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28.08.2020 | Jens Bredehorn, Richard Waldöstl

CDE-Implementierung im Real Estate Management

BIM richtig aufsetzen (2/4)

Kaum ein Artikel über BIM kommt ohne das Kürzel CDE aus. Nicht ohne Grund – CDE ist ein essenzieller Teil der BIM-Methodik. Der Beitrag erklärt die CDE am Beispiel des Informationsmanagements von bestandshaltenden Bauherren.

 

1. Einleitung

BIM ist ein komplexes Thema und wird häufig auf den Umgang mit 3D-Modellen reduziert. Dabei ist die ausschließliche Sichtweise auf modellbezogene Inhalte eine Gefahr für die erfolgreiche Einführung der BIM-Methode in einer Organisation. Kern ist das Informationsmanagement, dessen Abbildung idealerweise in einer gemeinsamen Datenumgebung (Common Data Environment, CDE) stattfindet. Die gemeinsame Datenumgebung ist die vielzitierte Single-Source-of-Truth.

Somit stellt die Implementierung einer CDE einen wichtigen Baustein für die Implementierung der BIM-Methode dar. Dabei ist jedoch hervorzuheben, dass die folgenden Ausführungen zur CDE sich auf das Informationsmanagement von bestandshaltenden Bauherren beziehen – ganz gleich ob privater oder öffentlicher Bauherr.

2. Grundsätze

Der Begriff Common Data Environment wird aus verschiedenen Sichtweisen interpretiert. Für die einen bedeutet CDE eine Software zur Verwaltung von Projektinformationen, für die anderen ist es ein gedankliches Konstrukt im Umgang mit assetbezogenen Informationen (Projekt- und Assetinformationen).

Entsprechend der DIN EN ISO 19650-1:2019 wird die CDE oder die gemeinsame Datenumgebung als „eine vereinbarte Umgebung für Informationen für ein bestimmtes Projekt oder für ein Asset, um jeden Informationscontainer über einen verwalteten Prozess zu sammeln, zu verwalten und zu verbreiten“ definiert (DIN EN ISO 19650-1:2019-08, S. 13).

Im Gegensatz dazu konkretisiert bzw. reduziert die DIN SPEC 91391-1 die CDE auf eine „internetbasierte Plattform für das Management von Prozessen und Informationen in allen Lebenszyklusphasen eines Bauwerks“ (DIN SPEC 91391-1:2019-04, S. 9).

Als Unterstützung in der Beschaffung von CDE-Lösungen ist die Definition aus der DIN SPEC 91391 hilfreich, widerspricht jedoch dem eigentlichen Grundgedanken einer umfassenden gemeinsamen Datenumgebung für die Verwaltung und Verarbeitung von bauwerksbezogenen Informationen. Denn die Realität zeigt: Eine CDE ist eine Sammlung von Tools. Diese Tools können beispielsweise sein:

  • Projektplattform
  • Kollaborationsplattform
  • Dokumenten-Management-System
  • CAFM-System usw.

Grundsätzlich lässt sich festhalten: Eine gemeinsame Datenumgebung ist die Abbildung des Informationsmodells (Projekt- und Assetinformationsmodell), die mit verschiedenen Anwendungen realisiert wird.

3. Ansätze

Eine gemeinsame Datenumgebung für das Informationsmanagement sämtlicher Assets (bauwerksbezogene Objekte) sollte für bestandshaltende Bauherren die oberste Priorität im Rahmen einer unternehmensweiten Implementierung der BIM-Methode besitzen.

Dabei sind mindestens drei wesentliche Ansätze zu verfolgen:

1. Ganzheitlichkeit
2. Prozessorientierung
3. Metadatenorientierung

3.1 Ganzheitlich

Die Implementierung einer gemeinsamen Datenumgebung sollte einem ganzheitlichen und lebenszyklusübergreifenden Ansatz folgen. Ganzheitlich bedeutet in diesem Fall die Betrachtung sämtlicher Projekt- und Betreiberinformationen (Dokumente, geometrische Daten und nicht-geometrische Daten) über sämtliche Lebenszyklusphasen aller Liegenschaften bzw. aller Bauwerke. Dabei kann die gemeinsame Datenumgebung als eine Zusammenstellung aus Projekt- und Betreiberplattformen betrachtet werden.

Hierbei treten drei wesentliche Fokusthemen auf (siehe Abbildung 1):

1. Übergabe an den Betrieb (Inbetriebnahme, Umgang mit betriebsrelevanten Informationen)
2. Archivierung (Umgang mit nicht-betriebsrelevanten Informationen)
3. Bereitstellung von Bestandsdaten zu Projektstart (Informationsgrundlage für neue Projekte)

Bild 1: CDE im Informationsmanagement, Bild: vrame Consult GmbH

Entsprechend dem Grundsatz, dass die gemeinsame Datenumgebung eine Sammlung von verschiedenen Tools darstellt, veranschaulicht Abbildung 2 eine Ideallösung zur Gestaltung einer ganzheitlichen technischen Lösung. Kernelemente sind hierbei eine Projektplattform zur Organisation der Projektinformationen, ein zentraler Datenbestand zur Organisation der Betreiberinformationen sowie eine gemeinsame Informationsstruktur (z. B. Referenzkennzeichnung nach DIN EN 81346:2010-05).

Die Projektplattform ist dabei projektorientiert und ermöglicht die Zusammenarbeit im Projektteam sowie die Durchführung von Standardprozessen. Im Wesentlichen dient sie dabei der Sortierung und Strukturierung von Informationen.

Der zentrale Datenbestand ist dagegen liegenschaftsorientiert und fungiert als zentrale Datenquelle für weitere informationsverarbeitende Anwendungen wie z.B. ein CAFM-System. Dieser zentrale Datenbestand könnte auch als ein „Common Data Model“ für Assetinformationen bezeichnet werden.

Die gemeinsame Informationsstruktur ist dabei das verbindende Glied zur Organisation und Verwaltung der Informationen. Sie sorgt für eine eineindeutige Zuordnung von Informationen zu Bauteilen, Assets usw. und findet sich wieder bei Dokumenten, Plänen und Modellen/Modellelementen.

Bild 2: Idealgestaltung von CDE-Lösungen, Bild: vrame Consult GmbH

3.2 Prozessorientiert

Es wäre ein Missverständnis, zu glauben, dass die Implementierung einer CDE ausschließlich technologiegetrieben ist. In Wahrheit geht es um Prozesse. Dabei kann sich nach dem bekannten Leitsatz „Form follows function“ orientiert werden. Die Prozesse gestalten die CDE, nicht vice versa. (vgl. UK BIM Alliance 2020, S. 28)

Die dabei zu implementierenden Prozesse sollten sich an den organisations- und projektrelevanten Prozessen orientieren und können sehr individuell ausgestaltet werden.

Dafür gibt die DIN EN ISO 19650-1:2019-08 einen Ansatz zur Organisation von Informationen und Prozessen mithilfe von vier verschiedenen Status (siehe Abbildung 3):

1. in Bearbeitung
2. geteilt
3. veröffentlicht
4. archiviert

Bild 3: Status in der gemeinsamen Datenumgebung (DIN EN ISO 19650-1:2019-08, S. 36), Bild: vrame Consult GmbH

3.3 Metadatenorientiert

Metadaten sind „Informationen über Merkmale anderer Daten“ (DIN SPEC 91391-1:2019-04, S. 10). Man kann sie auch als Eigenschaften betrachten bzw. bezeichnen. Sie dienen der Beschreibung einer Struktur der Daten, erleichtern das Archivieren und Wiederauffinden von Daten und können bei Prozessen unterstützen. So sollten z.B. Dokumente, Pläne oder Modelle metadatenorientiert verwaltet bzw. verarbeitet werden können.

Dabei gibt es drei wesentliche Metadaten, auf die nicht verzichtet werden sollte (vgl. UK BIM Alliance 2020, S. 30):

1. Revision (zur Sicherstellung der Revisionierbarkeit von Informationen)
2. Status
3. Klassifizierung/Informationsstruktur

Darstellung eines Informationscontainers, Bild: vrame Consult GmbH

 

4. Herausforderungen

Die Implementierung einer gemeinsamen Datenumgebung kann verschiedene Herausforderungen mit sich bringen. Die wesentlichen, in der Praxis häufig auftretenden Herausforderungen sind das Fehlen einer Zielstellung, die fehlende Betrachtung von Use Cases, die fehlende Berücksichtigung der Anwendenden sowie die bisher unzureichend organisierte Interoperabilität von CDE-Lösungen innerhalb der technischen Infrastruktur.

4.1 Definition der Zielstellung

Unter Berücksichtigung eines fehlenden ganzheitlichen Ansatzes bei der Implementierung einer CDE oder einzelnen CDE-Lösungen beobachten wir häufig, dass nicht zwischen einer CDE und einzelnen CDE-Lösungen (z. B. Projektplattform) unterschieden wird. Beispielweise dient eine Projektplattform zur Verwaltung der Projektinformationen und ist nur ein Teil der gesamten gemeinsamen Datenumgebung. Die Projektplattform dient somit zur Erfüllung anderer Ziele. Es braucht daher eine Differenzierung der Zielstellung zwischen der CDE und einzelnen CDE-Lösungen (wie z. B. der Projektplattform oder dem CAFM-System).

4.2 Definition von Use Cases

Genau wie sich bei der Implementierung der BIM-Methode die Denkweise in Anwendungsfällen durchgesetzt hat, so ist auch bei der Implementierung einer CDE oder Teilen davon diese Denkweise von Nutzen. Jede Anwendung innerhalb der gemeinsamen Datenumgebung hat ihre eigenen Use Cases und dementsprechende Anforderungen an Metadaten, Prozesse, Beteiligte usw.

Bei der Beschaffung von CDE-Lösungen wird selten in Use Cases gedacht. Die Folgen daraus sind schwer einschätzbare Anforderungen an Metadaten, das Fehlen von Monitoring-Möglichkeiten oder Schwierigkeiten bei der Weiterentwicklung der CDE-Lösung.

Beispiele für Use Cases bei einer Projektplattform:

  • Einhaltung von Dokumentationsanforderungen
  • Soll-Ist-Vergleich für Lieferungen (Dokumente, Modelle, Pläne)
  • Modellmanagement (Prüfung und Freigabe)
  • Nachtragsmanagement
  • Übergabe der Dokumentation nach Projektende

4.3 Faktor Mensch

Der Erfolg einer CDE (bzw. einer CDE-Lösung) hängt maßgeblich von ihrer Nutzung ab. Wird die Anwendung ungern durch die Anwendenden genutzt, so kann es schnell passieren, dass sich parallele Prozesse oder Anwendungen entwickeln, die nicht Bestandteil der gemeinsamen Datenumgebung sind. Die Gründe für eine Nicht-Nutzung oder widerwillige bzw. zögerliche Nutzung können vielschichtig sein. Hier greifen auch die klassischen Herausforderungen bei der Einführung von neuer Software.

CDE-Lösungen leben von Metadaten. Die Eingabe von Metadaten kann jedoch die Anwendenden überfordern, insbesondere wenn es zu viele sind oder Eingabeformulare nicht intuitiv gestaltet wurden. Die Benutzeroberfläche und damit einhergehende Nutzerführung einer CDE-Lösung ist daher genauso wichtig wie ihre Funktionalität. Bei der Beschaffung von CDE-Lösungen sollten auch solche subjektiven Kriterien, die häufig nur schwer objektiv messbar sind, berücksichtigt werden. Eine Möglichkeit besteht darin, Anwendungen individuell anpassbar zu beschaffen. Denn eigene organisationsspezifische Anpassungen können zur Akzeptanz helfen, wo Standardlösungen eher frustrieren können.

4.4 Technische Infrastruktur

Eine gemeinsame Datenumgebung ist eine Sammlung von verschiedenen Anwendungen. So stellt die Interoperabilität zwischen diesen Anwendungen eine weitere Herausforderung dar. Hier geht es insbesondere auch um die Interoperabilität von Metadaten und die Übergabe von Informationen (z. B. Übergabe von metadatenorientiert abgelegten Projektdokumenten aus dem Projekt an Betreibersysteme). Hierbei gibt es bisher (noch) keinen Industriestandard.

Die Praxis zeigt, dass es unerlässlich ist, sich über ein ganzheitliches Informationsmodell (Common Data Model) Gedanken zu machen. Dieses Informationsmodell würde das Zielsystem für Informationslieferungen darstellen und somit das CDE definieren. Denn es wäre ein informationstechnischer Rückschlag, die aufwendig erstellten Projektinformationen, die während des Projekts den Anforderungen entsprechend metadatenorientiert zusammengestellt wurden, in Betreibersysteme zu übergeben, die nicht darauf vorbereitet sind.

5. Fazit

Bei allen Sichtweisen auf ein CDE lässt sich zusammenfassend sagen, dass ein CDE nicht nur die Technologie allein beschreiben. Es muss immer zwischen der technischen Lösung (eingesetzte Software und Plattformen) und den zugehörigen Workflows unterschieden werden. Das CDE wird zur Unterstützung von Prozessen genutzt, die sicherstellen, dass Informationen verwaltet und für diejenigen, die diese Informationen benötigen, jederzeit verfügbar sind.

Das CDE besteht dabei in der Regel nicht nur aus einer einzelnen technischen Lösung, sondern aus einer Reihe von Systemen, die zur Umsetzung von kollaborativen Workflows erforderlich sind. Werden mehrere Systeme benötigt, müssen diese immer miteinander funktionieren. Dies wird z. B. über den Einsatz offener Schnittstellen wie IFC oder BFC gewährleistet. Gleichzeitig kann durch ein Kennzeichnungssystem eine Verknüpfung zwischen Systemen und Informationen geschaffen werden, die ebenfalls einen kollaborativen Workflow abbilden.


Literaturverzeichnis

DIN SPEC 91391-1:2019-04, 2019: Gemeinsame Datenumgebungen (CDE) für BIM-Projekte – Funktionen und offener Datenaustausch zwischen Plattformen unterschiedlicher Hersteller – Teil 1: Module und Funktionen einer Gemeinsamen Datenumgebung; mit digitalem Anhang.

DIN EN ISO 19650-1:2019-08, 2019: Organisation und Digitalisierung von Informationen zu Bauwerken und Ingenieurleistungen, einschließlich Bauwerksinformationsmodellierung (BIM) — Informationsmanagement mit BIM — Teil 1: Begriffe und Grundsätze.

DIN EN 81346:2010-05, 2010: Strukturierungsprinzipien und Referenzkennzeichnung, Teil 1: Allgemeine Regeln, Teil 2: Klassifizierung von Objekten und Kennbuchstaben von Klassen.

UK BIM Alliance (Hg.) (2020): Information management according to BS EN ISO 19650. Guidance Part 2: Processes for Project Delivery. 4. Edition. UK BIM Alliance.


Ankündigung

Bereits in unserem ersten Artikel „BIM-Projektdesign: Die Krise als Chance“ haben wir gezeigt, dass es trotz vorhandener Komplexität bei der Implementierung der BIM-Methode wichtig ist, die verschiedenen Informationsbedürfnisse zu betrachten. Das hier dargestellte durchgängige Informationsmanagement auf Basis eines ganzheitlichen Informationsmodells unter Einsatz von IT-Systemen und -Tools stellt wiederum einen weiteren, aus unserer Sicht essenziellen Baustein dar, den es zu berücksichtigen gilt.

Wie nun Informationsbedürfnisse mit einem durchgängigen Informationsmanagement unter Einsatz von IT-Systemen und -Tools aus unserer Perspektive zusammengebracht werden können, zeigen wir in unserem nächsten Fachartikel „Culture eats BIM strategy for breakfast – Warum die BIM Implementierung als Transformationsprozess angesehen werden sollte“.


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Autoren

Jens Bredehorn ist Bauingenieur und Geschäftsführer der vrame Consult GmbH. Er agiert durch das Erkennen von internen und externen Risiken und Chancen, definiert Informations- und Qualitätsanforderungen und zugehörige Managementprozesse und entwickelt interdisziplinäre Workflows und Anforderungen für komplexe Projekte. www.vrame.com


Richard Waldöstl studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Berlin und arbeitet seit drei Jahren als Consultant bei der vrame Consult GmbH in Berlin. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die strategische Beratung bei der lebenszyklusübergreifenden Implementierung von BIM in Unternehmen und Projekten sowie das Change Management. vrame.com

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