19.03.2021 |
Arnim Spengler
Eine der wesentlichen Anforderungen an die BIM-Methode besteht darin, dass die Daten eines Bauwerks bzw. Assets über den Lebenszyklus und die Phasen eines Bauwerks hinweg genutzt werden sollen. Dass dieses Unterfangen Zukunftsmusik und nicht leicht umzusetzen ist, liegt auf der Hand.
Über die einzelnen Phasen eines Bauwerks wird mit vielen verschiedenen Softwaretools, Datenbanken und fachspezifischen Herangehensweisen gearbeitet. Schon während der Planungs- und Ausführungsphase mit der BIM-Methode wird das deutlich und stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Die Austausch-Informationsanforderungen (AIA) und der daraus resultierende BIM-Abwicklungsplan (BAP) sind die Mittel der Wahl, um das Verarbeiten von Daten projektspezifisch festzulegen.
Diese Betrachtungsweise dreht sich um die Daten bzw. Informationen, nicht jedoch um die Semantik, also das zugrundeliegende Wissen und den Kontext, vor dessen Hintergrund die Daten verarbeitet werden sollten. Das Wissen, wie die Daten zu verarbeiten und zu interpretieren sind, ist in der Software festgeschrieben und kann durch den Nutzer meist nur in engen Grenzen verändert werden. Hinzu kommt, dass das Datenformat IFC zunächst nur für den Informationsaustausch und nicht zur Verlinkung verschiedener Daten oder zur Repräsentation von Wissen konzipiert wurde.
Hier können Ontologien Abhilfe schaffen. Durch ihren Einbezug können verschiedene Daten semantisch in Beziehung gesetzt, Daten domänenübergreifend vernetzt und die hinter den Daten liegenden Konzepte beschrieben werden. Dabei sind Ontologien sowohl für den Menschen als auch für Maschinen verständlich. Im Kontext des Internets sind es Begriffe wie das Semantic Web und Linked Data, hinter denen sich Ontologiekonzepte verbergen.
Ontologie und Taxonomie: Was ist eine Bank?
Um Ontologien weiter zu beschreiben, wird das Beispiel einer Bank genutzt. Mit jedem Begriff (oder Objekt, wobei hier der Objektbegriff eine leicht andere Bedeutung hat als bei BIM) verbindet der Mensch eine gewisse Vorstellung, den Kontext. Ein EDV-System besitzt diese Vorstellung nicht. Bei der Verarbeitung der Daten ist der Kontext jedoch wichtig.
So kann die Eigenschaft Sitzplätze = 4 im Kontext einer Gartenbank die maximale Anzahl von Personen bedeuten, die auf der Bank Platz finden. Bei einer Bank als Gebäude jedoch kann sie die maximale Anzahl von Personen sein, die gleichzeitig in einem Raum Platz finden können. In Abbildung 1 sind verschiedene Begriffe einer Bank in unterschiedlichem Kontext dargestellt.

Abbildung 1: Beispiele für die Taxonomie des Begriffs Bank, Bild: Arnim Spengler/HUSS-MEDIEN GmbH
Ein grundlegendes Element einer Ontologie ist die sogenannte Taxonomie. Man kann sie sich wie eine Art Baum oder eine Hierarchie mit Oberbegriffen (Oberklassen) und Unterbegriffen (Unterklassen) vorstellen. Die Taxonomie dient der eindeutigen Zuordnung. Auf so beschriebene Begriffe oder Objekte baut die eigentliche Ontologie auf. Die Objekte werden mittels Relationen verbunden, die beschreiben, wie die Objekte miteinander in Beziehung stehen.
Beispielsweise kann zu einem Bankgebäude eine Sitzbank gehören, oder die Organisation Bank ist nicht gleichzusetzen mit der Bank als Gebäude. Aus diesen abstrakten Beschreibungen können individuelle Instanzen, die sich auf die Realität beziehen, abgeleitet werden. Es ist leicht einzusehen, dass hier neben den reinen Daten weitere Informationen wie Beziehungen und Wissen modelliert werden. Zudem lässt sich das Wissen gezielt abfragen.
Im Bauwesen existieren bereits mehrere Ontologien verschiedener Domänen und Fachrichtungen, die unter anderem durch die Linked Building Data Community Group und durch buildingSMART erarbeitet werden. Dieses sind z. B. die BOT – Building Topology Ontology, PRODUCT – Building Product Ontology, PSET – Building Element Property Ontology, GEOM – Geometry Ontology oder IFC-OWL-Ontologie als semantische Umsetzung von IFC.
Bei eigenen Projekten sollte nach Möglichkeit auf bestehende Ontologien aufgesetzt und verwiesen werden. Das ist durch sogenannte URIs (Uniform Resource Identifier) möglich, d. h., durch einen einmaligen und eindeutigen Bezeichner, der einer URL einer Webseite ähnelt und auf URLs oder andere Ontologien verweisen kann.
Semantic Web und Linked Data: Die Bank in der Bank
Nachdem die Idee, die hinter dem Ontologiebegriff steht, vorgestellt wurde, wird im Folgenden ein einfaches Beispiel weiter ausgearbeitet. Darin wird beschrieben, dass ein Gebäude einer Bank als Organisation gehört und in einem Raum eine Bank als Sitzgelegenheit mit einer bestimmten Anzahl von Sitzplätzen zu finden ist. Die zugehörige (vereinfachte) Ontologie ist in Abbildung 2 dargestellt und beinhaltet sowohl externe als auch eigene Ontologiebestandteile. Die URIs der externen Ontologien sind ausgeschrieben, die der eigenen Bestandteile nur angedeutet und können durch beliebige Zufallszahlen, eigene Webseiten oder Verweise auf Ressourcen ergänzt werden. Das ist die Idee, die hinter dem Semantic Web und Linked Data steht.
Als externe Ontologien wurden die BOT-Ontologie und die allgemeine FOAF-Ontologie (Friend Of A Friend) genutzt.

Abbildung 2: Vereinfachte Ontologie des Begriffs Bank, Bild: Arnim Spengler/HUSS-MEDIEN GmbH
Bevor auf die einzelnen Elemente eingegangen wird, sollte man sich die Abbildung genauer anschauen. Auch ohne vertiefendes Wissen wird unmittelbar klar, dass es anscheinend viele Arten von Banken geben muss. Eine, die etwas mit einem Organisationstyp zu tun hat, und eine andere, die ein Einrichtungsgegenstand ist. Auch kann aus der Ontologie geschlussfolgert werden, dass der Einrichtungsgegenstand Bank sich im Innenbereich eines Gebäudes, das einer Bank gehört, befinden muss. Allein diese Informationen sind in normalen Datenbanken nicht mehr oder nur schwer darstellbar und stellen Zusatzwissen dar. Eine Wissensbasis ist entstanden.
Die so modellierten Ontologien können zum Beispiel mittels rdf (Resource Description Framework) oder OWL (Web Ontology Language) in eine für EDV-Systeme verarbeitbare Form überführt werden. Nun ist es möglich, hierauf Abfragen durchzuführen. Die Ergebnisse werden nach einer entsprechenden Aufbereitung in gewohnter Form, z. B. als Tabelle, IFC oder in anderen Formaten, ausgegeben.
Die Einsatzbereiche sind vielfältig. Es können komplexe Beziehungsgeflechte ausgedrückt und nachverfolgt werden. Auch ist es möglich, verteilt vorliegende Daten aufzubereiten und vorab zu klassifizieren. Ontologien bilden eine ideale Ergänzung zur BIM-Methodik, mit der vorhandene Softwaretools und lieb gewonnene Abläufe weiter genutzt werden können. Ein gutes Beispiel ist ifcOWL. Hier können mittels entsprechender Softwaretools IFC-Dateien direkt in OWL umgeformt und z. B. mit anderen Ontologien verschränkt werden.
Fazit
Dieser Beitrag kann nicht die vertiefte Beschäftigung mit Ontologien ersetzen. Auch wurde auf viele Aspekte einer Ontologie wie z. B. detaillierter Aufbau, logisches Schließen, Relationsbeziehungen oder verschiedene Beschreibungssprachen nicht eingegangen. Es soll nicht verschwiegen werden, dass große Ontologien für den Menschen schnell unübersichtlich und die Modellierung sehr umfangreich ausfallen kann. Trotz dieser Einschränkungen haben in anderen Fachbereichen Unternehmen und andere Organisationen die Mächtigkeit erkannt.
Im Bauwesen fällt die Beschäftigung mit Ontologien eher unter den Begriff Pionierarbeit, mit der sich nur sehr wenige Akteure beschäftigen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir es in der täglichen Praxis mit Ontologien zu tun bekommen. Der Artikel lässt erahnen, was für eine Rolle das Thema Ontologie im Bauwesen in naher Zukunft spielen kann und dass komplexe Dienstleistungen, Services, Auswertungen oder die Kombination des Internets der Dinge mit GIS- und BIM-Modellen ohne Ontologien nur schwer umzusetzen sind.
Beetz J.: „Ordnungssysteme im Bauwesen: Terminologien, Klassifikationen, Taxonomien und Ontologien“ in „Building Information Modeling: Technologische Grundlagen und industrielle Praxis“, Hrsg.: Borrmann A.; König M.; Koch C.; Beetz J., Springer Fachmedien, Wiesbaden, 2015
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