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Nachbarschaftsstreit
Bauen und Nachbarn

In den Städten füllen sich nach und nach die letzten Baulücken. Freie Baugrundstücke sind begehrter denn je.

Wer auf engem Grund und Boden baut, der zieht wohlmöglich den Ärger der neuen Nachbarn auf sich, denn die sind selten über den drohenden Baulärm und Erschütterungen erfreut.

Rechtsanwältin Dr. Petra Sterner, Mitglied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Baurecht, rät privaten Bauherren daher, sich im Vorfeld mit den Nachbarn auseinanderzusetzen und rechtliche Rahmenbedingungen für die Zeit der Baumaßnahmen zu schaffen. „Grundsätzlich darf jeder Grundstückseigentümer mit seinem Grundstück so verfahren, wie er möchte“, so die Fachanwältin. § 903 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) regelt die Befugnisse des Eigentümers. Die Gesetze und Rechte Dritte schränken sie jedoch ein, was im Privaten meist der Nachbar ist. „Eines der häufigsten Probleme verursachen die sogenannten Abstandsflächen, also jene Freiflächen zwischen zwei Gebäuden, die für Belüftung, Belichtung und Besonnung des jeweiligen Grundstücks erhalten bleiben müssen“, so Sterner. Die sogenannte Abstandsfläche gilt es in allen Fällen zu berücksichtigen. Einzige Ausnahme bildet die städteplanerische Bauweise, bei der die Flächen entfallen.

Robbie Williams vs. Jimmy Page

Will der Bauherr sein neues Grundstück optimal bebauen, kann es passieren, dass die Abstandflächen des Gebäudes auf das Nachbargrundstück fallen. Das geht nur mit Einwilligung des neuen Nachbars, die immer schriftlich in Form einer nachbarrechtlichen Vereinbarung erfolgen sollte. Im Regelfall werden solche Abmachungen eingehalten und sparen im Streitfall den Weg zum Gericht.

Innerstädtisch werden Neubauten meist mit Tiefgaragen und Kellern ausgestattet. Vor allem die Garagen sind in älteren Häusern nicht zu finden. Bei neuen Wohnhäusern liegt die Bodenplatte deshalb tiefer als das benachbarte Fundament. Bei Eingriffen in das Erdreich kommt es zu Bewegungen im Baugrund. Die Substanz des Nachbarhauses kann dadurch gefährdet werden. Um das zu verhindern, werden häufig sogenannte Unterfangungen des Nachbarfundaments geplant, bei denen meist im Hochdruckinjektionsverfahren (HDI) Zement unter die Fundamente gebracht wird. Der Bauherr dringt in das Eigentum des Nachbarn ein, was der vorherigen Zustimmung (oder Duldung) durch den benachbarten Immobilienbesitzer bedarf. Auch das sollte schriftlich festgehalten werden.

Prominentes Beispiel für Bewegungen im Baugrund ist Robbie Williams, der seit fünf Jahren im Clinch mit Led-Zeppelin-Gitarrist Jimmy Page liegt. Aktuell geht es um einen unterirdischen Swimmingpool, den Williams gern in seiner Villa im Londoner Stadtteil Kensington einbauen lassen möchte. Page bangt um sein Anwesen im Holland Park, das er seit 1972 bewohnt. Die kleinste Erschütterung könnte es zerstören, fürchtet Page, weshalb er im Haus auch nur Akustik- und nicht E-Gitarre spielt.

Der Einzelfall und die Gesetzeslage im jeweiligen Bundesland entscheiden, inwieweit der Nachbar zur Duldung der Unterfangung verpflichtet ist. In Berlin regelt § 6 bzw. § 16 des Nachbarrechtsgesetzes solch einen Fall. „Weitere Voraussetzungen für eine Gestattung sind, wenn durch die Unterfangung nur geringfügige Beeinträchtigungen des Nachbarhauses zu befürchten sind und der Neubau öffentlich-rechtlich zulässig ist“, erläutert Sterner.

Baustopp verhindern

Ohne Einigung zwischen Bauherrn und Nachbarn, kann es zu einem kostspieligen Baustopp kommen, wenn der Bauherr trotzdem mit den Unterfangungsarbeiten beginnt. Unter Umständen kostet es viel Zeit und Geld, weshalb auch hier eine nachbarrechtliche Vereinbarung getroffen werden sollte.

Während des eigentlichen Baus können weitere Probleme entstehen. Der Kran darf grundsätzlich nicht über das Nachbargrundstück geschwenkt werden, da auch der Luftraum in das Eigentum des Grundstückeigentümers (§ 905 BGB) fällt. „Eine Ausnahme gilt hier, wenn die Baustelle nicht ohne überschwenkenden Kranarm zu bearbeiten ist. Dann hat der Bauherr einen Duldungsanspruch gegenüber dem Nachbarn auf die vorübergehende Nutzung“, erklärt die Baurechts-Expertin. Ein oder mehrere einstweilige Verfügungsverfahren durch oder gegen den Nachbarn gehen dem manchmal voran. Um die zu vermeiden, sollte man auch für diesen Fall vorsorgen und mit dem Nachbarn in Form einer nachbarrechtlichen Vereinbarung die Rahmenbedingungen für eine reibungslose Baustelle und ein gutes Miteinander unter Nachbarn schaffen.

Wütender Nachbar droht

(Foto: Juergen Faelchle/stock.adobe.com)

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