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09.09.2019 | Stefan Kögl

Warum Investoren über BIM nachdenken sollten

Kolumne „Aus der Praxis“

Bei vielen Investoren ist BIM noch nicht angekommen. Kurzfristig erzielen sie mit BIM keinen zusätzlichen Nutzen. Das wird sich ändern – und zwar sehr schnell.

Investoren gelten traditionell als wichtige Treiber des Immobilienmarkts. Durch die voranschreitende Digitalisierung und die BIM-Methodik müssen sie jedoch aufpassen, dass sie nicht zu Getriebenen werden. Ich sage das so deutlich, weil ich immer häufiger beobachten kann und muss, dass sich gerade die Immobilienkäufer, -verkäufer und -entwickler genau wie die Bestandshalter darüber noch keine Gedanken machen. Doch die Digitalisierung ist da. Und sie schreitet rasend voran.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel aus dem Automobilbereich plakativ erläutern. Einige von Ihnen werden sich vielleicht noch erinnern: Ende der 1960er Jahre boten Oberklasse-Hersteller erstmals Klimaanlagen für ihre Top-Modelle an. Dann wurden sie zum anfangs teuren Extra, das über das Mittelklasse-Segment später sogar bei Kleinwagen Einzug hielt. Und heute kann sich wohl kaum jemand vorstellen, überhaupt ein Auto ohne Klimaanlage zu fahren, die inzwischen zumeist zur Serienausstattung zählt.

Genau dasselbe wird die Digitalisierung auch mit den Immobilien machen, nur dank der inzwischen um ein Vielfaches kürzeren Entwicklungszyklen deutlich schneller.

Investoren denken zu kurzfristig

Und genau da liegt das Problem: Investoren – ich benutze den Begriff hier stellvertretend sowohl für Projektentwickler als auch für Käufer und Verkäufer – denken heute viel zu kurzfristig. Sie interessiert primär die Frage, wie sich eine Immobilie möglichst schnell und preiswert erstellen und dann möglichst teuer veräußern lässt. Alles andere ist zweitrangig.

Doch die BIM-Methodik und der ihr zugrundeliegende Digital Twin eröffnen uns Möglichkeiten, die zwar heute auf Nutzerseite noch nicht angekommen sind, unseren Markt aber wahrscheinlich schneller als wir denken disruptiv verändern werden.

Bei unserem Großprojekt Siemens Campus Erlangen nutzen wir beispielsweise die BIM-Daten für eine inzwischen sogar preisgekrönte App. In ihr kann sich jeder schon heute virtuell über den zukünftigen Campus bewegen. Das schafft völlig neue Möglichkeiten der offenen Kommunikation mit Bürgern und Mitarbeitern. Und den zukünftigen Mietern können wir bei virtuellen Begehungen mittels Augmented Reality lange vor Fertigstellung der Gebäude ihre zukünftigen Büroflächen zeigen und Einrichtungsvorschläge unterbreiten.

Damit sind wir heute natürlich noch – wie man neudeutsch sagt – Front Runner. Aber in wenigen Jahren wird das wahrscheinlich genauso selbstverständlich sein wie heute die Fotos von Wohnimmobilien auf Online-Portalen. Voraussetzung dafür: Das Gebäude muss mit BIM erstellt sein.

Der Markt verändert sich

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der sich rasend schnell verändernde Markt für Büroflächen. Wir erinnern uns:

Es ist noch gar nicht lange her, da saßen wir alle in Einzel- oder Doppelbüros. Dann kamen die ersten Open-Office-Flächen – heute vielerorts Standard –, und inzwischen reden wir über Coworking Areas und Home Office. Das heißt, dass sich auch die Ansprüche an die Fläche und insbesondere ihre Flexibilität verändert haben.

Während wir heute noch Gebäude erstellen, bei denen wir von einer Lebenszeit von 30 bis 50 Jahren ausgehen, wird sich diese Zeit – davon bin ich überzeugt – schon sehr bald radikal verkürzen.
Und dann? Dann werden Investoren vielleicht auch für den Rückbau zuständig sein. Für sie wird also eine Wertschöpfung über Informationen der im Gebäude verwendeten Materialien entstehen. Bis ins letzte Detail und möglich durch das „I“ im BIM – die Informationen.

Neue Ansprüche an die Flächen CoWorking-Area im ehemaligen Dynamowerk der Siemensstadt Berlin (Foto: Siemens Real Estate)

Die in unserer Branche als Cradle to Cradle (C2C) – von der Wiege zur Wiege – bekannte Betrachtung wird zu einer erheblichen Wertsteigerung oder – sofern man diesen Informationen und der Erstellungsweise keine Beachtung schenkt – zu erheblichen Abschlägen führen. Aus diesem Blickwinkel müssten bei Investoren schon jetzt die Alarmglocken schrillen.

Den zukünftigen Nutzer im Blick

Abschließend möchte ich noch einmal die Nutzerbrille aufsetzen, denn auch die Ansprüche der zukünftigen Nutzer von Gewerbe-, Büro-, aber auch Wohnimmobilien werden sich grundlegend verändern. Heute folgen ja die meisten von uns bei Immobilien noch einem fast steinzeitlich anmutenden Höhlen-Prinzip, Motto: sieht nett aus und schützt uns vor Witterungseinflüssen.

In gar nicht so ferner Zukunft werden sich Immobilien aber auch über Services definieren. Homes und Offices werden smart. Das wird dann state of the art sein, alles andere nicht mehr vermittelbar. Schon unsere Kinder werden sich über Lichtschalter, Heizungsregler und jährliche Verbrauchsabrechnungen in Wohnungen und Büros genauso amüsieren wie wir heute über Kerzenlicht und Kohleöfen.

SRE-Pilotprojekt in Erlangen Beleuchtung, Heizung und Reinigung wird je nach Belegung u.a. durch Sensoren in den Stehlampen gesteuert (Foto: Siemens Real Estate)

Und was schafft die Voraussetzung, um ein Gebäude smart betreiben, mit Sensorik ausrüsten und bewirtschaften zu können? Eine umfassende Datengrundlage und Vernetzung, um die Daten intelligent nutzen zu können. Ohne den Einsatz von BIM ist das nicht möglich.

Marktgerechte Immobilien mit BIM

Und da schließt sich der Blick auf die Investorenseite. Bei vielen von ihnen ist BIM noch nicht angekommen, weil sie damit noch kein Value Add erzielen können. Wenn die genannten Themen aber von Nutzerseite gefordert werden, also im Markt angekommen sind, wird sich das ganz schnell ändern.

Darüber hinaus gibt es aber auch heute schon die Möglichkeit, über besondere Services Kunden zu gewinnen und den Wert der Immobilie zu heben. Auch dazu ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, die bereits genannte Verbrauchsabrechnung wird nicht jährlich verschickt, sondern der Nutzer sieht permanent per App, wo er beim Verbrauch steht, und kann gegebenenfalls sogar darauf reagieren. Ich bin überzeugt, dass dies viele Kunden begrüßen und herkömmlichen Immobilien vorziehen werden.

© Siemens Real Estate
Virtueller Rundgang über den zukünftigen Siemens Campus Erlangen in einer Campus App.
Autor

Stefan Kögl ist General Manager des Siemensstadt 2.0 Projekts in Berlin. Zuvor verantwortete er ca. zehn Jahre bei Siemens Real Estate (SRE) weltweit alle Bauvorhaben sowie das Thema Technologie in Bezug auf Gebäude-Innovationen und -Digitalisierung. Dabei entwickelte Kögl einen eigenen BIM@SRE-Standard, der die global geltenden Anforderungen für die Planungs-, Bau- und Betriebs-Phase definiert. siemens.com/realestate

 

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