Sylvia Braun
Zwei Softwareunternehmen und ein Ingenieurbüro schraubten solange an einer BIM-Software, bis sie sich prächtig mit einer AVA-Software verstand.
Im Ingenieurbüro vom Stein aus Köln liegt seit der Gründung des Büros das Augenmerk auf dem Thema der Nachhaltigkeit. Anfang der 2000er Jahre bedeutete das für den Gründer und Inhaber Jörg vom Stein noch, sich am Passivhausstandard messen zu lassen. Mittlerweile haben die 14 Mitarbeiter ihre eigenen Ansprüche erhöht. Sie sprechen von Klimaneutralität beim Bauen und Betreiben und von Cradle2Cradle.
Auch wenn in der Architektur schon vieles möglich ist, beginnt es in der Haustechnik mit Re- und Upcycling schwierig zu werden. Dennoch verfolgt das Büro seinen Anspruch konsequent und stößt bei den Produktherstellern auf offene Türen.
Offene Türen fanden Jörg Schneider und Gregor Nacke, Fachplaner und Projektleiter TGA vom Energiebüro vom Stein, auch bei zwei Softwarehäusern: mh-Software, das mit der TGA-Planungssoftware mh-BIM die Planung, Berechnung und Konstruktion von HLS-Anlagen anbietet, und ORCA Software, der Hersteller von Software für Ausschreibung, Vergabe, Abrechnung und Kostenmanagement. Seit 2010 nutzt das Energiebüro die Software ORCA AVA. Mit dem Funktionsumfang und der Stabilität zeigen sich Schneider und Nacke zufrieden. Auch der Datenaustausch mit der im Einsatz befindlichen TGA-Planungssoftware funktionierte über GAEB reibungslos. Dennoch dachte man an Weiterentwicklung und
Fortschritt im BIM-Prozess.
Um zukunftsfähig zu bleiben, wollte sich das Büro auf BIM-konforme 3D-Planungen um- stellen. Wichtig war ihnen dabei, sich im Open- BIM-Prozess zu bewegen und nicht in einem geschlossenen System. Als TGA-Fachplaner arbeitet das Büro immer nachrangig: nach den Architekten, nach einer Behörde, nach einem Bauherren – der offene Austausch musste deswegen gewährleistet sein. Eine Möglichkeit, die sie bei ihrer Marktrecherche entdeckten, war die Systemlinien-Technologie von mh-software. Und dennoch war der Gedanke, auf eine andere TGA-Planungssoftware zu wechseln, fast begraben, bevor er richtig zu Ende gedacht werden konnte: Die erste Testphase mit mh-BIM und ORCA AVA verlief unbefriedigend.
In der Planungssoftware waren zwar alle Attribute vorhanden, durch die unzureichende Aufschlüsselung im Export kamen in der AVA- Software jedoch keine verwertbaren Daten an. Die IFC-Exporte aus mh waren bisher für den Austausch mit anderen Planungsbeteiligen wie z. B. Architekten optimiert. Daraus ein LV zu erstellen, stand bisher nicht im Lastenheft. Die Entwickler von mh-software mussten also eine Antwort auf folgende Frage finden: Wie werden die Daten in IFC so aufgeschlüsselt, dass ORCA daraus Mengen komfortabel übernehmen kann?
Bei der Umsetzung standen alle drei Beteiligten im direkten Dialog. mh-software leitete nach den ersten Entwicklungsschritten einen ersten Entwurf an den Softwarepartner und das Planungsbüro weiter, welcher allerdings noch kein zufriedenstellendes Ergebnis lieferte. Das Feedback wurde umgehend eingearbeitet, und nach wenigen Tagen kam es zu einem zwei- ten Entwurf, der für alle Parteien das korrekte Ergebnis lieferte. Nach Abschluss der Planung wird nun mit wenigen Klicks das Modell für den Export aus mh-BIM vorbereitet und als IFC- Datei nach ORCA AVA in ein LV übergeben.
Im IFC-Viewer von ORCA sieht der Anwender das Modell, wie er es aus der Planungssoftware kennt. Mit der IFC-Diagnose wird das Modell durchleuchtet und auf Unregelmäßigkeiten geprüft. Zum Beispiel kann sich bei der Übernahme einer Pumpe die Auffällig- keit „Keine Maße“ ergeben. Da ein solches Bauteil oft nicht über die Außenabmessungen, sondern über die Funktionsbeschreibung definiert ist, wäre hier keine Korrektur nötig. Für ein solches Bauteil bietet sich in ORCA AVA die Übernahmesicht Bauteile – Anzahl an. Rohre oder ähnliche Bauteile hingegen werden über Maße definiert.
Im Bauteil-Baum ergibt sich durch die exakte Zuweisung von IFC-Eigen- schaften durch mh-BIM eine sehr übersichtliche Struktur. In der IFC-Mengenübernahme findet die Gruppierung automatisch statt, alles ist in Bauteiltypen geordnet. Der Ausschreibungsprozess kann komfortabel durchgeführt werden. Die technischen Hürden für die Datenübergabe waren damit beseitigt. Als nächstes mussten die Mitarbeiter von der neuen Software überzeugt werden. Die Herausforderung bestand darin, unterschiedliche Personengruppen mit unterschiedlichen Kenntnissen und Einstellungen gleichermaßen an die neue TGA- Planungssoftware heranzuführen, denn die Voraussetzungen waren sehr unterschiedlich: vom jungen Berufsanfänger bis zur technischen Zeichnerin, die über 35 Jahre lang mit einer anderen Software gearbeitet hatte. Und zugleich wussten alle Mitarbeiter, dass sie das nächste Level in der Planung erreichen wollen. Dafür war der Schritt hin zu einer Planungssoftware nötig, die ein 3D-Gesamtmodell bietet und BIM-fähig ist. Mit einer gehörigen Portion Respekt ließen sich auch die Skeptiker auf das Neue ein.
Der Anspruch des Energiebüros vom Stein, im LV bereits 99 Prozent Genauigkeit zu erreichen, wird nun durch die effiziente und detaillierte Übergabe des IFC-Modells von mh-BIM nach ORCA AVA enorm gefördert. Ein wichtiger Schritt im BIM-Prozess. Für die Handwerksbetriebe können sie so eine eindeutige und klare Bauanleitung bereitstellen. Letztendlich ist dies das Produkt, das sie verkaufen. Das Büro erreicht bereits in einer frühen Phase des Bauprojekts eine außerordentliche Detailtiefe. Für die Mitarbeiter des Büros ist das auch der richtige Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Wenn es alle am Bau Beteiligten schaffen würden, Entscheidungen zur Ausführung sorgfältig zu treffen, in eine frühe Phase der Planung zu verlegen und dann nicht mehr zu verändern, könnten Kosten gespart werden. Auch das ist ja ein Ziel von BIM.