01.08.2019 |
Anastasia Ruckelshausen, Stefan Wüst
Mit BIM to Field werden die Daten aus dem virtuellen Modell auf die reale Baustelle übertragen. Das führt zu einer drastischen Reduzierung der Abfallquote auf dem Bau. Wie BIM to Field funktioniert, zeigt das Pilotprojekt eines Rohrleitungssystems in der Schweiz.
Das z-Maß und ein einheitliches Messverfahren sind der Kern der Montagemethode, die von Georg Fischer 1945 erstmals erwähnt wurde. Das z-Maß beschreibt etwa bei einem Rohrbogen-Fitting das Maß von Mitte Rohrachse bis Ende der Einschraub- bzw. Einstecklänge.
Zwingende Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung der z-Maß-Methode ist die genaue Kenntnis der Leitungsführung, der Baumaße von Formstücken, Armaturen, Apparaten und deren Standorte. Dies bedingt eine enge Abstimmung mit Architekten, Planern, der Bauführung sowie allen anderen am Bau beteiligten Unternehmen, deren Arbeiten die Leitungsführung beeinflussen können.
Ein hoher Stellenwert kommt deshalb der Arbeitsvorbereitung (AVOR) zu. Klassische Grundrisszeichnungen genügen nicht. Der Verlauf der Rohrleitungen muss zweckmäßig und übersichtlich dargestellt werden.
Präzisionsarbeit auf der Baustelle
Die Praxis sieht anders aus, denn das präzise Ausmessen und Zeichnen des gesamten Rohrleitungssystems ist nicht unbedingt die Stärke des Installateurs. Deshalb wird in den allermeisten Fällen ein Rohrleitungssystem nicht im Voraus isometrisch aufgezeichnet, sondern vor Ort auf der Baustelle skizziert.
Der Installateur kommt mit seinen Rohren auf die Baustelle und baut diese Stück für Stück ein. Der Aufwand ist enorm, die Effizienz minimal. Jedes Rohrstück muss einzeln gemessen, abgelängt und montiert werden. Die Montagearbeit wird dadurch immer wieder unterbrochen. Dass eine Baustelle nicht gerade der ideale Ort für Präzisionsarbeit ist, versteht sich von selbst.
Digitales Modell erleichtert die Arbeit des Installateurs
Die Bouygues E&S InTec Schweiz AG hat zusammen mit dem Installationssystem-Hersteller R. Nussbaum AG sowie dem Softwareentwickler Trimble die z-Maß-Methode digitalisiert. Die Digitalisierung der Modelle, auf die alle am Bau beteiligten Personen zugreifen können, bringt eine markante Effizienzsteigerung im Montageprozess und erleichtert die Arbeit des Installateurs auf der Baustelle. Der Mehraufwand beim Modellieren der Rohrleitungen wird durch den deutlichen Minderaufwand bei der Montage mehr als kompensiert.

Bild 1: Modellbild der Sanitärinstallationen im Luzerner Pilotprojekt. Auf dem Bild sind die Kalt- und Warmwasserleitungen des Pilotprojekts zu sehen (grün/rot); Bild:Bouygues E&S InTec Schweiz AG
Digitales Zusammenspiel der Kräfte
Der Digitalisierung gehört die Welt – mit BIM hat sie auch im Bauwesen Einzug gehalten. BIM erhält immer mehr Einfluss darauf, wie Gebäude aussehen, funktionieren und wie die verschiedenen Beteiligten an ihrer Planung und Ausführung mitwirken. Digitale Prozesse sind aber nur dann erfolgreich, wenn sie durchgängig sind. Im Falle der Installationslösung von Bouygues E&S InTec Schweiz AG bedingt das, dass alle Protagonisten ihre Pläne und Unterlagen digitalisieren: der Planer und Architekt liefert digitale Gebäudemodelle und der Lieferant echte geometrische Daten seiner Produkte für die Designsoftware.
In diesem Beispiel erlaubt dieses Zusammenspiel die Produktion und Anlieferung der fertig geschnittenen Sanitär- und Heizungsleitungen. Denn nur so ist gewährleistet, dass der Installateur vor Ort nicht wieder sein mühsames Hin und Her anwenden muss, mit Anpassen, Zuschneiden und Verkürzen.
Pilotprojekt von Bouygues E&S InTec Schweiz AG in der Region Luzern
Mit Kenntnis der digitalen Möglichkeiten im Bereich der Sanitär- und Heizungsinstallation hat Bouygues E&S InTec Schweiz AG die Machbarkeit anhand eines konkreten Pilotprojekts im Raum Luzern getestet und erfolgreich angewandt.
Die Zielsetzungen mit dem Projekt waren:
- Messen der Effizienzsteigerung bei Anwendung der digitalen z-Maß-Methode
- Erfahrung im Umgang mit geometrischen Daten sammeln
- Ermitteln der Anzahl Rohrleitungen, die auf der Baustelle geändert werden müssen
- Als innovative Gebäudetechnikfirma der Branche aufzeigen, dass echte geometrische Daten der Lieferanten ein wichtiger Bestandteil für effiziente Montageprozesse sind
Umgesetzt wurde das Pilotprojekt mit einem Fachplaner, Trimble und der R. Nussbaum AG. Bouygues E&S InTec Schweiz AG war zuständig für die Werkplanung und die Montage auf der Baustelle. Bild 2 zeigt den Workflow im Zusammenspiel der involvierten Mitarbeiter.

Bild 2: Workflow des Pilotprojekts (Bild: Bouygues E&S InTec Schweiz AG)
Planung und Arbeitsvorbereitung: die Plattform für den Erfolg
Die digitale Arbeitsvorbereitung ist der Katalysator für den Erfolg des gesamten Projekts. Die Zeit, die in diese Phase investiert wird, kompensiert sich später bei der Montage und den Materialkosten.
Die erste Maßnahme war deshalb ein Planungsworkshop zwischen dem zuständigen Fachplaner, Bouygues E&S InTec Schweiz AG und Trimble für das Modellieren der Rohrleitungen sowie die Installation der Schablone der Produkte der R. Nussbaum AG und die Übernahme der geometrischen Daten in die Planung. Die AVOR von Bouygues E&S InTec Schweiz AG umfasste anschließend:
- Prüfen der Formstückkombinationen auf ihre Machbarkeit
- Anpassen der Rohrleitungslagen aufgrund von Formstückkombinationen
- Setzen von Fieldpoints für das Bohren von Aufhängungen mithilfe des Robotik-Tachymeters
- Definition einer Logik für die Nummerierung von Rohren und Formstücken im Gebäudemodell
- Exportieren der Bauteillisten für die Produktion bei der R. Nussbaum AG
Auf Basis dieser definierten Logik konnten die Rohre und Formstücke bei der R. Nussbaum AG mit Logik-Nr., Artikel-Nr., Rohrqualität und Rohrlänge bestellt werden. Die R. Nussbaum AG übernahm das Schneiden, Entgraten und Anzeichnen der Einstecktiefen der Rohre nach den Stücklisten von Bouygues E&S InTec Schweiz AG. Die Rohre und Formstücke wurden anschließend nach genauer Logik von Bouygues E&S InTec Schweiz AG mit entsprechender Nummerierung verpackt.

Bild 3: Abgelängte Edelstahlrohre mit bereits angezeichneten Einzelstecktiefen bei der R. Nussbaum AG (Bild: Bouygues E&S InTec Schweiz AG)
Montage auf der Baustelle
Dank der guten AVOR konnte der Installateur Rohr für Rohr in zügiger Abwicklung montieren. In Luzern wurden für die Kalt- und Warmwasserleitungen im Untergeschoss 144 Formstücke von den Rohrweiten 18–35 Millimeter Durchmesser sowie 138 Rohrstücke von den Rohrweiten 18–35 Millimeter Durchmesser montiert. Der größte Teil der Rohrschellen wurde mit den Deckenabständen gemäß Modell vorproduziert und am Vortag montiert.
Beeindruckend war die Genauigkeit des digitalen z-Maßes schon bei seiner allerersten Anwendung:
- Von 138 Rohrleitungen waren 133 korrekt (96 Prozent) und konnten wie geplant verbaut werden
- Von 144 Formstücken waren 142 korrekt (98,5 Prozent) und konnten wie geplant verbaut werden
Markante Effizienzsteigerung
Die Effizienz der digitalen Prozesse, die Bouygues E&S InTec Schweiz AG mit den Partnern entwickelt hat, ist markant. Bild 4 zeigt, dass bei der technischen Bearbeitung zwar ein Mehraufwand entsteht, bei der Montage auf der Baustelle aber viel zügiger gearbeitet werden kann. Die hohe Genauigkeit der Materialien ist zudem direkt kostenwirksam, denn es fällt kein Rohrverschnitt auf der Baustelle an. Ein Vergleich der bisherigen und der neuen Methode zeigt, dass beim Pilotprojekt in der Region Luzern die Installationskosten für das Arbeitspaket signifikant gesenkt werden konnten.

Bild 4: Mehr- und Minderaufwände (Bild: Bouygues E&S InTec Schweiz AG/HUSS-MEDIEN GmbH)
Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt
Die Digitalisierung der gesamten Prozesse im Projekt Luzern hat sich bewährt. Prozessabläufe wurden optimiert, Fehlstunden abgebaut, Material gespart, Kosten gesenkt. Ebenso wichtig war es jedoch, aus dieser Erfahrung Erkenntnisse und Learnings zu erhalten:
- Die Vorbereitungsarbeiten und die Genauigkeit der Befestigungstechnik sind entscheidend für eine effiziente Montage
- Einlegeschienen für die Befestigungstechnik würden weiter massiv Montagezeit einsparen
- Es besteht die Möglichkeit, jeweils ein Formstück auf ein Rohrende vorgängig aufzupressen
- Voraussetzung für die Einsparung ist die Übernahme des nativen Datenformats des Fachplaners
- Das Gebäudemodell muss auf dem Handy, Tablet oder PC offline zur Verfügung stehen
- Das Anliefern der Rohrleitungen erfolgte nach Strängen (abgepackt). Innerhalb der Abpackung wäre eine Vorsortierung hilfreich. Ist dies nicht der Fall, empfiehlt es sich, vor dem Montagestart die Rohre nach der Nummerierung zu sortieren.
- Bei der Installation konnte auf konventionelle Installationspläne in Papierform verzichtet werden
- Bautoleranzen des Baumeisters bis zu 1 Zentimeter sind für die Vorfertigung nicht relevant
Am Pilotprojekt beteiligte Firmen
Bouygues Energies & Services InTec Schweiz AG
Bouygues E&S InTec Schweiz AG ist schweizweit in der Gebäudetechnik tätig und bietet die gesamte Dienstleistungspalette von Elektro über HLKKS, ICT Services, Security & Automation bis hin zu Technical Services an. bouygues-es-intec.ch
Trimble MEP Europa
Als Softwarehersteller der CAD/ CAE-Software Plancal nova für die Gebäudetechnik unterstützt Trimble MEP Europa Unternehmen bei der Integration von 3D-kompatiblen Lösungen im gesamten BIM-Workflow Field2BIM sowie BIM2Field. mep.trimble.ch
R. Nussbaum AG
Die Firma mit Hauptsitz in Olten wurde 1903 gegründet und zählt heute 400 Mitarbeitende und 35 Auszubildende. Sie ist einer der führenden Hersteller und Vertreiber von Armaturen, Installationssystemen und Dienstleistungen für die Haustechnik (Sanitär, Heizung). nussbaum.ch