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Markus Lager, Markus Willeke

Automatisiert BIM den Beruf des Architekten?

BIM im Urbanen Holzbau

"Hilft uns BIM bei der Planung? Ist es effizienter? Schneller?" Das fragten sich die Architekten von Kaden+Lager – und bauten Holz-Hybrid-Häuser mit BIM.

Urbanen Holzbau machen Kaden+Lager schon lange. Hier ist er Projekttitel des geförderten Wohnungsbaus für die Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE in Berlin-Adlershof. Kluger Städtebau und effiziente Grundrisse für 42 Wohnungen. Geplant nach Gewinn eines Generalübernehmer-Wettbewerbs, gefertigt in Holz-Hybridbauweise.

Neben den konkreten Fragen schwingen natürlich weitere Gedanken mit: Ist BIM die Automatisierung unseres Berufs?

Das Projekt

Der von Kaden+Lager geplante „Urbane Holzbau“ in Berlin-Adlershof verknüpft Wohnungsbau in wirtschaftlicher Bauweise, hoher Energieeffizienz und hochwertiger Architektur mit dem klima- und umweltfreundlichen Baustoff Holz.

Urbaner Holzbau in Berlin-Adlershof (Visualisierung), Foto: Björn Rolle

Das Projekt besteht aus drei würfelförmigen, nahezu baugleichen Punkthäusern, ein Aspekt, der zur Verschlankung des Planungsablaufs beigetragen hat. Des Weiteren führt der hohe Vorfertigungsgrad durch komplett werkseitig hergestellte Bauteile (u. a. Außenwände inklusive Holzfassade und Geschossdecken) zu einem beschleunigten Baufortschritt und damit zu einer kurzen Bauzeit. Auch vor diesem Hintergrund, dem Bauen mit standardisierten, vorgefertigten Elementen, spielt BIM eine neue wichtige Rolle.

Erfahrung mit BIM

Die Entscheidung für den Einsatz von BIM ging in erster Linie von der Bauherrin aus. Dabei denkt das Wohnungsunternehmen über den Abschluss des jeweiligen Bauvorhabens hinaus – für die HOWOGE, die ihre Immobilien im eigenen Bestand behält, zeigt sich der eigentliche Wert von BIM in der Bewirtschaftungsphase.

Urbaner Holzbau in Berlin-Adlershof, Drehung und Ausrichtung (Foto:Kaden+Lager)

Basis ist der Digitale Zwilling, fachlich ausgedrückt das As-built Modell, das allen Beteiligten auch während der Nutzungsdauer zur Verfügung steht. Vermietung, Reparatur und Wartung der insgesamt 61.000 Wohnungen könnten hierüber mit geringerem Aufwand und höherer Präzision abgewickelt werden.

Die Beauftragung des Generalübernehmers, hier die Firma Brüninghoff aus Heiden, umfasste daher auch die Entwicklung und Übergabe eines BIM-Modells für die spätere (Weiter-)Verwendung. Wichtig für uns als Architekten war und ist die Zieldefinition dieser Vorgabe. Dient das Modell dem Bauherrn zur Verwaltung, oder wird es zukünftig als Planungs- und Bauleitungstool verwendet?

Das BIM-Modell ist für uns Architekten in erster Linie ein Werkzeug zur Planung. Dabei spielen die Kontrolle im 3D-Modell sowie das Aufzeigen von Konflikten im Prozess eine entscheidende Rolle für die Erhöhung der Planungsqualität. Die 3D-Geometrie kombiniert mit planungsrelevanten Bauteilinformationen, die Auswertung dieser Informationen z. B. zur Flächen- und Massenermittlung, Erstellung von Listen usw., unterstützt unseren Planungsprozess und dient der Kommunikation und Koordination aller Planungsbeteiligten.

Das Projekt Urbaner Holzbau wurde als openBIM-Prozess konzipiert. Schon in der Entwurfsphase wurden unsererseits alle relevanten Bauteile als 3D-Geometrie angelegt und mit vordefinierten Attributen verknüpft, die im laufenden Planungsprozess fortgeschrieben und verfeinert wurden. Das 3D-Modell bildete damit die Planungsgrundlage für die Fachplaner, die ihrerseits die eingeschriebenen Attribute zur Integration ihrer Planungsleistungen nutzen.

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Des Weiteren wurde das BIM-Modell als Grundlage für die Vorfertigung der Konstruktion sowie für die Qualitätssicherung im Bauprozess verwendet. Der Austausch der Informationen zwischen uns Architekten und den weiteren Planungsbeteiligten während des laufenden Prozesses erfolgte über die gängige IFC-Schnittstelle.

Aus den Erfahrungen im Projekt Urbaner Holzbau lässt sich sagen, dass bei der Arbeit im BIM-Modell ein hohes Maß an Disziplin beim Informationsmanagement erforderlich ist. Aus der Vorgabe, den Digitalen Zwilling über den Planungs- und Bauleitungsprozess hinaus auch für die Betriebsphase nutzen zu wollen, ergab sich zunächst ein erhöhter zeitlicher Aufwand bei der Abstimmung und Koordination der relevanten Attribute sowie der Übergaberoutinen zwischen den Planungsbeteiligten.

Dieses Erfordernis der frühzeitigen Einbindung der Fachplanung unterstützte im Gegenzug die anschließende, durch den Planungsprozess bedingte, fortlaufende Aktualisierung der Geometrie und der verknüpften Bauteilinformationen in dem offenen BIM-Modell als Plattform für Planung und Austausch.
Indem alle Beteiligten auf eine Plattform zugreifen, auf der sämtliche baurelevanten Daten verknüpft werden, kann BIM die transparente und aktuelle Quelle für Informationen des Planens und Bauens sein. Grundlegende Voraussetzung für effizientes Arbeiten mit BIM ist die Kooperation aller Planungs- und Baubeteiligten.

Fazit

Nach unserem ersten offiziellen BIM-Projekt lässt sich zumindest ein Zwischenfazit ziehen. Die Potenziale liegen auf der Hand. Die Bauherrin erhält ein hervorragendes Werkzeug zur Vereinfachung der verwalterischen Tätigkeiten. So können z. B. im Falle eines Mieterwechsels die zu sanierenden oder in Stand zu setzenden Flächen und Materialien schnell ermittelt werden.

Die Planer erhalten einen Erkenntniszuwachs. Steckdosen und Lichtschalter sind nicht länger abstrakte und vor allem unmaßstäbliche Zeichen in entsprechenden 50stel-Plänen der Gebäudetechnik, sondern sie sind buchstäblich im Weg und blinken rot, wenn die Wand an der Stelle gleichzeitig von einem Schrank bedeckt wird.

Für Bauleiter und Ausführende (wir waren hier bis zur Ausführungsplanung beauftragt) muss BIM ein wahrer Segen sein. Zum einen wirkt das Scannen gelabelter Bauelemente aus der Vorfertigung oder von Zulieferbetrieben im Abgleich mit den Attributen aus dem BIM-Modell überzeugend. Auch hier schellt ein Alarm, wenn beispielsweise ein Produkt nicht mit dem Modell, also letztlich mit der Planung, übereinstimmt.

Zudem kommt ein, wenn nicht das entscheidende Potenzial von BIM. Die Holzbauer nutzen es schon seit längerem, in den Architekturbüros scheint es erst jetzt Einzug zu halten: Die Planung von Fertigungs- und Bauabläufen.

Die digitalen Elemente verfügen über ein Zeit-Attribut, die Planung wird vierdimensional. Das 3D- oder BIM-Modell wird zum Storyboard für die Baustelle. Beim Urbanen Holzbau handelt es sich um einen reinen Neubau. Die Vorteile eines solchen Drehbuchs sollten aber jedem Planer, der schon Mal ein Gebäude saniert oder auch nur erweitert hat, offenkundig sein. Die im konventionellen Planen notwendige Abstraktion der Zeichnung in Balkendiagramme und Listen wird dank der übersichtlichen Modelle unnötig, die Bauablaufplanung sehr viel übersichtlicher und weniger fehleranfällig. Letztlich führt dies zu mehr Effizienz auf der Baustelle, ergo weniger Bauzeit. Hier kann der ohnehin schon um Längen schnellere Holzbau seinen Vorsprung weiter ausbauen.

Und wird nun der Beruf automatisiert? Stephen Hawking goss mit einem Guardian-Artikel Öl in dieses Feuer: „Die Automatisierung von Fabriken hat bereits die Arbeitsplätze in der traditionellen Fertigung dezimiert, und der Anstieg künstlicher Intelligenz wird die Arbeitsplatzzerstörung wahrscheinlich bis in die Mittelschichten hinein ausweiten, wobei nur die fürsorglichsten, kreativsten oder überwachenden Rollen verbleiben.“ (1)

Timo Daum zitiert neben Hawking u. a. auch den Kybernetiker Norbert Wiener, welcher schon 1952 die Zuweisung sich wiederholender Aufgaben zur Herabsetzung des Menschen erklärt. (2)

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Der automatisierten Planung bringt uns das reine BIM-Modell in seiner jetzigen Form nicht näher. Der Gedanke an etwas mehr künstliche Intelligenz in Form eines prozessorbasierten Prüfingenieurs zur Einhaltung von Normen und Vorschriften hingegen dürfte manches Architektenherz beglücken. Denn dann könnte sich dieser wieder dem Kern der Sache widmen: Der Architektur.


Fußnoten:

(1) Stephen Hawking: „-this is the most dangerous time for our planet“, in: The Guardian, 1.12.2016

(2) Timo Daum: „Die künstliche Intelligenz des Kapitals“, Edition Nautilus, 2019, Seite 127

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© Bernd Borchardt
Urbaner Holzbau in Berlin-Adlershof
Autoren

Markus Lager ist ausgebildeter Zimmerer. Er studierte Architektur an der TU Braunschweig. Nach dem Studium arbeitete er u. a. bei Hidde Timmermann Architekten (Braunschweig), GRAFT (Berlin) und Léon Wohlhage Wernik (Berlin). 2014 gründete er mit Tom Kaden das Architekturbüro Kaden+Lager. kadenundlager.de


Markus Willeke lernte Bauzeichner und studierte Architektur in Braunschweig und in Wien. Von 2013 bis 2016 war er Dozent für Architekturzeichnen am Institut für experimentelles Entwerfen an der TU Braunschweig. Seit Mai 2017 ist er Mitarbeiter im Team von Kaden+Lager. kadenundlager.de

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