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02.06.2022 | Jan Tulke, Philipp Albrecht

Warum BIM Standards braucht

Interview:Ralf-Stefan Golinski

Weshalb noch fehlende Standards aber nicht länger am Einsatz von BIM hindern sollten. Im Gespräch mit Philipp Albrecht, Leiter bei DIN für das Geschäftsfeld BIM, und Dr. Jan Tulke, Geschäftsführer der planen-bauen 4.0 GmbH.

Herr Albrecht und Herr Dr. Tulke seit sechs Jahren wird die jährliche BIM-Umfrage – etwa unter den Teilnehmern der BIM-TAGE Deutschland – erhoben: Also in Planen, Bauen und Betreiben. Eine der Fragen lautet: „Was hindert Sie noch am Einsatz von BIM?“ Und immer wieder liest man als Antwort: Es fehle noch an Standards. Was sagen Sie dazu?

Albrecht: Der Einsatz von BIM kann durch Normen und Standards deutlich erleichtert werden. Sie sind sogar zwingende Voraussetzung, dass der Abstimmungs- und Anpassungsaufwand für die Einrichtung projektbezogener digitaler Prozesse zwischen den Projektbeteiligten zukünftig deutlich reduziert werden kann.Die gute Nachricht ist: Es gibt bereits Standards, die die Anwendung von BIM erleichtern und unterstützen.

Hierbei geht es zunächst um grundsätzliche Themen, wie die Bestimmung einheitlicherBegriffe und Definitionen (Terminologien), Grundsätze für das Informationsmanagement bei BIM-Projekten, die Gestaltung von Prozessen und Abläufen bei BIM-Projekten.

Über diese grundsätzlichen Themen hinaus wurden jedoch auch bereits Normen undStandards zu den Themen Datenstrukturen, Common Data Environment und Schnittstellen erstellt und veröffentlicht. Diese dienen dazu, dass BIM auch übergreifend genutzt und angewendet werden kann. Ein sehr bekanntes Beispiel ist der ifc-Standard, welcher sich von einem Branchenstandard hin zu einer internationalen ISO-Norm entwickelt hat.

Dr. Tulke: BIM wird oft als Synonym für die Digitalisierung der gesamten Baubranche gesehen. Auch wenn wir hierbei schon ein großes Stück vorangekommen sind, versteht es sich von selbst, dass bei einer so großen Veränderung nicht bereits am Anfang alle Aspektegeklärt sein können. Die Standardisierung beginnt bei den übergreifenden, generellen Themen. Um die Methode jedoch in den vielen unterschiedlichen Bereichen einfach praktisch nutzbar zu machen, bedarf es einer Vielzahl detaillierter Festlegungen.

Dabei hat sich eine anwendungsfallbezogene Vorgehensweise bewehrt. Das heißt, sich einen konkret zu unterstützenden Prozess (Anwendungsfall) anzuschauen und die für seine digitale Umsetzung erforderlichen Festlegungen zu erarbeiten. Dies geht auch über technische Standards hinaus zum Beispiel in Form von Rollen und Leistungsbildern. Um hier schnell voranzukommen ist eine Mitwirkung vieler verschiedener Fachleute erforderlich, die ihre Erfahrungen aus der BIM-Anwendung in die Normung einbringen. Das bedeutet, die Standardisierung lebt von der Rückkopplung aus der praktischen Anwendung und kann nicht vorab erfolgen. Somit gilt auch der Rückschluss: Je mehr die BIM-Methode angewendet wird, umso breiter und detaillierter kann die Standardisierung voranschreiten.

Welche sind denn die relevanten Initiativen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene mit Bedeutung für Projekte, in denen BIM zum Einsatz kommen soll?

Albrecht: Im letzten Jahr haben sich BIM-Deutschland, buildingSMART Deutschland, VDI und DIN gemeinsam mit zahlreichenweiteren Experten zusammengetan und eine Normungsroadmap BIM erstellt. Hier werden Themenfelder aufgezeigt und Handlungsempfehlungen an die Normung und Standardisierung formuliert, die in den nächsten Jahren für das Themenfeld BIM relevant werden oderbereits relevant sind.

Zudem haben wir auf der DIN-Webseite eine Übersicht der bereits existierenden BIM Normen und Standards sowie die zugehörigen nationalen und internationalen Gremien bereitgestellt.

Die BIM-Normung muss europäisch und international abgestimmt sein, um einheitliche Lösungen für die globalen Märkte zu erreichen. Gleichzeitig sind nationale Initiativen, wie beispielsweise die Normungsroadmap BIM wichtig, um die nationale Perspektive zu erarbeiten, die dann international bei ISO und europäisch bei CEN eingebracht werden können. DIN ist hier das Tor zur europäischen und internationalen Normung.

Auf nationaler Ebene arbeiten wir zudem eng mit DKE/VDE zusammen, um die Experten aus den elektrotechnischen Bereichen mit den anderen Gewerken entsprechend zu vernetzen. Gerade bei BIM ist das sehr wichtig.

Dr. Tulke: Ein großer Hebel liegt auch bei den Bauherren, die die Nutzung von BIM in ihren Projekten vorantreiben können, indem sie konkrete Vorgaben zum Umfang der gewünschten BIM Nutzung und ihren Datenanforderungen machen. Vor diesem Hintergund hat der Bund als wichtiger öffentlicher Auftraggeber BIM Einführungsstrategien für die Bereiche Straße, Schiene, Wasserstraße und Hochbau entwickelt. Auch hat er Pilotprojekte durchgeführt sowie Leitfäden und Arbeitshilfen bereitgestellt. Die Webseite von BIM Deutschland bietet hierzu einen Überblick.

Für die Schaffung verbindlicher digitaler Standards in der öffentlichen Verwaltung sind zudem der IT Planungsrat und die XLeitstelle maßgebend, so zumBeispielbei Datenstandards für den digitalen Bauantrag. Darüber hinaus gibt es auch auf Landes- und Kommunalebene Einführungsstrategien.

Zudem sind es natürlich die Unternehmen und Organisationen selbst, die BIM in die Anwendung bringen müssen, indem sie ihre Projekte mit BIM umsetzen. Gerade auch die Verbände spielen hier eine wichtige Rolle, da diese eine Multiplikatorenrolle einnehmen, ihre Mitgliedsunternehmen informieren und durch Wissensaustausch und Bündelung unterstützen können.Das zeigt, dass es bereits viele Akteure, Rollen und Initiativen gibt, die das Thema vorantreiben.

Bleiben wir aber mal bei Projekten im deutschsprachigen Raum. Und versetzen wir uns in die Situation kleiner und mittlerer Büros und Betriebe. Da ist eine schwierige Orientierung und gewiss auch Verunsicherung ja vorprogrammiert. Müssen die Firmen jetzt besser einen eigenen Standardisierungs-Beauftragteneinstellen?

Und in welchen Themenbereichen rechnen Sie mit weiteren Standardisierungsnotwendigkeiten – Stichwort Nachhaltigkeit, EU-Taxonomie etc …?

 

Lesen sie die Antworten auf diese und weitere Fragen im zweiten Teil des Interviews.

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Autoren

Dr. Jan Tulke ist Geschäftsführer der planen-bauen 4.0 GmbH, Obmann des DIN Arbeitsausschusses NA 005-13-01 Strategie im Fachbereich BIM und federführend bei BIM Deutschland. Als Experte ist er seit vielen Jahren in der BIM Beratung und Standardisierung sowie der BIM Strategieentwicklung für öffentliche Auftraggeber tätig.


Philipp Albrecht leitet bei DIN das Geschäftsfeld BIM und ist davon überzeugt, dass Open BIM nur mit Normen und Standards funktioniert, weil diese dafür sorgen, dass die Beteiligten Vertrauen in die Technologie haben und dadurch die Digitalisierung im Bauwesen vorangetrieben wird.

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