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05.04.2022 | Hagen Schmidt-Bleker, Max Weber

Schlitz- und Durchbruchsplanung transparent

Von der Black-Box zum transparenten Workflow: Ein Erfahrungsbericht über die Notwendigkeit, die Abstimmung und den Freigabeprozess mit einem sicheren und effizienten Workflow zu unterstützen – insbesondere bei Open-BIM-Projekten.

Die in der Bauplanung vorgesehenen Schlitze und Durchbrüche (SuD) haben in ihrer größten Ausprägung maßgebliche Auswirkungen auf Entwurf und Genehmigung. So ist die Koordination der Durchbrüche im Rohbau Voraussetzung für die Statik und die Schalplanerstellung. Der klassische SuD-Freigabeprozess erfolgt in 2D über Planstände und Änderungswolken. Die Haustechnik (TGA) stellt die Durchbruchanforderungen, die Tragwerksplanung (TWP) bewertet diese auf statische Relevanz, und der Architekt (ARC) gibt die Durchbrüche schlussendlich frei. Weshalb diese Form der Entscheidungs-Dokumentation – und der gesamte SuD-Abstimmungs- und Freigabeprozess – insbesondere bei Open-BIM-Projekten eines sichereren und effizienteren Workflows bedürfen, soll dieser Erfahrungsbericht demonstrieren.

Die in der Bauplanung vorgesehenen Schlitze und Durchbrüche (SuD) haben in ihrer größten Ausprägung maßgebliche Auswirkungen auf Entwurf und Genehmigung. So ist die Koordination der Durchbrüche im Rohbau Voraussetzung für die Statik und die Schalplanerstellung. Der klassische SuD-Freigabeprozess erfolgt in 2D über Planstände und Änderungswolken. Die Haustechnik (TGA) stellt die Durchbruchanforderungen, die Tragwerksplanung (TWP) bewertet diese auf statische Relevanz, und der Architekt (ARC) gibt die Durchbrüche schlussendlich frei. Weshalb diese Form der Entscheidungs-Dokumentation – und der gesamte SuD-Abstimmungs- und Freigabeprozess – insbesondere bei Open-BIM-Projekten eines sichereren und effizienteren Workflows bedürfen, soll dieser Erfahrungsbericht demonstrieren.

Kombination von klassischem und digitalem SuD-Freigabeprozess

In Großprojekten mit komplexen Bauvorhaben und komprimierten Terminplänen gewannen wir die Erkenntnis, dass die klassische Form der Abstimmung für Bauherren, andere Projektbeteiligte, und teils auch für Planer selbst, nicht mehr nachvollziehbar war. Es kam regelmäßig zu undokumentierten Kompromissen, Abstimmungen wurden in spätere Leistungsphasen verschoben und Änderungen nicht in das Planungsteam kommuniziert.

Dies zeigte sich zum Beispiel bei einem großen Bauprojekt der öffentlichen Hand im Bestand, welches wir in der Bauphase begleiteten. Die Bestands-Durchbrüche waren in 2D-Plänen dokumentiert und die Abstimmung der erforderlichen SuDs erfolgte nach dem klassischen Verfahren, obgleich die TGA bereits in 3D plante. Bei Prüfung der abgeschlossenen Planung stellten wir fest, dass Bestandsdurchbrüche sowie die SuD- und TGA-Planung nicht korrelierten. Die Gründe waren vielfältig: Fehler im Freigabeprozess, in der Interpretation der 2D-Planung und in der Aufnahme von Bestandsdurchbrüchen erzeugten Misstrauen gegenüber der Planung im Projektteam sowie ein wesentliches Risiko im Bauprojekt.

Bauteilbasierter Freigabeprozess nach der BIM-Methodik

Nach dieser Erfahrung begann Formitas mit der Entwicklung eines in die BIM-Planung voll integrierten SuD-Freigabeprozesses, der auf den BIM-Modellen aufbaut und bauteilbasiert für jede dreidimensionale Durchbruchsangabe erfolgt. Dabei vorgenommene Abstimmungen sollten je Durchbruch transparent dokumentiert werden und der Prozess schlussendlich eine einfache Iteration und Korrektur von Freigaben ermöglichen, wie auch Resilienz gegenüber Fehlern und Unvorhersehbarem.

Unseren ersten Lösungsansatz verfolgten wir in den Bauprojekten unseres langjährigen Kunden BOB AG, der sich, samt seines Planerteams, Neuerungen gegenüber aufgeschlossen zeigte.

Im Projekt BOB.Düsseldorf verfolgten wir den Grundsatz „Ein Issue je Durchbruch“, mittels der in der BIM-Planung bereits etablierten Plattform BIMCollab zu modellbasierter Kommunikation. Aufgabe der TGA-Planer war es, benötigte Durchbrüche als „ProvisionsForVoid“ (Durchbruchsvorhalterung, Anmerkung der Redaktion) in einem eigenen Teilmodell zu modellieren und je Durchbruch einen damit verknüpften Issue zur Abstimmung und zur Freigabe mittels Statusänderung anzulegen (aktiv, gelöst, geschlossen).

Die Kommunikation über Kommentare funktionierte gut und die Verknüpfung von Issues und Durchbrüchen über den im BCF-Standard vorgegebenen Globally Unique Identifier (GUID) ermöglichte jederzeit eine Zuordnung von Anmerkungen und Freigaben zu einem Durchbruch. Durch den Einsatz von bei Planern, Bauherren und BIM-Management bekannten Werkzeugen fand dieser neue Ansatz schnell Akzeptanz. Nach der Abstimmung mit den Planern wurde keine weitere Schulung benötigt und die Arbeitsabläufe änderten sich nicht wesentlich.

Das Erstellen von Issues je Durchbruch kann jedoch sehr zeitaufwändig werden und bei der Freigabe arbeiten Tragwerkplaner und Architekten nur eindirektional vom Freigabe-Issue zum Durchbruch.

Automatisierung und prozessuale Bidirektionalität

Mit dem Ziel, die Learnings aus den bisherigen Anwendungsfällen umzusetzen, entwickelten wir im Projekt Neubau Louis Opländer der Opländer GmbH unser eigenes Tool. Dieses reduziert den Zeitaufwand auf ein Minimum, da das Erstellen von Issues je Durchbruch durch Skripte automatisiert wird, welche sich über die offene BCF-Schnittstelle mit der Plattform synchronisieren.

Zudem erstellt das Tool pro ergänzten Durchbruch neue Issues, was den Freigabeprozess mit neuen Modellständen aktualisiert und die Freigabe parallel zur iterativen BIM-Planung ermöglicht. Ein weiterer Zugewinn ist eine bidirektionale Verbindung von Issue und zugehörigem Durchbruch: Skripte werten die vorhandenen Issues auf der Plattform aus und schreiben die Issue-ID und den aktuellen Freigabestatus als Parameter an das ProvisionForVoid-Objekt. Die so angereicherte IFC-Datei nutzt der Planer, um über den Durchbruch und seine Parameter den zugehörigen Issue zu finden.

Ein wesentlicher Vorteil der bidirektionalen Verbindung von Modell und Freigabeprozess ist die graphische Auswertung, die wir über SmartViews in BIMCollabZoom einrichten konnten. Auf einen Blick werden die Durchbrüche je nach Freigabestatus farbig eingefärbt und bieten allen Projektbeteiligten einen einfachen Überblick über den aktuellen Fortschritt der Schlitz- und Durchbruchsfreigabe.

Die iterative Bearbeitung von Freigaben und SuD-Modellen, die bidirektionale Verbindung von Issue und Durchbruch sowie die Automatisierung der größten Aufwände verbesserten den entwickelten Freigabeprozess entscheidend. Die Anwendung des Tools strukturiert und erleichtert die Freigaben, wie auch die Bewertung durch Architekten und Tragwerkplaner, und gestaltet den Prozess generell praxistauglicher.

SuD-Workflow 2.0 – resiliente Prozesse

Das SuD-Tool bildete die Grundlage für unsere SuD-Prozesse und fand Anwendung in drei weiteren Projekten. Im großen Bauprojekt CANNION – NeckarPark erwies sich in der Praxis, dass wir noch nicht am Ende der Entwicklung standen. Die Vielzahl an Durchbrüchen in insgesamt drei Gebäuden stellte eine abgestufte Bewertung und Freigabe von Durchbrüchen auf die Probe und verlangte eine höhere Resilienz von einem automatisierten SuD-Freigabeprozess.

In der Ausführungsplanung entwickelten wir mit dem Projektteam und dem Architekten caspar. einen Workflow mit maximaler planerischer Flexibilität, indem Bewertung und Freigabe über die bewährte Autorensoftware erfolgten und in individuelle Planungsprozesse integriert wurden.

Nachdem die Tragwerkplaner die SuD-Modelle der TGA-Planung in ihrer Autorensoftware verknüpften, erfolgte die Freigabe über den Durchbrüchen angehangene Parameter. Bauteillisten und die Mehrfachauswahl von ganzen Strängen ermöglichten den Planern eine effiziente Bearbeitung der Durchbrüche. Anschließend wurden die Ergebnisse über einen Austausch von Bauteillisten an die TGA-Planung zurückgespielt. Die Autorenschaft über die Modelle der Schlitze und Durchbrüche verblieb somit klar beim TGA-Planer.

Während dieser Ansatz durch die Nutzung von BCF-Schnittstellen noch optimiert werden kann (Austausch von Arbeitsergebnissen), zeigt der Freigabeprozess 2.0 im Projekt CANNION – NeckarPark, dass die dem Planer eingeräumte Flexibilität in einem Workflow maßgeblich ist für die Akzeptanz im Projektteam und für die Resilienz im Projektverlauf.

Verknüpfung aller Ansätze zur Prozessoptimierung

Unsere Praxiserfahrung in diesen und weiteren Projekten demonstriert, dass ein in die BIM-Methode voll integrierter Freigabeprozess für Open-BIM-Projekte kontinuierlich weiterentwickelt und den Projektanforderungen angepasst werden muss.

Jede Entwicklungsstufe nutzt die Vorteile eines bauteilbasierten Freigabeprozesses auf andere Art, aber noch nicht vollumfänglich, aus: Die Verwendung einer BCF-Plattform schafft Nachvollziehbarkeit und Transparenz im Prozess. Tools und Skripte reduzieren Aufwände und strukturieren die Prozesse. Der Rückgriff auf die Autorensoftware der Planer gewährt letztlich die notwendige Flexibilität und Akzeptanz, die ein resilienter Prozess benötigt.

Eine Zusammenführung dieser perspektivischen Ansätze ist der nächste Schritt in der Optimierung des SuD-Freigabeprozesses.

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Bilder
Bild: Formitas AG
Formitas AG aus dem Projekt BOB.Düsseldorf mit der BOB AG: TGA- und SuD-Modelle, Bild: Formitas AG
Formitas AG aus dem Projekt CANNION – NeckarPark für caspar.: TGA- und SuD-Modelle, Bild: Formitas AG
Formitas AG aus dem Neubau Louis Opländer für die Louis Opländer GmbH: Koordinationsmodell, Bild: Formitas AG
© FAY Projects GmbH
Formitas AG aus dem Projekt CANNION – NeckarPark für caspar.: Projekt-Visualisierung,
Autoren

Dipl.-Ing. Hagen Schmidt-Bleker erkannte bereits während seines Architekturstudiums das Potenzial dreidimensioneller Planung und war einer der Pionier Anwender von BIM-Programmen und Initiator verschiedener Pilotprojekte, die sich erstmals der BIM-Methodik in Deutschland bedienten. 1999 gründete er die Firma Formitas, ein heute führendes Unternehmen für die Digitalisierung der Baubranche. Seit 2020 ist er Honorarprofessor im Fachbereich Architektur an der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn. formitas.de


Max Weber (M. Sc. Architektur RWTH Aachen) ist seit 2016 BIM-Manager bei der Formitas AG in Köln. Er baute den Servicebereich Virtual & Augmented Reality bei der Formitas mit auf und ist, neben seiner Funktion im BIM-Management, auch heute noch in diesem Feld tätig. Zudem vertiefte er das Thema Fabrikplanung
mit Building Information Modeling und ist Spezialist für ArchiCAD. Seit 2019 ist er Dozent bei der Formitas Akademie. formitas.de

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