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05.09.2024 | Lisa Schaab

Synergien von BIM und Lean Construction

Building Information Modeling (BIM) und Lean Construction (Lean) werden häufig bestimmten Zeitabschnitten eines Gebäudelebenszyklus zugeordnet: BIM der Planung und Lean der Bauausführung. Eine Zusammenführung dieser Methoden während des gesamten Projekts potenziert allerdings beiderlei Wirkung.

Vergleicht man die Intentionen der Bauherrenschaft, BIM oder Lean in Bauprojekten umzusetzen, findet man sehr ähnliche Motivationen: Verbesserung der Produktqualität, Reduktion von Kosten und Zeit sowie Schaffung eines besseren Arbeitsumfelds für alle Beteiligten. Dieser Artikel beleuchtet die Unterschiede, aber insbesondere auch die Wechselwirkung beider Methoden.

Lean Construction

Die Lean-Methodik zielt im Bauwesen darauf ab, die Effizienz und Produktivität von Projekten zu maximieren. Der Ansatz wurde von den Konzepten der Lean Production in der Automobilindustrie inspiriert, insbesondere durch das japanische Toyota Production System.

Im Folgenden werden die fünf Lean-Prinzipien nach Womak und Jones herangezogen, um die Synergien von BIM und Lean zu beleuchten.

1. Kundenwert definieren

Das grundlegende Prinzip des Kundenwerts beurteilt alle Prozesse, Tätigkeiten und Meilensteine innerhalb eines Projekts nach dem Kundennutzen und minimiert die aus Kundensicht überflüssigen („Verschwendung“). Dabei gilt nicht nur die Bauherrenschaft als Kunde, sondern alle Projektbeteiligten, die ihre Leistung auf Ergebnissen einer anderen Disziplin aufbauen.

Wann der Kundenwert erfüllt ist, ist schwer zu definieren. Kein Mensch ist in der Lage, alle Befindlichkeiten und alle Anforderungen an eine Leistung im Vorhinein zu definieren. Unausgesprochene Wünsche von Auftraggebenden, Nutzenden oder auch Betreibenden können nur durch agiles Entscheidungsmanagement und effektive Kommunikation identifiziert werden.

BIM ergänzt bei dieser Definition des Kundenwerts die effizienzsteigernden Methoden von Lean erheblich: Ein Planausschnitt in 2D ist nur bedingt spezifisch und lässt, je nach Vorkenntnissen und Vorlieben eines Menschen, Raum für individuelle Interpretation. Die gebaute Situation kann hinterher stark vom imaginären Bild abweichen. In BIM-Projekten werden die 3D-Modelle Gegenstand aller Besprechungen und Entscheidungen. Durch regelmäßige Modellbegehungen in einem Viewer oder sogar in einer VR- oder AR-Umgebung wird die Diskrepanz zwischen den unterschiedlichen Vorstellungen weitgehend abgebaut.

Mithilfe von aktuellen Gebäude- und Anlagenmodellen ermöglicht BIM somit allen Projektbeteiligten einen einfachen Zugang zum Planungsgegenstand, und das zu jedem Zeitpunkt und unabhängig von ihren Vorkenntnissen. Dies führt zur besseren Beurteilung des Kundenwerts.

Diese Transparenz erhält nicht immer von allen Beteiligten Zuspruch, weshalb eine belastbare BIM-Strategie und eine entsprechend angepasste Projektkultur unabdingbar sind.

2. Wertstrom identifizieren

Das Prinzip der Wertstromidentifikation umfasst alle Aktivitäten und Prozesse, die für die Erreichung des Projektzieles wichtig sind, also zum Kundenwert beitragen. Durch das Werkzeug der Wertstromanalyse wird eine transparente Prozessübersicht erstellt, nach Wertschöpfung bewertet und eine produktive und innovative Möglichkeit der Zusammenarbeit identifiziert.

Die unterschiedliche Natur der Beteiligten und der Interessen bringt eine Vielzahl an Schnittstellen, Abstimmungen und redundanten Informationen mit sich. Diese schaffen nur bedingt einen direkten Kundenwert und sind daher kein Teil der Wertschöpfung. BIM ermöglicht eine neue Art der Kooperation und digitalen Zusammenarbeit, um Schnittstellenverluste zu minimieren. Zentraler Aspekt hierbei ist die in der BIM-Strategie erarbeitete Definition, welche Information von wem erarbeitet wird, wo diese im BIM-Modell abliegt und in welcher Sprache (Datenschema) sie verfasst ist.

Wenn die Formitas Unternehmen bei der Implementierung von BIM unterstützt, legt sie Wert darauf, zu Beginn alle Aktivitäten und Prozesse zu identifizieren, zu kategorisieren und diese anhand der BIM-Methode zu optimieren. Werden bisher durchgeführte Prozesse eins zu eins in digitale übersetzt, bleibt der erwartete Erfolg aus.

Wird in Projekten die Leistung des Lean-Managements nicht beauftragt, kann nur selten die Kapazität für eine Wertstromanalyse bereitgestellt werden. Hier besteht riesiges Potenzial für eine Optimierung der Prozess- und Digitalisierungsebene und für Qualitätssteigerung sowie Terminsicherheit bei gleichbleibenden Kosten.

3. Optimierung des Flusses und Vermeidung von Verschwendung

Die Optimierung des Flusses bezieht sich auf die kontinuierliche, gleichmäßige Bewegung von Materialien und Arbeitsschritten, aber auch auf den Informations- und Datenaustausch während des gesamten Gebäudelebenszyklus. Ziel ist es, Engpässe und Verzögerungen zu vermeiden, um die Prozesse besonders effizient zu gestalten. Dies gilt sowohl für die Ausführungs- als auch für die Planungsphase.

Großes Optimierungspotenzial bringt die BIM-basierte Kommunikation mit sich. Auch hier ist es wichtig, die Weichen frühzeitig, idealerweise schon bei der Ausschreibung des Projekts, zu stellen. So wird BIM nicht nur bei den modellierenden Gewerken ins Leistungsbild integriert, sondern auch bei anderen Disziplinen wird das digitale, modellbasierte Arbeiten Voraussetzung für die Mitarbeit im Projekt.

Ein gutes Beispiel für Verschwendung ist die in vielen Projekten gewählte ineffiziente Art der Besprechungs-Protokollierung: Ein Protokoll wird nachträglich aus Besprechungsnotizen in Word- oder Excel erstellt. Jemand anders korrigiert es und eine Woche später wird dieses, zu dem Zeitpunkt nicht mehr aktuelle, Dokument per Mail versendet. Kaum jemand liest das Besprechungsprotokoll nachträglich aufmerksam durch und im kommenden Meeting müssen die Themen einzeln aufgefrischt werden.

BIM-basierte Kommunikation erlaubt es, viele dieser Arbeitsschritte zu sparen und den Informationsfluss gemäß dem Lean-Prinzip zu optimieren. Wie beim BIM-Modell auch, nutzt das Team lediglich eine Datenquelle, um miteinander zu kommunizieren. Relevante Informationen aus Projektbesprechungen oder E-Mails pflegt es zentral als „Issues“ auf einer Plattform und bearbeitet diese live in den Besprechungen.

Bei Bedarf kann aus den Issues ein übersichtlich gelayoutetes PDF-Protokoll zur Archivierung und Nachverfolgung abgeleitet werden. Dieser Ansatz reduziert Redundanzen in den Notizen der unterschiedlichen Beteiligten sowie zeitversetzte inhaltliche und grafische Nachbearbeitungen eines Protokolls. Dies führt zu einer Echtzeitdokumentation auf der Plattform, mit Aufgaben, Festlegungen und Diskussionspunkten, welche von allen gepflegt und aktualisiert wird.

4. Pull-Prinzip

Im Gegensatz zum traditionellen „Push-Prinzip“, bei dem etwas im Voraus produziert und gelagert wird, sorgt das „Pull-Prinzip“ dafür, dass nur dann etwas erstellt oder geplant wird, wenn ein tatsächlicher Bedarf dafür besteht. Die Produktion und Lieferung von Daten, Liefergegenständen und Informationen ist genau auf die tatsächliche Nachfrage abzustimmen. Auf die Planung bezogen sollen zum Beispiel keine Pläne erstellt werden, welche zunächst sechs Wochen bei anderen auf dem Schreibtisch liegen, ehe sie geprüft oder weiterverarbeitet werden können.

BIM ermöglicht dabei den Zugang zu den Echtzeitinformationen. Nicht nur bei der Kommunikation und dem Aufgabenmanagement sind die aktuellen Planungsstände abgebildet, sondern auch in den Modellen. So kann das Team schon während der Planung den Bedarf an aktuellen Informationen und Ressourcen einsehen, auswerten und durch die Verknüpfung von Mengenpositionen Entscheidungen über Kosten, Termine und Qualitäten treffen.

Während der Ausführung verhelfen eine modellbasierte Baulogistikplanung, Ablaufvisualisierung und AR-Visualisierung zur Just-in-time-Lieferung von Baumaterialien. Sie unterstützen das Projektmanagement dabei, potenzielle Engpässe während der Planungs- und Bauphase wesentlich frühzeitiger zu identifizieren und steuernde Maßnahmen zu ergreifen.

Dies fordert ein hohes Maß an Transparenz und eine positive Fehlerkultur von allen Beteiligten, führt aber schlussendlich zu einer verbesserten Zusammenarbeit, reduzierter Verschwendung und optimierten Kundenwerten.

5. Stetige Verbesserung und Streben nach Perfektion

Das Streben nach stetiger Verbesserung und Perfektion zielt auf die kontinuierliche und systematische Optimierung aller Prozesse und Abläufe ab. Statt große und möglicherweise disruptive Veränderungen anzustreben, liegt der Fokus eher auf kleinen, kontinuierlichen Verbesserungen, die kumulativ einen großen Einfluss haben. Dabei werden alle Mitarbeitenden beteiligt und ermutigt, Verbesserungen einzubringen.

Bei Bauprojekten erzeugt eine kontinuierlich durchgeführte BIM-basierte Qualitätssicherung Rückkopplungsschleifen, die die Planungsqualität maßgeblich verbessern. Die frühzeitige Identifikation von kritischen Themen und Widersprüchen in Planunterlagen hilft, potenzielle Fehlerquellen bereits vor der Bauphase aufzulösen.

Auch in der Betriebsphase birgt BIM Chancen für kontinuierliche Verbesserung. Beim traditionellen Vorgehen kann durch dezentrale Datenhaltung Unklarheit über die vorhandenen Anlagen herrschen. Daher ist beispielsweise für viele Kunden der Formitas ein zentrales und aktuelles Datenmanagement besonders wichtig und ein Hauptgrund, BIM umzusetzen. Ein Schlüsselelement im Betrieb ist dabei eine intuitive Integrationsplattform, auf der alle Modelle und alle zum Gebäude gehörenden Dokumente nach Projektende abgelegt sind. Die bereitgestellten Revisionsdokumente und Anleitungen werden strukturiert und an die wartungsrelevanten Bestandteile gehangen. Dies ermöglicht anderer Software, über offene Schnittstellen darauf zuzugreifen, sodass die Daten lediglich an einer Stelle gepflegt werden.

Fazit

Wer sich länger und intensiv mit BIM und Lean beschäftigt, stellt fest, dass beide Methoden unterschiedliche Schwerpunkte haben, die gerade in Kombination die Produktivität und die Kundenzufriedenheit steigern. Um Lean Management und BIM nicht als Mehraufwand misszuverstehen, verlangt es jedoch, ein Verständnis für beide Methoden aufzubauen.

Die BIM-Methode setzt eine positive Fehlerkultur und eine kooperative Zusammenarbeit zwischen den Teilnehmenden voraus. Zudem sollen nicht nur im BAP (BIM-Abwicklungsplan) sinnvolle Abstimmungen getroffen werden, sondern auch das Daten- und Informationsmanagement sinnvoll in die Terminplanung integriert werden. Dies erfordert eine Beleuchtung aller Prozesse und Workflows der verschiedenen Projektphasen.

Genau hierbei unterstützen die Prinzipien und die Werkzeuge von Lean Construction. Zieht man bei den effizienzsteigernden Methoden allerdings auch noch ein belastbares System aus BIM-Anwendungsfällen hinzu, können Bauprojekte nicht nur optimiert, sondern auch Kundenerwartungen übertroffen werden. Dies führt zu einer sehr hohen Zufriedenheit aller Beteiligten und einem langfristigen, ressourcenschonenden Erfolg.

 

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© HUSS-MEDIEN GmbH
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