Zum Hauptinhalt springen
02.06.2023 | Sarah Merz

"Wohl jedes Büro sucht BIM-Personal"

Sarah Kristina Merz beschäftigt sich seit über 12 Jahren mit BIM, ist Head of Academy der DEUBIM, leitet bei buildingSMART Deutschland die Fachgruppe „Zertifizierung“ und bekleidet zudem die Position der stellvertretenden Obfrau im DIN Normungsausschuss „Fachkompetenz“. Hier gibt sie einen Ein- und Überblick für alle, die sich zu BIM aus- und weiterbilden wollen – denn die Nachfrage steigt stetig.

Nicht wenige Branchenteilnehmer sind der Auffassung, es gehe mit der Verbreitung von BIM vor allem deswegen nicht so schnell voran, weil es in Deutschland an guten und bezahlbaren Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten fehle – fehlen etwa auch hier Lehrer und Lehrerinnen?

Diese Frage muss erst einmal in mehrere Teile zerlegt werden. Wer die Verbreitung von BIM als nicht schnell genug betrachtet, ist im eigenen BIM-Können wahrscheinlich bereits überdurchschnittlich weit fortgeschritten. Tatsächlich hat sich in den vergangenen Jahren schon viel getan. BIM wird zunehmend eingesetzt und in einer steigenden Zahl von Ausschreibungen auch vorgeschrieben. Doch man darf die Struktur der deutschen Bau- und Immobilienbranche nicht außer Acht lassen. In unserer Branche besteht hierzulande eine enorme Kleinteiligkeit und damit gibt es viele meist kleinere Unternehmen oder Ein-Personen-Betriebe, die sich noch mit BIM – oder ihrem individuellen Zugang zu der Methode – vertraut machen müssen.

Selbstverständlich müssen genau für diese Zielgruppen verschiedene Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten bereitgestellt – wie aber auch abgefragt – werden. Hier spreche ich von einem Trainingsangebot, das alle erreicht und finanzierbar ist. Tatsächlich besteht mittlerweile eine große Auswahl an Seminaren in verschiedenen Umfängen, Themenschwerpunkten und teilweise sogar mit umfassenden Fördermöglichkeiten.

Um auf den letzten Teil Ihrer Frage zurückzukommen: Besteht ein Mangel an Lehrkräften im BIM Kontext? Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Wenn ich persönlich für ein Seminar Geld ausgebe, erwarte ich eine fachlich versierte und in der Praxis erfahrene Lehrkraft. Das bedeutet auf BIM bezogen: die lehrende Person soll Erfahrung in der Branche und im Umgang mit BIM im Besonderen haben – und das bevorzugt nicht nur auf theoretischer Ebene. Da der Einsatz der BIM-Methodik hierzulande jedoch noch nicht Status Quo in unseren Projekten ist, sind jahrelang erfahrene Profis dementsprechend nicht so leicht zu finden.

Und dann sollten diese Menschen natürlich auch noch das Interesse an einer Lehrtätigkeit haben! Da beißt sich die Katze gewissermaßen selbst in den Schwanz. Meiner Meinung nach müssen Lehrkräfte – Autodidakten ausgenommen – selbst eine hervorragende Lehre erfahren haben. Aber im Großen und Ganzen habe ich da Hoffnung. Auf BIM-Grundlagenniveau gibt es schon eine Vielzahl sehr guter Lehrender; in den Vertiefungsrichtungen erreicht diese Qualität in Aus-, Fort- und Weiterbildung erst langsam den Markt. Doch je mehr (bestenfalls lehrwillige) Menschen, die bestehenden Qualifikationsangebote annehmen, umso schneller steigt auch die Zahl kompetenter Lehrender.

Es gibt viele offene Stellen, mit denen gerade auch kleine und mittlere Unternehmen nach Mitarbeitern mit BIM-Knowhow suchen – oft vergeblich. Mit welchen Aufwänden müssen denn Büros rechnen, wenn sie dem eigenen Personal die Aus- und Weiterbildungen eröffnen möchten?

Mir gefällt die Frage nach der Weiterbildung des eigenen Personals! In den vergangenen Jahren suchte wohl jedes Büro Personal für BIM Koordination oder BIM Management, bevorzugt langjährig erfahren. Aber wie viele Menschen gibt es wohl in Deutschland, die nicht nur über eine mehrjährige BIM-Erfahrung verfügen, sondern darüber hinaus noch wechselwillig sind? Ich muss nicht erklären, dass sich Angebot und Nachfrage an dieser Stelle nicht gerade ausgeglichen verhalten.

Es sollte also vielmehr darauf gesetzt werden, das eigene Personal entsprechend der Unternehmensziele weiterzubilden. Und bei der eigenen Belegschaft handelt es sich schließlich um die Menschen, die das Unternehmen, die Strukturen, Projekte und die internen Prozesse besser kennen als jeder Externe.

Auf dieser Basis sollte gemeinsam betrachtet werden, in welche Richtung sich Büro und Mitarbeiter im BIM-Kontext überhaupt entwickeln wollen und sollen. Dementsprechend sind im ersten Schritt die BIM-bezogenen Unternehmensziele zu bestimmen und darauf basierend die hierfür erforderlichen und zukünftig einzunehmenden BIM-Rollenbilder.

Den Anfang in der Weiterbildung übernimmt sicherlich ein Foundation Seminar oder E-Learning zum BIM Basiswissen, im besten Fall gemäß VDI/bS-MT 2552 Blatt 8.1 und auch inklusive Zertifizierung. Dieses Format können Sie mit einem Sprachkurs vergleichen, in dem man Methoden und Terminologien nach anerkanntem Stand der Technik erlernt. Wer darüberhinausgehende Kompetenzen erlangen möchte, sollte rollenspezifische Schulungen, beispielsweise für BIM Koordination oder BIM Management, besuchen.

Aber bitte immer daran denken: das Motto „eine Größe passt auf alles“ gilt vielleicht für Wollmützen, aber wohl nicht für Fort- und Weiterbildungen.

Um auf die Aufwände zurückzukommen: Der größte Aufwand, sobald man eine geeignete Weiterbildung gefunden hat, ist wohl eher Zeit als Geld. BIM Basis E-Learnings inklusive Zertifizierung erhält man bei uns beispielsweise schon für 695 Euro. Allerdings ist die Lernzeit von circa 12 Stunden – dann allerdings auch wann und in welchem Tempo man möchte – ebenfalls einzukalkulieren. Zertifizierungsseminare in Präsenz oder Web-Präsenz dauern mindestens ebenso lange.

Sie sind auch Leiterin der Fachgruppe Zertifizierung bei buildingSMART – welche sind die wesentlichen Kriterien, die von Bildungsanbietern erfüllt werden sollten und an denen sich interessierte Unternehmen orientieren können?

buildingSMART Deutschland hat auf seiner Website einen umfassenden und international angewandten Kriterienkatalog veröffentlicht, auf den sich Weiterbildungsinteressierte bei anerkannten Bildungsanbietern verlassen können. Grundlegend betrifft das erst einmal die Gewährleistung von Schulungscurricula gemäß des Rahmenlehrplans von buildingSMART International und der je nach Programm anzuwendenden VDI-Richtlinie.

Außerdem müssen Weiterbildungsorganisationen sowohl ihre Schulungserfahrung sowie die didaktische und fachliche Kompetenz des eingesetzten Lehrpersonals nachweisen. Hierzu zählen themenrelevante Studienabschlüsse oder Ausbildungen, mehrjährige praktische Projekterfahrung im Kontext von Building Information Modeling und darüber hinaus Lehrerfahrung. Wie ich eben schon erwähnte: je tiefer und spezifischer die Weiterbildung, desto höher müssen selbstverständlich auch die Anforderungen an die Unterrichtenden sein, um eine hochqualitative Lehre sicherstellen zu können.

buildingSMART gibt auf seiner Website das Versprechen, wonach die dort gelisteten Schulungspartner die internationalen Open-BIM-Prinzipien beachten – was ist darunter zu verstehen?

Open-BIM-Prinzipien beschreiben einen kollaborativen und vor allem herstellerneutralen Prozess der Zusammenarbeit. Das ist der Fall, wenn keine einheitliche Software vorgegeben ist, sondern der Datenaustausch softwareunabhängig zu erfolgen hat. Und das ist nicht nur wünschenswert, sondern bei der Öffentlichen Hand sogar verpflichtend. Schließlich betrifft der Grundsatz der Produktneutralität nicht nur Bauprodukte, sondern auch die einzusetzende Software! Öffentliche Auftraggeber dürfen somit nur in den allerseltensten Fällen fordern, dass Programm XY einzusetzen ist. Stattdessen sind Leistungen mit Open-BIM-fähiger Software zu erbringen und im IFC-Format zu liefern.

Open-BIM bedeutet somit, dass ich in einer offenen Softwarelandschaft und mit offenen Schnittstellen arbeite, mich mit IFC, IDM und Co. auskenne und dementsprechend die aus „Fremdsoftwares“ stammenden Modelle und Informationen nutzen kann. Beziehungsweise umgekehrt natürlich auch, dass ich in der Lage bin, die von mir erstellten Informationen für andere bereitzustellen. Das erfordert zwar einen gewissen anfänglichen Lernaufwand, allerdings geht es bei Vergaben um Kompetenz und nicht darum, welche Software ich einsetze. Außerdem ist durch die ISO-Normung des IFC-Formats gewährleistet, dass die Informationen auch in vielen Jahren noch abrufbar sind.

Und genau diese Arbeitsweise, die Prozesse unter anderen gemäß ISO 19650, Methoden und Terminologien von Open-BIM werden bei von buildingSMART anerkannten Schulungsanbietern vermittelt.

Wie verschiedenartig und facettenreich ist denn der Einstieg in eine BIM-Aus- und Weiterbildung?

Im besten Fall gleichermaßen verschiedenartig und einheitlich! Für mich ist es in Projekten essenziell, dass alle dieselbe Sprache sprechen – und damit meine ich den dreibuchstabigen Terminologie-Wirrwarr wie auch auf die grundlegenden Prozesse. Dementsprechend empfehle ich immer, mit BIM-Basis zu beginnen, beziehungsweise wie es international benannt wird: „Professional Certification Foundation“. Wichtig ist hierbei nur, dass sich das Training vollumfänglich an VDI und buildingSMART orientiert. Dann kann ich mir einerseits sicher sein, dass der anerkannte Stand der Technik abgebildet wird und das Abschlusszertifikat darüber hinaus als internationaler Eignungsnachweis in Vergabeverfahren dient.

Doch diese Standardisierung schließt einen gewissen Facettenreichtum ja nicht aus. Weiterbildungsorganisationen können selbst den Fokus legen und das Seminar beispielsweise in Bezug auf Infrastruktur oder GaLaBau vertiefen. Wir haben beispielsweise schon mehrtägige Foundation-Seminare gehalten, in denen es immer wieder Gruppenübungen zu verschiedenen Themen gab.

Aufbauend auf den Grundlagen, kann man seit diesem Jahr auch die anwendungsbezogene Aufbaustufe Open-BIM Practitioner Coordination und Open-BIM Practitioner Management belegen.

Die Practitioner Programme, basierend auf den VDI/bS 2552 Blättern 8.2 und 8.3 und dem buildingSMART Rahmenlehrplan, zielen vollumfänglich auf praktische Umsetzung und Kompetenzerwerb ab. Hier lernt man – je nach Ausrichtung – beispielsweise die Umsetzung verschiedener BIM-Anwendungsfälle, die Durchführung von Modellprüfungen oder aber BIM-Implementierung in Unternehmen und Projekt sowie den Umgang mit beziehungsweise die Definition von Informationsanforderungen.

Mit den aus der EU-Taxonomie resultierenden Folgen für Immobilien und das digitale Bauwesen gewinnt der Klimaschutz weiter an Bedeutung – und BIM wird wichtiger für mögliche nachhaltige Lösungen. Wie macht sich das Thema Nachhaltigkeit in den Lehrprogrammen bereits bemerkbar?

Da sprechen Sie ein wirklich umfangreiches Thema an! Fraglos kann das modellbasierte Arbeiten einen großen Beitrag zu nachhaltigen Lösungen bieten. Hinsichtlich der Aufnahme in Lehrprogramme kann ich mich allerdings nur auf unser eigenes Programm beziehen. Bei uns wird sowohl auf Foundation-Level als auch insbesondere in den Vertiefungsseminaren auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit eingegangen, beispielweise im Kontext von Schadstoffsanierung, Revitalisierung, CO-Faktoren, Materialkataster, Zirkularität und Gebäudezertifizierung. Und unsere Schulungen entwickeln sich selbstverständlich stetig weiter, um auf aktuelle und zukünftige Entwicklungen eingehen zu können.

Macht es einen großen Unterschied, ob ich mich aus der Wirtschaft kommend oder als Angehöriger der öffentlichen Verwaltung weiterbilden möchte?

Seit Anfang 2022 schulen wir den Bundesbau, genauer gesagt die Mitarbeitenden der Projektdurchführungs- und Leitungsebenen in den Bauverwaltungen und bei den Maßnahmenträgern. Da auch gemäß Koalitionsvertrag BIM immer stärker durch die Öffentliche Hand gefordert wird und werden muss, findet hier die Weiterbildung als extrem durchdachte und umfassende Blended-Learning Maßnahme statt. Öffentliche, jedoch nicht dem Bundesbau angehörige Verwaltungen, planen je nach Ebene ihre eigenen Weiterbildungsmaßnahmen oder entsenden ihre Beschäftigten in offene Kurse. Diejenigen, die in der freien Wirtschaft tätig sind, haben natürlich die wahrscheinlich etwas geöffnetere Auswahl.

Aus Referentensicht freue ich mich aber immer, wenn meine Seminare sehr gemischt sind. Im Projekt ist es schließlich auch der Fall, dass Architekten, Ingenieure, Ausführende und Verwaltung auf einen Nenner kommen müssen. Unser Geschäftsführer André Pilling propagiert dieses Ziel, das digitale Miteinander, schon seit Unternehmensgründung im Jahr 2014.

Sind Sie zufrieden mit dem aktuellen Bildungsstand zu BIM und der Bildungslandschaft in Deutschland? Und welche nächsten Herausforderungen und Entwicklungen erwarten Sie?

Kürzlich erzählte einer „meiner“ Studierenden, dass der Architekt in seinem Heimatdorf noch nicht einmal CAD Programme einsetzt. Da der, wohlgemerkt ältere, Herr seinen Beruf nur noch aus Liebhaberei ausübt, möchte ich nicht zu hart urteilen. Aber ansonsten kommt man einfach nicht mehr um BIM – geschweige denn CAD – herum. Insbesondere, da BIM-Kompetenz mittlerweile zum Eignungskriterium in Vergabeverfahren und somit für Unternehmen essenziell geworden ist.

Das Bildungsangebot steht, die diesbezüglichen Qualitätsmaßstäbe ebenfalls und die Weiterentwicklung der Lehrprogramme ist sowohl seitens Hochschulen und Kammern als auch der Privatwirtschaft in vollem Gange. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: die Zahl der Lernenden steigt stetig.

Aber wo es hingeht? In unserer Zeit der kontinuierlichen Diskontinuität schwierig vorherzusagen. Von der individuellen Entwicklung her denke ich, dass die Menschen und insbesondere die jüngeren Generationen mehr und mehr Wert auf eine Work-Learn-Life-Balance legen werden.

Was uns aber immer bewusst sein muss: Im BIM-Kontext gesehen ist mit dem, was wir heute „BIM“ nennen, noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Obwohl die BIM-Methode einen immensen Fortschritt in der Baubranche darstellt, wird sie nicht die letzte Transformation zur Verbesserung des Bauwesens sein. Technologische Innovationen und Fortschritte in den Bereichen Robotik, KI, Sensorik, Automatisierung und Materialwissenschaften stehen schon in den Startlöchern, um den nächsten Paradigmenwechsel zu verkünden.

Werden Sie Autor*in der Build-Ing.

Möchten Sie die Fachzeitschrift Build-Ing. mitgestalten?
Dann schreiben Sie uns unter der E-Mail-Adresse aldina.hasanovic@hussmedien.de!
Autor

Sarah Kristina Merz ist seit März 2017 Head of Academy der DEUBIM GmbH. Neben der Leitung des Fort- und Weiterbildungsbereichs und ihrer umfassenden Referententätigkeit betätigt sie sich seit vielen Jahren aktiv in verschiedenen Expertengruppen. Beispielsweise nimmt sie die Leitungen bei buildingSMART Deutschland in der Fachgruppe „Zertifizierung“, bei buildingSMART International im Subcommittee „Professional Certification Practitioner“ sowie die stellvertretende Obfrauschaft im DIN Normungsausschuss „Fachkompetenz“ ein.
Seit ihrem Studium an der US-Amerikanischen Stanford University im Jahr 2011 erlernt sie, wie sie selbst sagt, die BIM Methode bereits seit über 12 Jahren und konnte so die Entwicklungsarbeit in der deutschen und internationalen BIM Zertifizierung maßgeblich voranbringen.
edubim-campus.de

Themen
Kommentare
  • Keine Kommentare
Diesen Artikel teilen
Downloads
Anzeige
Gratis Probeheft bestellen!