Jens Niemann
Künftige Gebäude wandeln sich zu Datenträgern und Datensammlern. Damit eröffnen sich neue Perspektiven für die Städte der Zukunft.
Jeder redet heute über Smart Cities. Im Jahr 2050 – so heißt es – werden 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Bis dahin wächst die Bevölkerung rasant weiter. Jedes Jahr kommen aktuell über 80 Millionen Menschen dazu – das entspricht der Einwohnerzahl von Deutschland. Alle zweieinhalb Wochen könnte man damit eine Stadt der Größe von Los Angeles füllen. Diese Herausforderung können wir nur lösen, wenn wir unsere Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver gestalten – eben als Smart Cities. Doch was bedeutet das für uns Planer, Gestalter und Erbauer dieser smarten Cities?
EXPO Dubai – Die Zukunft wird Realität
Einen ersten, wie ich finde, wahrlich beeindruckenden Vorgeschmack liefert uns die EXPO Dubai. Auf einem Areal doppelt so groß wie Monaco werden dort mit einem Gesamt-Budget von 15 Milliarden US-Dollar 137 Gebäude und riesige Freiflächen einen Blick in die Glaskugel der Smart Cities von morgen ermöglichen. Mit architektonisch ansprechenden Bauwerken und neuen Lösungen der Mobilität und Nachhaltigkeit soll so eine Blaupause geschaffen werden, die zeigt, wie wir in Zukunft zusammenleben können.
Eine zentrale Rolle spielen dabei Daten, das Internet of Things (IoT) und Digitale Zwillinge – und hier schließt sich der Kreis zu BIM.
Als offizieller Partner für die Digitalisierung der Infrastruktur zeigt Siemens bei der EXPO Dubai, was heute schon möglich ist und in Zukunft ganz selbstverständlich sein wird. Alle Gebäude sind miteinander vernetzt. Insgesamt kommunizieren mehrere hunderttausend Sensoren mit einer zentralen IoT-Plattform, in die zusätzlich auch die Daten von externen Quellen wie dem öffentlichen Nahverkehr, dem Wetter oder dem direkt angeschlossenen und mit 300.000 Stellplätzen größten Parkplatz der Welt einfließen.
Intelligente Städte sind lebenswerte Städte
Der wahre Benefit liegt jedoch in der Nutzung dieser Daten. Dafür erhalten die angemeldeten Nutzer auf ihren Bildschirmen, aber auch auf Smartphones und Tablets, in übersichtlichen Schaubildern und Apps immer nur die Auswertungen, die sie auch wirklich benötigen. Sie werden automatisch benachrichtigt, wenn etwas nicht rund läuft, und erhalten Alarme in Sondersituationen. So können Verkehrs- und Menschenflüsse geleitet werden, alle wichtigen Verbrauchs- und Umweltdaten werden verständlich aufbereitet, und durch das Frühwarnsystem können Unregelmäßigkeiten bereits beseitigt werden, bevor sie Konsequenzen haben. Sogar die Mülltonnen auf dem Gelände melden automatisch, wenn sie voll sind, und werden dann nach Bedarf – natürlich automatisch – entleert. Gleichzeitig helfen künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen dabei, die Vielzahl an Daten besser verstehen und nutzen zu können. Muster werden erkannt, und wiederkehrende Prozesse können automatisiert werden.
Klingt nach Zukunftsmusik? Ein Stück weit ist es das sicher auch. Denn eine der Aufgaben einer jeden EXPO ist es ja gerade, innovative Technologien der Zukunft anschaulich in der Gegenwart darzustellen. Darum schauen wir bei Siemens Real Estate sehr gespannt auf dieses Projekt.
Auch bei unserem Projekt Siemensstadt Berlin entwickeln wir ein bisher geschlossenes Industrieareal von 70 Hektar zu einem offenen und lebenswerten Stadtteil der Zukunft um. Und auch dort wollen wir in einem Reallabor Technologien anwenden, die unser Zusammenleben, unsere Arbeitswelten und die Art, wie wir produzieren, einfacher, angenehmer und nachhaltiger machen.
Gebäude als Datenquellen
Ohne BIM ist all das nicht denk- und realisierbar. Denn in den Städten der Zukunft sind Gebäude nicht länger nur Stein und Beton – sie sind vielmehr wichtige Datensammler und Datenträger, die uns dabei helfen, die Herausforderungen der Zukunft zu lösen. Mit BIM und digitalen Zwillingen schaffen wir dafür die Grundlage. In der intelligenten Vernetzung und Nutzung der Daten, beispielsweise bei der quartierseigenen Energieversorgung, liegt der Erfolg.
Beispiel Nachhaltigkeit: Für unsere großen Standortprojekte wie auch für viele einzelne Gebäude haben wir uns schon heute eine CO2-Neutralität im Betrieb zum erklärten Ziel gesetzt. Möglich ist das nur, wenn wir Verbräuche und Nutzung kennen und optimieren können. Dabei gilt die ganz einfache Formel: Je mehr Daten uns zur Verfügung stehen, desto nachhaltiger können wir ein Gebäude bewirtschaften. Und je größer das Netzwerk miteinander verknüpfter Gebäude ist, desto nachhaltiger werden ganze Stadtteile oder Städte.
Diese Formel können Sie auf viele andere Herausforderungen übertragen, die uns in unseren Städten der Zukunft beschäftigen werden: Ob Individual-Mobilität oder öffentlicher Nahverkehr, ob Wasser- und Energienutzung oder die Gebäude- und öffentliche Sicherheit, ob Warenlieferung oder Abfallmanagement – die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Und die Lösung für alle Herausforderungen lautet: Daten und ihre intelligente Aufbereitung.
Das Große und Ganze
Was heißt das für uns? Wir dürfen Gebäude nicht mehr nur als Gebäude sehen. Wir dürfen nicht mehr projektbezogen denken. Vielmehr müssen wir jedes einzelne Gebäude als Bestandteil des Großen und Ganzen einordnen. Nur dann erkennen wir den wahren Mehrwert und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten. Für die Smart Cities der Zukunft, in denen die Menschen mit gutem Gewissen leben und sich wohl fühlen können.