05.09.2024 |
Kristina Hahne, Niels Bartels
Die Digitalisierung ändert die Art und Weise, wie wir lernen, lehren und arbeiten. Insbesondere im Bereich des Digitalen Planens, Bauens und Betreibens eröffnen sich durch innovative Technologien kontinuierlich neue Möglichkeiten und Potenziale. Diese sind beispielsweise die Nutzung Künstlicher Intelligenz, aber auch der Einsatz von immersiven Technologien, wie im Metaverse. Nachfolgend werden die Ergebnisse eines Projekts zum Einsatz des Metaverse in der Lehre an der Technischen Hochschule Köln (TH Köln) dargestellt.
Grundlagen: BIM-Lehre – Status Quo
Aufgrund der Verknüpfung von Technologie, Prozessen, Menschen und Rahmenbedingungen stellt die Lehre des Digitalen Planens, Bauens und Betreibens – insbesondere Building Information Modeling (BIM) – eine Herausforderung dar. Studierende benötigen verschiedene Kenntnisse, um die Prozesse des digitalen Planen, Bauen und Betreibens zu verstehen und im späteren Beruf anwenden zu können.
Gemäß dem Referenzrahmen für Studiengänge des Bauingenieurwesens (Bachelor) des Akkreditierungsverbunds für Studiengänge des Bauingenieurwesens (AS Bau) sollen Studierende nach dem Bachelorstudium Kompetenzen besitzen, um „aktuelle digitale Technologien selbständig anwenden“ zu können und eine Bewertung sowie Implementierung von digitalen Technologien in Planungs- und Ausführungsprozessen durchzuführen.
Hierfür ist eine praxisorientierte Lehre notwendig, die im Bereich BIM vor allem durch projektbasierte Lehre umgesetzt werden kann [1]. Zusätzlich kann die Lehre durch spielerische Elemente, wie Gamification-Ansätze sowie den Einsatz von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) unterstützt werden. Hierdurch können Elemente, die denen von Computerspielen ähneln (zum Beispiel Level oder Erfahrungspunkte), eingesetzt werden. Studien zeigen, dass dadurch die Lernergebnisse optimiert werden können [2]. Darüber hinaus kann der Einsatz des Metaverse in der Lehre die Ergebnisse noch einmal verbessern.
Definition des Metaverse
Zwar existieren erste Ansätze zur Definition des Begriffs Metaverse; diese ist in der Forschung und Praxis jedoch noch nicht abgeschlossen [3]. Bekannt ist das Metaverse vor allem aus den Entwicklungen von Facebook, aber auch andere Unternehmen investieren in das Metaverse. Darüber hinaus existieren verschiedene Plattformen, die als Metaversen bezeichnet werden [4].
Unter Berücksichtigung verschiedener Definitionen kann das Metaverse als eine Kombination aus realer und virtueller Welt beschrieben werden, in der Anwendungen wie digitale Marktplätze, digitale Immobilien, Branding und Marketing sowie Bildung enthalten sind. Das Metaverse basiert auf offenen Standards, digitalem Eigentum, Persistenz, Multimodalität und sozialer Interaktion. Die technische Basis für das Metaverse bilden Geräte für erweiterte Realität (XR), Blockchain, Cloud Computing, Kryptowährung, Web 3.0 und künstliche Intelligenz [4], [5].
Metaverse Workshops für Studierende
In einigen Bereichen (zum Beispiel Medizin oder Maschinenbau) wird das Metaverse bereits in Lehre und Ausbildung eingesetzt. In der Bau- und Immobilienbranche befindet sich das Metaverse – nicht nur in der Lehre – noch in der Anfangsphase. Zwar wurden bereits erste Projekte in Lehre und Praxis durchgeführt; eine weite Verbreitung findet jedoch noch nicht statt.
Um die Auswirkungen des Metaverse auf die Lehre zu evaluieren, wurde es in einem Projekt an der TH Köln in die Lehre integriert. Hierbei wurden die Kurse „Digitales Planen und Bauen“ (Bachelor Bauingenieurwesen 4. Semester) und „Building Information Modeling“ (Bachelor Energie- und Gebäudetechnik 6. Semester) durch Inhalte aus dem Metaverse unterstützt. Neben einer Vorlesung zum Thema Metaverse konnten die Studierenden verschiedene Anwendungsfälle für das Bauingenieurwesen und die Gebäudetechnik im Rahmen von Workshops erleben.
In einem ersten Schritt wurden verschiedene Anwendungsfelder für das Metaverse in der Bau- und Immobilienbranche analysiert und mit verschiedenen Stakeholdern aus der Branche Workshops durchgeführt. Aus den daraus resultierenden Ergebnissen wurden mögliche Anwendungsfälle wie virtuelle Baubesprechungen, digitale Immobilienprojektentwicklung, Baustellenbegehungen, virtuelles Sicherheitstraining oder Anleitungen für Tätigkeiten (zum Beispiel Schweißen) evaluiert. In einem zweiten Schritt wurden die Erkenntnisse für den Aufbau eines Workshopkonzepts für die Studierenden genutzt.
Der Workshop für die Studierenden fand an sieben Terminen statt und dauerte jeweils 3,5 Stunden. Die Teilnahme war freiwillig. Pro Workshop konnten bis zu 15 Studierende teilnehmen und wurden für die unterschiedlichen Stationen in drei Gruppen zu je fünf Personen aufgeteilt. Die Gruppen konnten an drei Stationen, die sich in verschiedenen Räumen befanden, Anwendungsfälle zu unterschiedlichen Themenbereichen ausprobieren.
Im Anschluss an die Workshops wurden die Studierenden befragt und die Ergebnisse ausgewertet. Der Fragebogen wurde von 44 Studierenden ausgefüllt.
Erkenntnisse: Potenziale & Einfluss auf die Lehre
In der Literatur werden vier wesentliche Vorteile der Lehre im Metaverse genannt:
Das Metaverse ermöglicht eine neue Flexibilität der Lehre, da diese orts- und zeitunabhängig stattfinden kann. Dadurch können erkrankte Studierende, oder Personen mit einer weiten Anreise einfacher an den Lehrinhalten teilnehmen.
Durch die vorgenannte Flexibilität kann der Biorhythmus der Studierenden besser berücksichtigt werden.
Die Lehre im Metaverse verbessert das Interesse an Hard- und Softwareprodukten.
Schwierige Zusammenhänge können anschaulicher erklärt werden.
Diese Vorteile wurden auch in der Umfrage durch die Studierenden bestätigt. Daneben zeigen die Ergebnisse einen positiven Einfluss des Metaverse auf die Lernerfolge der Studierenden.
Zunächst wurden die Studierenden danach gefragt, ob ihnen der Workshop dabei geholfen hat, die Inhalte, die zuvor in der Vorlesung behandelt wurden, noch besser zu verstehen. Bei Virtual Reality und Mixed Reality gaben 100 Prozent der Studierenden an, dass die Workshops das Verständnis verbessert haben.
Bei Augmented Reality waren es 97 Prozent, bei BIM-Autorensoftware und BIM-Kollaborationssoftware 94 Prozent. Das Metaverse an sich verstehen 72 Prozent nach eigener Angabe besser. Lediglich Blockchain, das kein primäres Thema des Workshops darstellt, fällt mit 48 Prozent ab.
Darauf aufbauend wurden die Studierenden danach gefragt, inwiefern der Workshop das Interesse für die Themen des Digitalen Planens und Bauens sowie innovativer Technologien für die Bau- und Immobilienbranche gestärkt und wie das Metaverse die Sicht auf das Thema verändert hat.
Durch die praktischen Anwendungen fühlen sich die Studierenden nach den Workshops sicherer im Umgang mit innovativen Technologien und befürworten einstimmig, dass die Workshops auch im nächsten Jahr wieder angeboten werden sollen.
Voraussetzungen & Herausforderungen
Die Workshops und die damit verbundene Umfrage haben folgende notwendige Voraussetzungen sowie Herausforderungen aufgezeigt.
Wesentliche Voraussetzungen stellen performante Hard- und Softwaresysteme dar. Insbesondere aktuelle Hardware, wie AR- oder VR-Brillen sind notwendig, um immersive Erlebnisse im Metaverse zu ermöglichen. Daneben ist es notwendig, dass neutrale Schnittstellen vorhanden und nutzbar sind, zum Beispiel zwischen BIM-Software und Metaverse-Plattformen.
In der Beschaffung von Hard- und Software liegt eine wesentliche Herausforderung für die Lehre im Metaverse. Hohe Kosten sowie teils lange Lieferzeiten können dazu führen, dass einzelne Studierende ausgeschlossen werden. Darüber hinaus ist die Bandbreite der Internetverbindung wesentlich, sodass der Wohnort der Studierenden eine zentrale Rolle spielt.
Rechtliche Aspekte wie Datensicherheit und -schutz sind zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht hinreichend geklärt. Im Hinblick auf die Gesundheit haben vor allem das Sick-Motion-Syndrom sowie Müdigkeit durch die intensive AR und VR Nutzung Einfluss auf den Lernerfolg. Ferner ist der Umgang mit Studierenden mit Seheinschränkungen zu berücksichtigen.
Es zeigt sich in den Antworten der Studierenden jedoch auch, dass das Metaverse nur als Ergänzung zur ortsgebundenen Lehre genutzt werden sollte, um eine Isolation durch zu viel Lehre im virtuellen Raum zu vermeiden. Nach den Erfahrungen aus der Corona-Pandemie wünschen sich die Studierenden, dass die Hochschule wieder ein Ort der Interaktion wird.
Fazit
Die Ergebnisse des Hochschulprojekts bestätigen, dass das Metaverse eine Möglichkeit zur Unterstützung der Lehre bietet. Es hat aber auch gezeigt, dass Herausforderungen mit der Lehre im Metaverse verbunden sind, auf die Hochschulen nun reagieren müssen. Es ist notwendig, dass Bildungseinrichtungen Regelungen schaffen, um festzulegen, wie mit der Lehre im Metaverse und immersiven Welten zukünftig umgegangen werden kann.
Es ist erforderlich, dass sich die gesamte Bau- und Immobilienbranche mit dem Metaverse, den Potenzialen und den Herausforderungen auseinandersetzt. Hierfür müssen Anwendungsfälle gemeinsam entwickelt und evaluiert werden, unabhängige und offene Plattformen geschaffen sowie neutrale und lebenszyklusübergreifende Standards implementiert werden.
Danksagung: Das Projekt wurde im Rahmen des TransferING Programms an der Technischen Hochschule Köln unterstützt. TransferING ist Teil des von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre bis 2024 geförderten Projekts REDiEE. Wir danken außerdem der World of VR GmbH bei der Unterstützung der Workshops und im Semester.
Quellen
[1] Maile, T., Bartels, N., Wimmer, R.: Integrated life-cycle orientated teaching of the big-open-BIM method. In: Proceedings of the 2023 European Conference on Computing in Construction and the 40th International CIB W78 Conference: European Council for Computing in Construction, 2023 (Computing in Construction)
[2] Makransky, G., Petersen, G. B.: The Cognitive Affective Model of Immersive Learning (CAMIL): a Theoretical Research-Based Model of Learning in Immersive Virtual Reality. In: Educational Psychology Review 33 (2021), Heft 3, S. 937–958
[3] Weinberger, M.: What Is Metaverse? – A Definition Based on Qualitative Meta-Synthesis. In: Future Internet 14 (2022), Heft 11, S. 310
[4] Bartels, N., Hahne, K.: Teaching Building Information Modeling in the Metaverse – An Approach Based on Quantitative and Qualitative Evaluation of the Students Perspective. In: Buildings 13 (2023), Heft 9, S. 2198
[5] Buchholz, F., Oppermann, L., Prinz, W.: There’s more than one metaverse. In: i-com 21 (2022), Heft 3, S. 313–324