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19.02.2021 | Stefan Kaufmann

BIM und Baum

BIM & Holzbau

Bei der Digitalisierung der Bauwirtschaft ist der Holzbau einsame Spitze – bedingt durch den hohen Vorfertigungsgrad, der für BIM wie geschaffen ist.

Der Klimawandel ist vermutlich die größte Bedrohung unserer Zeit. Um die daraus resultierende Klimakatastrophe noch zu verhindern, hat die Europäische Kommission Ende 2019 mit dem European Green Deal ein Konzept vorgelegt, das mit verschiedenen Maßnahmen Europa bis 2050 klimaneutral machen soll. Nach Ansicht der Holzwirtschaft wurden dabei jedoch die Potenziale einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung und Holznutzung nicht stark genug miteinbezogen. Der natürliche Baustoff Holz ist regenerativ und speichert CO2 in Form von Kohlenstoff. Er ermöglicht aufgrund seiner hohen Stabilität filigrane Konstruktionen und mehrgeschossige Bauwerke und dank seiner guten Dämmeigenschaften ein angenehmes Raumklima. Kurz: Holzbau ist zukunftsträchtiger denn je – und auch ein guter Kandidat für BIM.

Prädestiniert für BIM

In Sachen Digitalisierung ist der moderne Holzbau bereits von Natur aus weiter als andere Bauweisen. Der Grund hierfür liegt in seinem hohen Vorfertigungsgrad und den durchgängigen digitalen Prozessen. Schon seit Jahrzehnten werden in der Werkstattplanung detaillierte 3D-Modelle für die maschinelle Fertigung erstellt. Digitalisierung und Automatisierung der Vorfertigung entwickeln sich stetig weiter. Zudem koordinieren Holzbauplaner schon jetzt sämtliche angrenzende Gewerke, was sie auch für die Rolle des  BIM-Koordinators prädestiniert. Nichtsdestotrotz wird ein gewerkeübergreifendes BIM bislang noch nicht verlangt und folglich auch selten praktiziert.

Forschungsprojekt an der TUM

Eine Forschergruppe der TU München will nun in einem dreijährigen Projekt die Wertschöpfungskette Planen und Bauen mit Holz auf Basis von BIM weiterentwickeln. Das Vorhaben trägt den passenden Namen BIMwood. Teilnehmer sind neben der Professur für Entwerfen und Holzbau sowie dem Lehrstuhl für Architekturinformatik der Hochschule die Praxispartner Prause Holzbauplanung, die BIM-Experten AEC3, Lattke Architekten und das Holzbauunternehmen Gumpp + Maier. Fokus der Forschung soll die „Weiterentwicklung von Methoden, Werkzeugen und Handeln im vorgefertigten Holzbau zur Verbesserung reibungsloser Planungs- und Datenmanagementprozesse“ sein.

Die Ergebnisse des Projekts, das durch Mittel aus dem Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft unterstützt wird, sind an Entscheidungsträger, Planer, Holzbauunternehmen sowie die Softwareindustrie gerichtet. Begonnen hat BIMwood im August 2019. Spätestens ab Juli 2022 soll sich der Holzbau auf praxisreife Richtlinien für BIM freuen können.

Turnhalle Gymnasium Marktoberdorf, Bild Lattke Architekten

BIM-Modell Zeltplatz Rücklenmühle Augsburg, Bild: Lattke Architekten

Maßgeschneiderte Automatisierungslösungen

Wie es BIM-basierte vollintegrierte Planungsprozesse ermöglichen, komplexe Workflows so zu optimieren, dass sie sich innerhalb weniger Minuten erledigen lassen, zeigt das Beispiel der Firma JC Development. Die Schweizer erstellen für ihre Kunden auf Grundlage von Allplan maßgeschneiderte Industrie-4.0-Lösungen, die Planungsprozesse automatisieren.

Für die STEKO Holz-Bausysteme AG, die Holzmassivgebäude in modularer Bauweise herstellt, programmierte JC Development ein Plugin, das auf Basis eines einfachen Architekturmodells Zehntausende individuelle Bauteile ausführungsreif modelliert. Die Bauteile werden dabei geometrisch geprüft und an ihren Kontext angepasst. Das Programm generiert darüber hinaus ein Analysemodell für den Tragwerksplaner sowie – File2Factory – sämtliche notwendige Daten für die CNC-gestützte Fertigung. Obendrein werden Bestelllisten für das Rohmaterial und die Kalkulation erzeugt.

Die Vorteile dieser neuen Art des integrierten Bauens, in der Gebäude mit bis zu sieben Stockwerken in robuster Holzbauweise hergestellt werden können, sind enorm. Durch die Integration aller Fügungsdetails in die Holzkonstruktion lassen sich teure Stahlverbinder vermeiden, was die Baukosten drastisch senkt. Der Mensch profitiert einmal mehr durch die Befreiung von monotoner, repetitiver Arbeit bei der Ausführungsplanung und der Fertigung, wodurch nicht nur Aufwand reduziert, sondern auch Fehler, die sich bei solchen Tätigkeiten unausweichlich einschleichen, vermieden werden. Zudem ermöglicht der hohe Vorfertigungsgrad eine trockene und schnelle Baustelle, auf der dank hoher Präzision des Rohbaus die Zusammenarbeit der Gewerke erleichtert wird.

Plugin von JC Development, das auf Basis eines einfachen Architekturmodells Zehntausende individuelle Bauteile ausführungsreif modelliert, Bild: JC Development

BIM-basierter Industrie-4.0-Ansatz

Ein Projekt, bei dem ebenfalls durch den Einsatz von BIM und Parametrik in der Planung sowie hochautomatisierter Vorfertigungstechnologie ein durchgängiger Industrie-4.0-Ansatz realisiert wurde, ist Sachsens erste Schule in Holzbauweise am Leipziger Barnet-Licht-Platz. Das Projekt steht für die Zukunft des digitalen Planens und Bauens in Deutschland.

Das viergeschossige Gebäude setzt sich aus vorgefertigten Raumzellen zusammen. An drei Tagen pro Woche konnten von nur fünf Arbeitern täglich zehn bis 15 Module montiert werden. An den übrigen zwei Wochentagen wurden Anschlussarbeiten, Komplettierungen, Fügungen und Flurdecken ausgeführt. Eine Fassade aus Holz-Rhombus-Leisten verleiht dem Gebäude ein ansprechendes homogenes Äußeres und zeigt die nachhaltige Bauweise im Straßenbild.

Die als SmartParts und PythonParts in Allplan realisierten parametrischen Planungsmodelle ermöglichen automatisierte Produktionsprozesse, Bild: JC Development

Oberschule am Barnet-Licht-Platz in Leipzig, Bild: Bernd Borchardt

Der Entwurf für den innovativen Holzbau stammt aus der Feder des Berliner Architekturbüros Kaden + Lager. Zum BIM-Projekt wurde das ganze jedoch erneut durch JC Development. Die als SmartParts und PythonParts in Allplan realisierten parametrischen Planungsmodelle ermöglichen automatisierte Produktionsprozesse im Sinne von Industrie 4.0.

Für die spätere maschinelle Fertigung der Module durch den Generalunternehmer Kaufmann Bausysteme erzeugten die Ingenieure zunächst ein 3D-Gebäudemodell in Allplan. Mithilfe eines eigens entwickelten SmartPart-Systems, das eine parametrisierte Erstellung der Bauteile erlaubt, generierten sie anschließend hochautomatisiert die Werkplanung der Tragstruktur direkt für die Fertigung auf CNC-Maschinen – File2Factory.

Datentransfer von CAD zu Maschine

Mit den Cloudlösungen Allplan Share und Allplan Bimplus konnte zudem das mühsame und fehleranfällige Verschicken von Dateien vermieden werden. Die Werkplanung wurde so problemlos nicht nur zwischen den verschiedenen Projektbeteiligten koordiniert, sondern auch in die maschinelle Produktion überführt. Und das über Ländergrenzen hinweg: So erfolgte dank der smarten Daten aus Glarus (Schweiz) der Plattenabbund in Krems, die Fertigung der Nasszellen in Kalwang (beide Österreich) und die Herstellung der übrigen Raumzellen in Berlin, ehe die Bauteile letztendlich in Leipzig fehlerfrei zu einem Bauwerk gefügt wurden.

Dank der modularen Konstruktion in Verbindung mit einem BIM-basierten Industrie-4.0-Prozess konnte der Rohbau der über 8.000 Quadratmeter (BGF) großen Schule für 672 Schüler in lediglich zehn Wochen ab Oberkante Bodenplatte verwirklicht werden. Viele Generationen von Schülern und Lehrern werden sich nun über das besonders ökologisch nachhaltige Bauwerk aus dem digitalen Baukasten freuen können.


Lesen Sie auch: „Automatisiert BIM den Beruf des Architekten?“ Kaden+Lager bauen Holz-Hybrid-Häuser. Hier klicken

© Bernd Borchert
Autor

Stefan Kaufmann durchlief nach seinem Studium der Architektur mit Fokus auf BIM verschiedene Stationen im Laufe seiner akademischen Karriere an der TU München und als Geschäftsführer des Leonhard Obermeyer Centers (LOC). Seit 2018 ist Stefan Kaufmann im Produktmanagement der Allplan GmbH tätig. Er ist Mitglied des Advisory Board der buildingSMART e.V. (Bild: Rainer Wolfsfellner) allplan.com

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