaften der hergestellten Festkörper zu analysieren und die Prozesse zu skalieren. Die Forschenden berücksichtigen bereits eine Kreislauf-Prozessführung. So könnte das Kohlendioxid beispielsweise aus industriellen Abgasen gewonnen werden, während derzeit noch mit Biogas gearbeitet wird. Als Calciumquellen kommen Basalte, Minenabfälle oder Milchreste aus Molkereien infrage. Zudem können als Füllstoffe neben Sand auch zerkleinerter Bauschutt oder nachwachsende Ressourcen genutzt werden.
Die Forscher arbeiten daran, ihre Erfindung wirtschaftlich rentabel zu machen. Trotz der vielversprechenden Ergebnisse gibt es Herausforderungen, wie die langsame Wachstumsrate der Organismen und die Frage nach der Verfügbarkeit von Kalzium für die großflächige Produktion. Ein Vergleich zeigt, dass Beton günstiger ist als Treibstoff, weshalb die Herstellung von Biobeton besonders kosteneffizient gestaltet werden muss.