Marian Behaneck
BIM wird von Experten als das derzeit wichtigste Technologiethema im Baubereich gehandelt, das die Planung, Realisierung und Nutzung von Gebäuden nachhaltig verändern wird. Im Wesentlichen
versteht man darunter alle Arbeitsweisen, Prozesse und Technologien, die für die Erstellung, Koordination und Übergabe eines fachübergreifenden virtuellen Gebäudemodells erforderlich sind. Es bildet die Grundlage für eine durchgängige Integration planungs-, ausführungs- und nutzungsrelevanter Bauwerksdaten in einer zentralen Datenbank. Als Idee dahinter steckt die lebenszyklusorientierte Betrachtung eines Bauwerks – von der Konzeption, über die Konstruktion, Erstellung, Nutzung und Instandhaltung, bis zu dessen Entsorgung, respektive Wiederverwertung. In einigen Ländern Europas, im Nahen Osten, in Asien oder in den USA ist BIM längst Standard. Auch das Europäische Parlament oder die deutsche Reformkommission für Großprojekte empfehlen inzwischen die BIM-Methode. Aktuelle Standardisierungsbestrebungen nach VDI, DIN bzw. CEN und ISO sowie Forschungsprojekte und Referenzobjekte sorgen dafür, dass die neue Planungsmethode auch hierzulande zum Standard wird.
BIM bietet Vorteile …
Die BIM-orientierte Arbeitsweise hat viele Vorteile, zunächst in der Planungs- und Realisierungsphase: Zeitraubende Mehrfacheingaben, eine fehlerträchtige redundante Datenhaltung oder Medienbrüche werden vermieden, Arbeitsabläufe effizienter gestaltet, die Produktivität und Planungsqualität gesteigert. Gebäudedaten können parallel bearbeitet werden – von mehreren Planern und von verschiedenen Standorten aus. Planungsalternativen lassen sich schneller analysieren und bewerten, Gebäude, Bauteile und die Haustechnik auf Kollisionen gewerkübergreifend überprüfen. Gebäudeentwürfe lassen sich einfacher statisch, bau- und haustechnisch, bauphysikalisch oder energetisch optimieren. In der Ausschreibungsphase ist eine präzisere Kostenkalkulation und Bauzeitenplanung möglich. Wird das BIM-Gebäudemodell im Zuge des Planungsfortschritts immer detaillierter ausgearbeitet, kann man es vielfältig nutzen und nach Mengen-, Kosten- und Zeitkriterien auswerten. Werden zudem alle für die Produktion, Lieferung und Montage relevanten Informationen in das BIM-Bauteil eingepflegt, können entsprechende Prozesse optimiert werden. Planer, Ausführende, Bauherren und Investoren können jederzeit auf das aktuelle Modell zugreifen und den neuesten Projektstand abfragen. Mit so genannten BIM-Viewern lassen sich klassische Papierpläne auf der Baustelle teilweise ersetzen, Kommentarfunktionen vereinfachen die Plankorrektur und ermöglichen eine schnelle Reaktion auf Änderungswünsche.
… schafft aber auch Unsicherheiten
BIM ist keine Software – auch wenn heute viele Softwareprodukte, insbesondere CADSysteme, unter diesem Begriff vermarktet werden. BIM stellt aber bestimmte Anforderungen
an Programme, damit sie „BIM-fähig“ sind. Dazu gehören unter anderem parametrisierbare 3D-Objekte mit assoziierten alphanumerischen Objektinformationen, eine die Planung vereinfachende Bauwerksstrukturierung, Auswertungen sowie für den Datenaustausch eine IFCSchnittstelle. Einige Programme erfüllen diese Anforderungen bereits, aber längst
nicht alle. Doch die Einführung und Umsetzung von BIM ist in erster Linie keine IT-, sondern vor allem eine Managementaufgabe. Weit umfassender sind nämlich die Anforderungen an Beteiligte, Planungsprozesse und -abläufe, die Kommunikation und Koordination. Bereits der Aufbau und die Pflege des BIM-Datenmodells sind deutlich aufwendiger, als bei der zeichnungsorientierten Arbeitsweise. Dieser Mehraufwand wird später zwar ausgeglichen, da die nachfolgende Planung davon profitiert und auch in der Bauphase dank einer detaillierten, fachübergreifenden Planung weniger Fehler entstehen. Dennoch entstehen in dieser Phase Konflikte, da das BIM-Modell Informationen voraussetzt, die zum Planungszeitpunkt häufig noch nicht feststehen. Zudem verschiebt sich auch der Arbeitsaufwand: So bekommt die Vor- und Entwurfsplanung ein stärkeres Gewicht, weil in dieser Phase das BIM-Basismodell generiert wird. Andererseits vermindert sich der Aufwand für die Genehmigungs-, Ausführungs- und Fachplanung, da sich vieles aus dem Modell automatisch ableiten lässt. Zu einer Herausforderung können auch der Datenumfang und das Datenmanagement werden. Insbesondere Großprojekte müssen gewerk-/fachbereichsweise unterteilt werden, damit sie bearbeitbar bleiben.
BIM-Manager wachen über Standards
Entscheidend ist die Projektkoordination, denn die neue Planungsmethode setzt eine frühzeitigere, engere gewerk- und fachübergreifende Zusammenarbeit voraus: Absprachen und Vorgaben müssen getroffen, Arbeitsschritte und Verantwortlichkeiten abgestimmt werden etc. Ohne eine, respektive mehrere koordinierende Schnittstellen funktioniert fachübergreifendes BIM nicht. Die Funktion eines „BIM-Managers“ kann dabei der Architekt oder Bauingenieur, der Generalplaner, der Facility Manager oder ein eigens dafür engagierter Dienstleister übernehmen. Er sorgt für die Einhaltung von Vorgaben zur Bauteilmodellierung, Gebäudestrukturierung oder der Datenübergabe und achtet darauf, dass das gemeinsame Datenmodell und alle Fachmodelle konsistent bleiben und anderes mehr. Insbesondere größere BIM-Projekte bestehen in der Regel aus mehreren fachspezifischen Bauwerksmodellen (für Architektur, Tragwerksplanung, TGA etc.), kurz „Fachmodelle“ genannt, die es zu koordinieren gilt. BIM wirft aber auch (honorar-)rechtliche Fragen auf: Wem gehören die kooperativ erarbeiteten BIM-Daten? Wer ist bei Planungsfehlern haftbar? Wie wird der erhöhte Planungsaufwand honoriert? Wie sich BIM auf den Berufsstand von Planern und auf die Struktur von Planungsbüros auswirkt, ist eine weitere spannende Frage. Es ist wohl abzusehen, dass Planungsleistungen aus einer Hand mehr Bedeutung bekommen, da
die komplette Architektur-, Statik- und Haustechnikplanung derzeit am besten in einem zentralen Datenmodell eines Softwareherstellers abgebildet werden kann. Unternehmen, die die komplette Architektur-, Haustechnik-, Tragwerksplanung mit einem Programm ausführen können, sind im Vorteil. Das könnte mittel- und langfristig dazu führen, dass sich etablierte Berufsbilder verändern, Planungsabteilungen neu strukturiert, Softwarewerkzeuge angepasst werden müssen etc. Größere Büros bekommen zusätzlichen Aufwind, kleinere müssen
sich für neue Formen der Zusammenarbeit öffnen.
BIM, BAM, BOOM!
BIM ist mittlerweile in vielen Bausparten präsent – im Hoch- und Tiefbau ebenso, wie im Massiv-, Betonfertigteil-, Stahl- oder Holzbau. Wird das dreidimensionale BIMDatenmodell
mit unterschiedlichen Parametern verknüpft, entstehen vielfältige Einsatzmöglichkeiten: Erweitert man es beispielsweise um die vierte Dimension „Zeit“, kann der komplette Bauablauf geplant und visualisiert werden. Damit lassen sich geometrische Konflikte gewerkübergreifend aufdecken oder Baustellen-, Montage- und Logistikabläufe optimieren. Die 5D-Simulation
berücksichtigt neben dem 3D-Gebäudemodell und der Zeit auch Mengen, Baukosten und Ressourcen, wie etwa Baustoffe, Maschinen oder Personal. Damit lassen sich Bau-, Montage- und Installationsprozesse vorab simulieren, Abläufe und Termine präziser vorhersagen, Kollisionen und Probleme frühzeitig erkennen. Werden zusätzlich Lebenszyklusaspekte wie die Gebäudebewirtschaftung, der Abriss und die Entsorgung/Materialwiederverwertung berücksichtigt, erhält man 6D-BIM. Dabei kann das Gebäude im Sinne der Nachhaltigkeit optimiert werden, um bestimmten Nachhaltigkeits-Standards (DGNB, LEED etc.) zu entsprechen.
Die Vorteile dieser ganzheitlichen Sicht auf die Planungs-, Ausführungs- und Nutzungsphase liegen auf der Hand: Bei Bedarf kann praktisch das gesamte Bauvorhaben virtuell simuliert werden, bevor es später real umgesetzt und genutzt wird. Kritische Prozesse und Phasen können so vorher erkannt, Abläufe und Termine präziser vorhergesagt werden. Beeindruckend sind die Kosteneinsparpotenziale, wenn man berücksichtigt, dass für jeden Euro, der in der BIM-Planungsphase ausgegeben wird, das 20-Fache in der Fertigungs- und Bauphase und das 60-Fache in Nutzungs- und Betriebsphase ausgegeben wird. Diese durch die Optimierung während der BIM-Planungsphase erzielbaren Einsparpotenziale steigern sich von Phase zu Phase und werden deshalb „BIM-BAM-BOOM“ genannt, wobei BAM für die Herstellung und den Bau (BAM, Building Assembly Modeling) und BOOM für die Nutzungs- und Betriebsphase (BOOM, Building Owner Operator Model) stehen.

Foto: Bentley
Die digitale Vorwegnahme von Bauvorhaben bietet die Möglichkeit, Probleme und Engpässe im Vorfeld zu erkennen, Abläufe und Termine präziser vorherzusagen.
Big BIM, Open BIM, BIM-Objekte, BIM-to-field
Experten empfehlen einen sukzessiven BIMEinstieg
– zunächst als „Little BIM“, also als „Insellösung“ innerhalb eines Unternehmens oder einer Planungsdisziplin und einer BIMSoftwarelösung eines Herstellers. Alle oben genannte BIM Vorteile und Möglichkeiten lassen sich in der Praxis jedoch nur mit Hilfe von „Big BIM“ erzielen. Darunter versteht man die fachübergreifende Zusammenarbeit aller an der Planung, Ausführung und Nutzung eines Bauwerks beteiligter Partner und deren Softwarewerkzeuge unterschiedlicher Hersteller. Parallel zum Begriffspaar „Little/ Big BIM“ gibt es auch die auf die Software bezogene Bezeichnung für eine geschlossene (Closed BIM) oder offene Softwarelandschaft (Open BIM). Big, respektive Open BIM setzen leistungsfähige Datentransferstandards voraus, wie die objektorientierten Basisdatenmodellen IFC (Industry Foundation Classes) von BuildingSmart International oder Green Building XML (gbXML) zum Austausch von BIM-Modelldaten und technischen Berechnungs- oder Analyseprogrammen. Für die gleichzeitige Bearbeitung von BIM-Modellen mit Programmen verschiedener
Software-Hersteller und von verschiedenen Standorten aus sind ferner so genannte BIM-Modelserver erforderlich. Das sind auf die dezentrale, gleichzeitige Bearbeitung von virtuellen Modellen mit Programmen verschiedener Software-Hersteller spezialisierte Kollaborationslösungen. Erhebliche Rationalisierungspotenziale stecken auch in „intelligenten“ Bauprodukten und -objekten. So offerieren Bauprodukthersteller wie Dorma, Hilti, Schüco und andere parametrisierbare und konfigurierbare BIM-Modelle, die durchgängige und medienbruchfreie Planungs-, Fertigungs- und Montageprozesse ermöglichen. Dabei werden alle relevanten Objektinformationen wie verfügbare Abmessungen, Ausführungen und Ausstattungen, technische Daten oder bauphysikalische Werte wie U-Wert, Schalldämmmaß etc. hinterlegt, so dass man sie jederzeit abrufen kann (siehe: www.bimobject.com/de).
Einen Schritt weiter gehen Lösungen, die ausgeführte Bauleistungen auf der Baustelle (BIM to Field) – und insbesondere die Abweichungen von der Planung – wieder zurück in das BIM-Modell einpflegen (Field to BIM). Diese „As-Built-Dokumentation“ ist insbesondere für die Gebäudebewirtschaftung wichtig, damit Facility Manager nutzungsrelevante Objektdaten in aktueller Form herauslesen und für den Gebäudebetrieb verwenden können.
BIM in der Wohnungswirtschaft
Das nach Abschluss der Planungsphase generierte As-Built-Dokumentationsmodell, das die verschiedenen BIM-Fachmodelle (Raum-, Ausbau-, Haustechnikmodell) enthält, bildet mit den darin enthaltenen Objekt- und Attributinformationen eine ideale Basis für kaufmännische, infrastrukturelle oder technische FM-Anwendungen. Viele der für die Bewirtschaftung, Pflege, Wartung und Instandhaltung relevanten Bauteilinformationen sind im digitalen Raum- bzw. Gebäudemodell bereits enthalten. Dadurch reduziert sich der Aufwand für den Aufbau von CAFM-Modellen (Computer Aided Facility Management) erheblich. Einen entsprechenden Datenaustausch ermöglichen Schnittstellen, wie etwa CAFM-Connect des CAFM-RINGs. Über diese auf dem IFC-Standard basierende Standardschnittstelle lassen sich Gebäudedaten mit allen Inhalten und Strukturen übergeben. Neben den Raumnummern, Nutzungsarten und DINRaumflächen können auch Anlagen und Ausstattungen ausgetauscht werden (z. B. Lüftungsanlagen, Aufzugsanlagen, Brandschutzklappen), sicherheitstechnische Elemente (z. B. Feuerlöscher, Wandhydranten) oder Infrastruktur-Daten (z. B. Möbel, ITAusstattung). Allerdings werden BIM und entsprechende Austausch-Standards von der FM-Branche noch nicht ausreichend unterstützt. Das hat unter anderem historische Gründe: Grafik- oder CAD-basierende CAFM-Systeme basieren meist auf zweidimensionalen Raumpolygonen, auf deren Grundlage die meisten Aufgabenstellungen und Prozesse abgebildet werden. Diese Systeme sind nicht in der Lage, die mehrdimensionalen BIM-Daten zu übernehmen. Das betrifft nicht nur die Übernahme von Geometrie- und Objektinformationen, sondern auch die Auswertung und Analyse von BIM Modelldaten und das Zurückschreiben von im CAFM-System modifizierten Sachdaten in das BIM-Gebäudemodell (siehe auch: ulfkrause.wordpress.com).
Fazit: BIM wird Standard, ist aber kein Allheilmittel
Während andere Branchen bereits die vierte industrielle Revolution ansteuern (Stichwort „Industrie 4.0“ bzw. „Smart Factory“), hinkt der Bausektor technologisch hinterher. BIM bietet die Möglichkeit, Gebäude innerhalb digitaler Prozessketten so durchgängig zu planen, herzustellen und zu nutzen, wie es im Fahrzeug- oder Maschinenbau schon lange üblich ist. Ein Wundermittel ist es gleichwohl nicht. Weder Stress, noch mangelndes Nachdenken oder eine fehlende Detailplanung – und erst recht nicht das ständige Ändern von Plänen und damit verbundene Abweichungen vom geplanten Zeit- und Kostenrahmen – kann die BIM-Methode vollständig auffangen. Auch technisch knirscht es noch – etwa bei der Anbindung von Berechnungsprogrammen oder der IFC-Datenübergabe. Dennoch sollte man BIM im Auge behalten. Andernfalls gerät man in Gefahr, abgehängt zu werden, etwa wenn BIM zum Standard wird, weil es Bauherren, Investoren oder Gebäudebetreiber einfordern.