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04.09.2020 | Jens Gabe

Landschaften in 3D

BIM & Landschaftsarchitektur

In der Landschaftsarchitektur wird BIM bisher nur sporadisch eingesetzt. Das muss sich ändern – auch mit Blick auf die städtebaulichen Anforderungen im Zeitalter der Klimaerwärmung.

Die BIM-Methodik wird auch in der Landschaftsarchitektur in den kommenden Jahren einen immer größeren Stellenwert einnehmen – insbesondere bei Projekten mit umfangreichen und komplexen planerischen und baulichen Schnittstellen zu anderen Gewerken. Hier bietet diese Gesamtplanungsintegration (frei formuliert) eine große Chance zur optimierten Projektkoordination.

Mit ihren vielfältigen Schnittstellen zu anderen Planungsdisziplinen und Gewerken hat die Landschaftsarchitektur über BIM-LA (Building Information Modeling in Landschaftsarchitektur und Umweltplanung) aus meiner Sicht ein erstrebenswertes Ziel zur Vertiefung unserer umfänglichen Profession.

Um nicht den Anschluss an die teilweise schon sehr professionalisierten übrigen Gewerke zu verlieren, ist hier zusätzliche Fachkenntnis wünschenswert. Von Seiten der FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V.) wurde bereits ein Arbeitskreis zum Thema „BIM in der Landschaftsarchitektur“ gegründet, in dem ich seit längerer Zeit mitarbeite.

Mehr Planungstransparenz für Fachfremde

In der planerischen Praxis lassen sich verschiedene Segmente des Einsatzes von BIM-LA orten. In der Stadtplanung wird der positive Einfluss der Freiräume in der Stadt neben der gestalterischen Wirkung zum Beispiel in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte vorteilhaft über den Digitalen Zwilling der Stadt simulierbar. Über Attribuierungen wie z. B. Flächendefinitionen mit kleinklimatischen Einflussfaktoren von Belägen oder die Evapotranspiration von Grünflächen (Evapotranspiration: Summe der Verdunstung von Wasser aus der Tier- und Pflanzenwelt) kann der sommerliche Wärmeinseleffekt von Gestaltungsansätzen von Stadtplätzen in der Entscheidungsfindung optimiert werden. Maßgebliche langfristige Festlegungen über Typen und Tönungen von Belägen werden nachvollziehbar abgebildet.

Ist es erstrebenswert, im Rahmen der aktuellen Erkenntnisse dunkle, wärmeabsorbierende Beläge einzusetzen, oder fällt die Wahl auf einen helleren Belag ohne Abgabe von Wärme in der Nacht für einen besseren Schlaf im Hochsommer?

Auch in der Kerndisziplin der Landschaftsarchitektur ergeben sich maßgebliche Vorteile bei der Einbindung dieser neuen Planungsmethode. Eine eindeutige Erhöhung der Planungstransparenz für Fachfremde wird über die dreidimensionale Modellierung der Freianlagen mit Bauteilattribuierungen erzielt. Für jeden verständlich können Planungsinhalte – dauerhaft abrufbar mit Informationen verknüpft – dargestellt werden.

Speziell auf Baumaßnahmen im Freianlagensegment bezogen bietet die Erstellung eines digitalen Geländemodells bei Einbindung der Gebäudekörper die Möglichkeit eines frühzeitig abgestimmten Erdmassenmanagements. Hierdurch können maßgeblich CO2-Emissionen durch Transport von Erdmassen reduziert werden. Das geschieht über den Einbau vor Ort über gestaltete Geländemodellierungen oder in baustellennahen Bereichen. Die planerischen Potenziale in Bezug auf den Überflutungsnachweis und die Reaktion auf neue klimatische Herausforderungen wie Starkregen oder Trockenheit können über 3D-geplante Anlagen ausgeschöpft werden. Nicht zu unterschätzen ist die zukünftige Anforderung an Simulationen im Bereich des LCA (Life Cycle Assessment, Lebenszyklusanalyse) und LCC (Life Cycle Costing, Lebenszykluskostenrechnung) bezüglich des nachhaltigen Bauens.

BIM-Objekte in der Landschaftsplanung, Bild: ComputerWorks

Entwicklung eines BIM-LA-Leitfadens erforderlich

Im Planungsalltag bietet BIM-LA deutliche Vorteile im Zusammenspiel mit den anderen direkt angrenzenden Gewerken. Exemplarisch sind hier Segmente des Straßen-, Kanal- und Tiefbaus zu nennen (Baumstandorte, Leitungstrassen). Maßgeblich ist das planerische Zusammenspiel mit der Hochbauplanung. Hier ergeben sich oft diffizile Gebäudeanschlüsse, Zusammenhänge mit der Gebäudestatik (Baumstandorte auf einer Tiefgarage) und technischen Gesamtanlagen (Durchdringungen in der Tiefgarage für die Oberflächenentwässerung). Ebenso können bauphysikalische Aspekte betrachtet werden, beispielsweise zu den Vorteilen eines Dachs mit extensiver Begrünung.

Auch die Einbindung von Ingenieurbauwerken (Brückenbauwerke oder Busbahnhöfe) in den Freianlagen wird transparenter dargestellt. Abstimmungen werden in das BIM-Gesamtmodell integriert, das Suchen von Aktennotizen und Datenblättern erübrigt sich. Durch die Überprüfung von Elementüberschneidungen (Kollisionsprüfung) können frühzeitig unerfreuliche Überraschungen auf der Baustelle reduziert werden.

Aktuell scheinen BIM-gestützte Hochbauplanungen im luftleeren Landschaftsraum zu schweben. Städtebauliche Einbindungen mit schlichten Geländemodellierungen und Kubaturvolumina angrenzender Gebäudestrukturen werden nur teilweise vorgenommen. Die Landschaftsarchitektur scheint in den BIM-Modellen weitgehend ausgeblendet zu sein.

Neben den Vorteilen in der Planungsphase bietet BIM-LA auch mit Blick auf das Freiflächenmanagement im Rahmen des Facility Managements große Vorteile für die Betreiber privater und öffentlicher Anlagen. Über den Digitalen Zwilling der Freianlagen lassen sich Instandhaltungs-, Sanierungs- und Rückbaumaßnahmen vorteilhaft koordinieren. Die Einbeziehung von attribuierten dreidimensionalen Bauteilen vertikal (Bäume, Bänke, Mastleuchten) und horizontal (Belagflächen, Pflanzflächen) im Planungsprozess, die nach der Fertigstellung an die FM übergeben werden, erzeugen Vorteile über den gesamten Lebenszyklus der Freianlage für den Betreiber.

In diesem fachlichen und prozesshaften Neuland ist die Entwicklung einer leitenden Matrix (Leitfaden BIM-Landschaftsarchitektur) erforderlich, da dies die Komplexität von BIM nach meinen Erfahrungen in Arbeitskreisen und BIM-Clustern erforderlich macht. Vor dem Hintergrund meiner Beschäftigung mit dem Themenkomplex „Nachhaltige Landschaftsarchitektur“ sind für mich die Bauteildaten in die Planung einzubeziehen, insbesondere mit Blick auf die Nachhaltigkeit. Diese Datenmenge dauerhaft dokumentiert und abrufbar bereitzustellen, ist mit der BIM-Methodik hervorragend möglich.

BIM-Objekt Triangle-Park, Bild: ComputerWorks

Fazit

Für mich besteht eine maßgebliche Herausforderung in der sympathischen Vermittlung der BIM-Methodik in der Planerwelt der Landschaftsarchitekten. An dieser Stelle zeige ich BIM-Interessierten gern das Beispiel einer Parkbank ( BIM), die in BIM nicht mehr als Rechteck vorhanden ist, sondern als 3D-Volumenkörper (BIM). Die Bank kennt sozusagen ihre räumliche Ausdehnung.

Außerdem werden in diesem 3D-Objekt Bauteilinformationen (BIM) wie Baustoffe, Hersteller, Lebensdauer, Fundamentanforderungen, Statik, LCC und LCA gespeichert. Durch die Simulation verschiedener Szenarien zeigt sich hier auch das große Potenzial für eine nachhaltige Landschaftsarchitektur.

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© ComputerWorks
Autor

Dipl.-Ing. Jens Gabe studierte Landschafts- und Freiraumplanung an der Hochschule Hannover (TU). Seit 2001 arbeitete er als Landschaftsarchitekt in den Büros FSW, GTL und FSWLA. Seine Schwerpunkte sind u. a. Objektplanung in diversen Segmenten der Landschaftsarchitektur sowie nachhaltige Freianlagenplanung. Er ist DGNB-Consultant sowie Mitglied im FLL Regelwerksausschuss (RWA) Freiflächenmanagement (Mitglied Teilbereich Nachhaltigkeit) und im FLL Arbeitskreis (AK) BIM in der Landschaftsarchitektur. dgnb-sytem.de

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