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10.04.2019 | Stefan Kögl

Wie BIM die moderne Architektur beflügeln kann

Kolumne „Aus der Praxis“

Entsteht mit BIM gute Architektur? Erhöht BIM die Kreativität der Architekten? Stefan Kögl ist optimistisch – aus eigener positiver Erfahrung.

Während meines Architekturstudiums predigte einer der Professoren: „Geht aufs Grundstück, setzt euch auf einen Stuhl und nehmt die Atmosphäre auf.“ Ein, wie ich nach wie vor finde, schöner und fast philosophischer Ansatz. BIM aber eröffnet der Architektur noch ganz andere, neue und zusätzliche Möglichkeiten.

Grundsätzlich möchte ich das unterteilen. Da ist zum einen das Denkbare und zum anderen das Machbare. Im Zusammenspiel dieser beiden Faktoren entsteht gute Architektur.

Das Denkbare: Phantasie wird einfacher

Schon immer gab es – einige wenige – Architekten, die über Normen hinausgedacht haben. Als prominentes Beispiel kann man hier Antonio Gaudi und seine Sagrada Familia in Barcelona nennen. Er besaß – auch ohne BIM – diese unglaubliche Phantasie.

Mit BIM ist man nun aber in der Lage, diese Phantasie viel einfacher zu entwickeln. Das möchte ich an Beispiel des Siemens Headquarter in Masdar City, Abu Dhabi, verdeutlichen. Bereits 2011 wurden vom britischen Büro Sheppard Robson (London) mit Hilfe von BIM-Techniken geplant.

Als Resultat konnten wir unter anderem bereits während der Konzeptphase in den Planungsbesprechungen die Gebäudekonfiguration anpassen und – sozusagen live und in 3D – verschiedene Varianten besprechen. Gleiches gilt für das Verschattungssystem – also den außenliegenden Sonnenschutz –, das je nach Himmelsrichtung unterschiedlich geformt ist. Schon während der Planungsphase konnten wir dank BIM die Auswirkungen auf den Betrieb simulieren.

In diesem Zusammenhang wird der wichtigste Vorteil deutlich, den uns BIM bringt: Die Transparenz. Viele Großprojekte in Deutschland sprengen bekanntlich immer wieder den Zeitrahmen, weil notwendige Entscheidungen nicht gefällt werden. BIM ermöglicht eine neue Stufe der Transparenz, weil sich erstmals auch Nichtfachleute am Bildschirm im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild machen können – von den Inhalten, aber auch vom Ablauf des Projekts. Das vereinfacht die Entscheidungsfindung und ist für zukünftige Projekte nicht wegzudenken.

Denn mit BIM wird das Denkbare offensichtlicher, nachvollziehbarer, planbarer und damit auch einfacher machbar.

Das Machbare: Darstellbare Formen umsetzen

Schon heute sehen wir vielerorts amorphe Formen in der Architektur. Zum einen, weil sie durch 3D-Animationen leichter vorstellbar geworden sind. Zum anderen aber auch, weil wir heute bautechnisch vieles mit den aktuell bekannten Materialien besser realisieren können.

Doch auch die Bautechnik entwickelt sich permanent weiter. Ich bin überzeugt, dass wir in gar nicht allzu ferner Zukunft einen oder mehrere 3D-Drucker auf jeder größeren Baustelle sehen werden. Dann muss nur noch das Granulat oder ein anderer Rohstoff angeliefert werden, und auf der Baustelle entstehen direkt aus den Druckern die fertigen Bauteile.

Mit BIM haben wir dann schon am Rechner die parametrisierten Bauteile und ihr Zusammenspiel überprüft und optimiert. Auf der Baustelle werden sie nur noch gedruckt und montiert. Zumal dies auch logistisch viel einfacher realisiert werden kann, als eine alternative Vorfertigung in der Fabrik mit anschließendem Transport über viele Kilometer und durch enge Innenstädte.

Dann werden wir vielleicht auch den neuen Anforderungen an unsere Gebäude besser Rechnung tragen können. Sei es im Bürobereich, in dem schon heute nicht mehr nur der Funktionsgedanke zählt, sondern zusätzliche Anforderungen in Bezug auf Kooperation, Attraktivität des Umfelds und das Wohlbefinden der Mitarbeiter hinzugekommen sind.

Oder im Wohnungsbau, in dem zwar jeder heute noch ein Bücherregal einplant, Bücher aber überwiegend immateriell als eBooks gelesen oder gehört und die nicht mehr benötigten Flächen anderweitig genutzt oder eingespart werden können. Die in Zukunft notwendigen Arbeits- und Wohnelemente werden wir dann nach Bedarf in BIM einplanen und per 3D-Druck auf der Baustelle gleich mit entstehen lassen.

Wer mit BIM plant, plant integral und kreativer

Das klingt vielleicht nach Zukunftsmusik. Aber der zunehmende Baudruck gerade in Großstädten wird uns schneller, als wir denken, neue Methoden nahezu aufzwingen.

Abschließend noch einmal zurück in die Gegenwart: Schon heute erleben wir die Vorteile von BIM in jeder Planungsphase. Denn mit BIM können wir erstmals wirklich integral planen. Vor BIM war jede Gebäudeplanung ein iterativer Prozess. Ein Architekt hat sich etwas ausgedacht, der Statiker hat es überprüft und seine Einwände erhoben, der Architekt hat umgeplant, dann kam die Technische Gebäudeausrüstung hinzu und wieder zurück. Und zum Schluss kann dann die Abhangdecke doch statt auf 2,40 Meter auf 2,80 Meter gehängt werden, aber die Versorgungsleitungen musste man erst über einen langen Prozess optimieren.

Mit BIM sitzen alle gemeinsam an einem Modell, planen gemeinsam, überprüfen gemeinsam und können alle notwendigen Anpassungen miteinander vornehmen. Der Digital Twin zeigt allen anschaulich, was umsetzbar und natürlich auch bezahlbar ist und vor allem auch, welche baulichen Abhängigkeiten es in der Umsetzung gibt und wie der Betrieb optimiert werden kann.

Erhöht das auch die Kreativität der Architektur? Aber selbstverständlich. Denn es erlaubt mehr Individualität, macht mutiger und reduziert die zu oft vorkommende Zufälligkeit.

Wer einmal ein Projekt in BIM geplant und umgesetzt erlebt hat, kann sich nichts anderes mehr vorstellen. Denn in einem Team auf Augenhöhe gemeinsam an der besten Lösung kreativ zu arbeiten, ist das Idealbild.

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© Siemens Real Estate
Das Siemens Headquarter in Masdar City, Abu Dhabi, wurde bereits 2011 mithilfe von BIM-Techniken geplant.
Autor

Stefan Kögl ist General Manager des Siemensstadt 2.0 Projekts in Berlin. Zuvor verantwortete er ca. zehn Jahre bei Siemens Real Estate (SRE) weltweit alle Bauvorhaben sowie das Thema Technologie in Bezug auf Gebäude-Innovationen und -Digitalisierung. Dabei entwickelte Kögl einen eigenen BIM@SRE-Standard, der die global geltenden Anforderungen für die Planungs-, Bau- und Betriebs-Phase definiert. siemens.com/realestate

 

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