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08.06.2021 | Maike Eilers, Daiki John Feller, Anica Meins-Becker

Potenziale für die Vereinheitlichung von BIM-Anwendungen

BIM-Basisprozesse

Eine Analyse des BIM-Instituts der Bergischen Universität Wuppertal zeigt, dass in der Region DACH gleiche BIM-Prozesse bei den Anwendern unterschiedlich verstanden werden.

Im Zuge einer fortlaufenden Recherche seit Juni 2019 hat das BIM-Institut der Bergischen Universität Wuppertal für die Öffentlichkeit bereitgestellte BIM-Anwendungen unterschiedlicher Herausgeber aus der DACH-Region in einer Übersicht zusammengeführt und analysiert. Im Ergebnis konnte kein herausgeberübergreifendes, heterogenes Verständnis für die Strukturierung, die Beschreibung und den Inhalt von BIM-Anwendungen festgestellt werden.

Die Bereitstellung gleichartig strukturierter BIM-Anwendungen für Baubeteiligte kann für die Verschiedenartigkeit Abhilfe schaffen und Transparenz fördern. Eine Vereinheitlichung sieht dabei nicht nur vor, vorhandene Inhalte in einen gleichen Aufbau zu überführen, sondern darüber hinaus auch das Ziel, jede BIM-Anwendung gleichartig auszurichten und inhaltliche Elemente gleichartig, gegebenenfalls standardisiert, auszudrücken.

Motivation der Untersuchung

Gemäß VDI wird eine BIM-Anwendung als „Durchführung eines spezifischen Prozesses oder eines Arbeitsschrittes unter Anwendung der Methode BIM“ definiert. [1] Entsprechend kann eine BIM-Anwendung die Beschreibung einer Leistung im Kontext des Building Information Modeling darstellen und unterscheidet sich rein methodisch von ihrem Äquivalent ohne Anwendung der Methode BIM. BIM-Anwendungen können folglich als Auftrags- oder bereits als Kommunikationsgrundlage dienen und so die Transparenz innerhalb eines Projektes fördern. Die Durchführung von BIM-Anwendungen dient dazu, die BIM-Ziele des Auftraggebers zu erfüllen.

Projektprozesse mit definierten BIM-Zielen des AG, Bild: BIM-Institut der Bergischen Universität Wuppertal/HUSS-MEDIEN GmbH

Status Quo von BIM-Anwendungen

Um sich einen Überblick über das aktuelle Verständnis von BIM-Anwendungen aus Sicht der Wissenschaft und Praxis zu verschaffen, sind die Autoren im Juni 2019 dazu übergegangen, in der DACH-Region veröffentlichte BIM-Anwendungen zu recherchieren, zentral zu sammeln und auswertbar zu machen. Hierbei wurden bis heute mehr als 220 BIM-Anwendungen von insgesamt 17 Herausgebern erfasst. Bei den Herausgebern handelt es sich neben wissenschaftlichen Institutionen um beratende Dienstleister, BIM-Manager, wirtschaftlich tätige Unternehmen, öffentliche Einrichtungen sowie Verbände.
Um bei der Menge der recherchierten BIM-Anwendungen Übersichtlichkeit zu schaffen, wurden die BIM-Anwendungen von Seiten der Autoren inhaltsspezifisch gemäß Anwendungszweck geclustert und anschließend kategorisiert. Sofern einzelne BIM-Anwendungen inhaltlich mehreren Kategorien zugeordnet werden konnten, wurden diese in den jeweiligen Kategorien berücksichtigt. Hieraus resultierend konnten 16 BIM-Anwendungskategorien identifiziert werden.

Folgende Anwendungskategorien wurden erfasst:

  • Anreichern eines Bauwerksinformationsmodells gemäß BIM-Anwendung
  •  As-built-Erfassung
  • Datenableitung aus dem Modell
  • Erstellung von 2D-Plänen
  • Georeferenzierung des Liegenschaftsmodells
  • Ist-Daten-Erfassung
  • Kalkulation
  • Kollaboration
  • Kommunikation
  • Liegenschaftserfassung
  • Liegenschaftsmodellierung
  • Monitoring
  • Regelprüfung
  • Simulation
  • Terminplanung
  • Visualisierung

Im Zuge einer anschließenden Analyse je Anwendungskategorie konnte festgestellt werden, dass die jeweils zugeordneten BIM-Anwendungen – bei gleichem inhaltlich verfolgtem Anwendungszweck – herausgeberübergreifend keine einheitliche Systematik erkennen ließen. Diese Heterogenität äußerte sich dabei unter anderem in Bezug auf den Inhalt der Beschreibung, die Struktur der Durchführungsbeschreibung der BIM-Anwendung sowie die Struktur der Detaillierung der Beschreibung. [2]

Zur Verdeutlichung der oben geschilderten Situation wird anhand des Beispiels der Anwendungskategorie Terminplanung die Vorgehensweise der Autoren erläutert.

Im Rahmen der Recherche wurden unter anderem das Karlsruher Institut für Technik (KIT), der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V., die DEGES, die DB Netz AG sowie BIM4INFRA als Herausgeber von BIM-Anwendungen für die BIM-Anwendungskategorie Terminplanung identifiziert.
Das KIT bezeichnet die BIM-Anwendung als modellbasierte 4D-Planung, welche die Verknüpfung des Terminplans mit Elementen im Modell zur 4D-Planung, das Erstellen und Fortschreiben von Terminplänen sowie das dynamische Ableiten von Daten zur Darstellung des Bauablaufs beschreibt. [3]

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. beschreibt seine BIM-Anwendung Terminplan wie folgt: „BIM-Modelle können mit einem Terminplan verknüpft werden, um daraus Simulationen des Bauablaufs zu erstellen. Dabei werden den Vorgängen des Terminplans jeweils bestimmte Elemente des Modells zugeordnet. Die Verknüpfung kann auf verschiedenen Detailstufen erfolgen, z. B. auf Ebene der Bauteilgruppen oder einzelner Bauteile. Durch die Verknüpfung zwischen dem BIM-Modell und einem Terminplan können Animationen des Bauablaufs erstellt werden. Hierdurch kann vorab die Herstellbarkeit des Bauwerks transparent überprüft werden. Zusätzlich sind eine visualisierte Optimierung des Bauablaufs, die Durchführung von Variantenvergleichen sowie eine Plausibilisierung der Leistungsansätze möglich. Eingangsdaten der Terminplanung sind auf die Terminplanstruktur und auf den Bauablauf abgestimmte BIM-Modelle.“ [4]

DEGES verfolgt mit der BIM-Anwendung 4D-Bauablauf und Baufortschrittskontrolle folgende Ziele: Hohe Terminsicherheit, Verknüpfung von Modellen und Terminplanung. [5] Die DB Netz AG verfolgt mit der BIM-Anwendung 4D-Planung das Ziel der Verknüpfung der geometrischen Modelle mit Terminplaninformationen zu 4D-Modellen. [6] BIM4INFRA2020 hat das Ziel der Nutzung eines durch Verknüpfung von Vorgängen der Terminplanung mit den zugehörigen Modellelementen erstellten 4D-Modells zur Darstellung und Überprüfung des geplanten Bauablaufs in seiner veröffentlichten BIM-Anwendung Terminplanung der Ausführung. [7] Wie an diesen Beispielen zu erkennen ist, erfolgen eine Durchmischung zwischen Zielen und Prozessschritten der Herausgeber, außerdem eine unterschiedliche Detailtiefe der Anwendungsbeschreibungen sowie Anwendungszeitpunkte in der Praxis und Abgrenzungen zu weiteren Prozessschritten in der Ausführung.

Zusammenfassend wurde festgestellt, dass – sowohl in Wissenschaft als auch in der Praxis – in Bezug auf Inhalt und Struktur einer BIM-Anwendung teilweise ein unterschiedliches Verständnis besteht. Als Grund hierfür ist eine fehlende, übergeordnete Standardisierung des schnelllebigen Aufgabenfeldes zu nennen. Zum aktuellen Zeitpunkt beschäftigen sich Arbeitskreise, beispielsweise im Rahmen der VDI-Richtlinie 2552 oder bei buildingSMART, vermehrt mit dem Inhalt und der Struktur von BIM-Anwendungen. [8]

Ableitung von BIM-Basisprozessen durch die Recherche

BIM-Basisprozesse verfolgen den Ansatz, allgemeingültig die anzuwendende Methode unter Berücksichtigung der Informationsanforderungen (im Sinne der VDI 2552 Blatt 2 „BIM-Anforderungen“) zu beschreiben und wie in der Abbildung „Übersicht BIM-Basisprozess“ darzustellen. Die BIM-Anforderungen je BIM-Basisprozess bedingen dabei die Beschreibung der durchführenden Verantwortlichkeit, des notwendigen Inputs für die Durchführung, des Zeitpunkts der Durchführung (im Projekt), der allgemeingültigen technischen Umsetzung, der zu berücksichtigenden Regularien und Vorschriften sowie des generierten Outputs.

Übersicht BIM-Basisprozess, Bild: BIM-Institut der Bergischen Universität Wuppertal/HUSS-MEDIEN GmbH

Infolge der geschilderten detaillierten Beschreibung können Anwender transparent und umfassend die Start-, Durchführungs- und Endbedingungen je Arbeitsschritt und im Gesamtkontext der jeweiligen BIM-Anwendung einsehen. Über eine Beschreibung des jeweiligen BIM-Basisprozesses erhält der Anwender darüber hinaus einen schnellen Einblick über den durchzuführenden Arbeitsschritt. Standardmäßig sind, sowohl für die Beschreibung als auch für die BIM-Anforderungen, generische Textbausteine eingearbeitet, die im Kontext der BIM-Anwendung zu spezifizieren sind.

Integration von BIM-Basisprozessen in den Bauablauf, Bild: BIM-Institut der Bergischen Universität Wuppertal/HUSS-MEDIEN GmbH

Tabelle 1 zeigt einen Überblick der identifizierten BIM-Basis-Prozesse. Insgesamt wurden 15 BIM-Basisprozesse definiert [9], die im Kontext der Methode BIM als wesentlich zu erachten sind, welche sich in die Cluster Daten schreiben, Daten erfassen, Daten ableiten, Daten verarbeiten (extern), Kommunikation sowie Andere einteilen.

 

Tabelle 2 stellt die BIM-Anforderungen beispielhaft für den BIM-Basisprozess „Erstellung eines Bauwerkinformationsmodells“ dar.

Die Auswahl der jeweiligen Arbeitsschritte als BIM-Basisprozesse erfolgte dabei unter Berücksichtigung möglichst einfach verständlicher, allgemeingültiger und umfassender Eigenschaften. Eine zu umfangreiche oder abstrahierte Systematik verschlechtert die Verständlichkeit sowie die Anwendbarkeit und damit einhergehend die Akzeptanz durch die Anwender.

Für ein besseres Verständnis der BIM-Basisprozesse, ihrer Anwendung und ihres Mehrwerts wird das angeführte Beispiel Terminplanung (spezifiziert aus Sicht bauausführender Unternehmen) aufgegriffen und veranschaulicht.

Im Allgemeinen wird die BIM-Anwendung durchgeführt, um einen Terminplan auf Grundlage eines Bauwerkinformationsmodells zu erstellen. Als Mehrwert resultiert dabei eine frühzeitige Erkennung von logischen und/oder bauablauforientierten Problemen sowie eine erhöhte Terminsicherheit.

Aus fachlicher Sicht ergibt sich folgende Prozesskette für die Erstellung der Terminplanung unter Anwendung der Methode BIM:

  • Ableitung und Definition geeigneter Bauabschnitte für die Terminplanung aus dem Modell (entspricht BIM-Basisprozess Datenableitung aus dem Modell)
  • Ableitung von Terminen und Dauern sowie das in Beziehung setzen der Vorgänge auf Grundlage der zuvor definierten Bauabschnitte (entspricht BIM-Basisprozess Terminplanung)
  • Zurückspielen der generierten Informationen (Termine und Dauern) in das Modell (entspricht BIM-Basisprozess Anreicherung eines Bauwerkinformationsmodells gemäß BIM-Anwendung)

Durch die Aufschlüsselung und Beschreibung des Prozesses „Terminplanung erstellen“ mithilfe der BIM-Basisprozesse und der Anpassung der generisch mitgelieferten Beschreibungen erhalten Anwender eine Beschreibung der notwendigen Anforderungen an Soft- oder gegebenenfalls Hardwarelösungen, notwendigen Informationen, zu berücksichtigenden Regelwerken und Vorschriften. Eine unternehmensspezifische Anpassung sowie Überführung in die Umsetzung wird durch eine solche neutrale, aber fachlich und methodisch genaue Beschreibung vereinfacht.

Fazit und Ausblick

Die Recherche zeigt auf, dass das Verständnis – gemessen an der hohen Anzahl herausgeberspezifischer Definitionen und Begrifflichkeiten – in Bezug auf BIM-Anwendungen unterschiedlich gehandhabt wird.  Hieraus resultieren die immer größer werdenden Kommunikationsschwierigkeiten bei Baubeteiligten. Positiv zu werten ist dabei, dass Unternehmen durch die Bereitstellung ihrer aktuellen Best Practices BIM-Anwendungen Lösungsansätze aufzeigen, an denen sich weitere Anwender orientieren können.

Eine Standardisierung von BIM-Anwendungen wird momentan von verschiedenen Initiativen vorangetrieben. Durch die Beschreibung einer BIM-Anwendung aus einem oder mehreren Arbeitsschritten kann für jede BIM-Anwendung ein Idealprozess definiert werden. Aufbauend auf diesem Ansatz entwickelten und entwickeln die Autoren standardisierte Teilprozessschritte inklusive einer generischen Beschreibung und Definition von BIM-Anforderungen für BIM-Anwendungen.

Diese standardisierten Teilprozessschritte (BIM-Basisprozesse) sind aus der durchgeführten Analyse der BIM-Anwendungen-Recherche hervorgegangen. Hierbei dienen BIM-Basisprozesse sowohl als Bausteinsystem für die Neudefinition von BIM-Anwendungen als auch als Klassifizierungssystem für bereits definierte BIM-Anwendungen. Durch eine konsistente Beschreibung notwendiger Informationen je Arbeitsschritt sowie im Gesamtbild der BIM-Anwendung wird die notwendige Transparenz, beispielsweise für Zwischenprüfungen infolge Datentransfer, geschaffen.

Die Recherche ist über die Website des BIM-Instituts einsehbar und verfügbar.

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Literatur

[1] VDI 2552 Blatt 2, Building Information Modeling – Begriffe. Juni 2018, Düsseldorf. Beuth Verlag GmbH
[2] Die aufgeführten Beispiele beschreiben nur einen Auszug der erkannten Uneinheitlichkeit der recherchierten BIM-Anwendungen und dienen zur Unterstützung für das Verständnis notwendiger Standardisierungen sowie Vereinheitlichungen von BIM-Anwendungen.
[3] Vgl. Katalog der BIM-Anwendungsfälle (https://www.tmb.kit.edu/download/Katalog_der_BIM-Anwendungsfaelle.pdf)
[4] Vgl. BIM im Hochbau, Technisches Positionspapier der Arbeitsgruppe Hochbau
im Arbeitskreis Digitalisiertes Bauen im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V., Dezember 2018
[5] Vgl. https://www.deges.de/wp-content/uploads/2020/02/BIM-Anwendungsf%C3%A4lle_V23.pdf
[6] Vgl. https://www1.deutschebahn.com/db-netz-bim/Standards/BIM-Anwendungsfaelle-5536960
[7] Vgl. BIM4INFRA 2020, AP4, Teil 6 (https://bim4infra.de/wpcontent/uploads/2019/07/BIM4INFRA2020_ AP4_Teil6.pdf)
[8] Die Autoren haben einen Entwurf für eine solche Struktur erarbeitet und mit Vertretern und Experten von Verbänden sowie der Praxis diskutiert, angepasst und weiterentwickelt: Leitfaden zur Strukturierung von BIM-Anwendungen (https://biminstitut.uni-wuppertal.de/de/forschung/download-bereich.html)
[9] Stand Oktober 2020 [10] Angepasste Darstellung

© BIM-Institut der Bergischen Universität Wuppertal/HUSS-MEDIEN GmbH
Autoren

PD Dr.-Ing. habil. Anica Meins-Becker ist Co-Institutsdirektorin des Instituts für das Management digitaler Prozesse in der Bau- und Immobilienwirtschaft/BIM-Institut. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen u. a. das prozessorientierte Informationsmanagement im Lebenszyklus von Gebäuden der Bau- und Immobilienwirtschaft. (Bild: privat) biminstitut.uni-wuppertal.de


Maike Eilers ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehr- und Forschungsgebiet Baubetrieb und Bauwirtschaft/ BIM-Institut der Bergischen Universität Wuppertal. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen u. a. die Analyse und Verknüpfung des Projektrisikomanagements mit einer auf BIM-basierten Planung. (Bild: privat) biminstitut.uni-wuppertal.de


Daiki John Feller ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr- und Forschungsgebiet Baubetrieb und Bauwirtschaft/BIM-Institut der Bergischen Universität Wuppertal. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen u. a. das Informationsmanagement in BIM-Projekten sowie die Standardisierung von BIM-Anwendungen. (Bild: privat) biminstitut.uni-wuppertal.de

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