Volker Zappe, Alexander Dellen
In einer auf drei Teile angelegten Dokumentationsreihe steht ein Bauplanungsprojekt im Mittelpunkt, das von der Pike auf mit der BIM-Methode entsteht. Der Bauherr wie auch die BIM-Spezialisten berichten jeweils aus ihren eigenen Perspektiven auf das Geschehen der Projektstart-, Durchplanungs- und Realisierungsphase. Der erste Teil konzentriert sich auf den Beginn, in dem alle Beteiligten die besten Wege suchen und finden, um das Projekt wachsen zu lassen.
Auf den ersten Blick handelt es sich beim Neubauvorhaben unweit der Rheinpromenade in Ludwigshafen-Mitte um ein ganz normales Bürogebäude. Aber dieser Eindruck täuscht. BOB.Rheinallee Ludwigshafen, so der offizielle Name der Projektentwicklung der Aachener BOB AG, ist das erste Gebäude der BOB-Serie, das vollständig in BIM geplant und auf Grundlage von BIM-Daten später auch betrieben wird. Die Entscheidung, das Balanced Office Building (BOB) in BIM-Modellen aufzusetzen, fiel schon vor längerer Zeit, denn der BIM-Ansatz passt ideal zum Leitgedanken von BOB. Das BOB-Konzept soll sich in den kommenden Jahren zu einem digitalen Bürogebäudeprodukt entwickeln.
Hohe Energieffizienz, geringe Nebenkosten
Als BOB in Aachen entwickelt wurde, befragten die beteiligten Architekten, Energiedesigner und Tragwerksplaner u. a. Reinigungskräfte, Nutzer, Produkthersteller, Planer aller Disziplinen und viele andere, was ein optimales Bürogebäude ausmacht. Das beste Raum- und Energiekonzept sollte entstehen, hochwertige Architektur als essentiell gelten und viele logische Bausteine zueinanderfinden. Es wurde sehr schnell klar, dass es bei einem Bürogebäude nicht um das Optimum für ein einzelnes Thema gehen kann. Vielmehr mussten die Planer eine Balance der Einzelthemen herstellen, die am Ende zu einem perfekten Gebäude führt.
Rheinallee-Animation (Bild: Johannes Schneider,Architekt BDA-Bremen)
Die Erwartungen wurden mehr als übertroffen. BOB.Aachen ist heute das energieeffizienteste nachgemessene Bürogebäude Deutschlands. Es besitzt ein hervorragendes Raumklima, und die Lebenszykluskosten wurden optimiert. Der Erneuerungsaufwand ist gering. Die monatlichen Nebenkosten betragen nur 1,60 Euro je Quadratmeter.
BOB.Rheinallee ist das neueste Objekt des Serienproduktes der BOB efficiency design AG. Dabei sieht sich BOB nicht als alleiniger Macher. Das Projekt versteht sich vielmehr als Netzwerkprodukt, das durch einen Verbund aus rund zehn Firmen und Experten zum Erfolg geführt wird. Innovationen aus ganz unterschiedlichen Bereichen – vom BIM-Management und der Softwareoptimierung bis zur Jalousielamelle – finden ihren direkten Weg ins Produkt.
Digitalisierung und künstliche Intelligenz
BOB will Möglichkeiten der Digitalisierung für einen strukturierten Prozess, für Produktentwicklung, Produktvermarktung, Projektrealisierung und Gebäudebetrieb mit Elementen der künstlichen Intelligenz (KI) nutzen. Dafür nimmt BIM eine Schlüsselstellung ein. BOB.Rheinallee bietet sich als maßgeblicher Schritt in diesem Prozess an.
Neben der Digitalisierung des gesamten Planungsprozesses entwickelt sich parallel ein eigenes Betriebssystem, genannt BOB.i, das als Bedienungssoftware den Nutzern und Betreibern der BOB-Gebäude zur Verfügung steht. In Balanced Office Buildings werden jährlich mehr als 17 Millionen Messdaten erhoben, die für die Kontrolle und Optimierung des Systems eingesetzt werden. In naher Zukunft sollen die Daten aller BOBs in einer Cloud zusammenfließen und durch künstliche Intelligenz einen sich selbst optimierenden Prozess einleiten. Die praktische Nutzung des BIM-Modells im späteren Betrieb mithilfe von Virtual und Augmented Reality ist die logische Folge.
BOB-Open-Space mitKombizone (Bild:BOB AG)
Die Vorteile, die sich für Mieter und Nutzer, aber auch für das Facility Management aus der Digitalisierung ergeben, sind enorm. Steht doch mit BIM plötzlich ein Instrument zur Verfügung, mit dem sich Projektkommunikation auf ganz vielen Ebenen deutlich besser als bisher gestalten lässt.
Für BOB ist BIM daher nicht nur ein optimierendes Planungswerkzeug, sondern vor allem ein Kommunikationsinstrument, das in allen Phasen des Planens, Bauens, Vermarktens und Betreibens allen Beteiligten zur Verfügung steht. Gleichzeitig bietet BIM die Basis für BOB, um die Idee des Serienbürogebäudes effizient und transparent umzusetzen.
Delegierung der Arbeitsaufgaben
BOB.Rheinallee ist ein BIM-Prototyp – der Anfang ist gemacht. Der Bauherr BOB AG stellte sich Fachleute von formitas zur Seite, die durch ihre Erfahrungen die Aufstellung des BIM-Prozesses zügig abwickeln können. Mit klaren Vorgaben aus einem Lastenheft, das in einem gemeinsamen Workshop zum Pflichtenheft für alle Projektteilnehmer weiterentwickelt wurde, entstanden verbindliche Regeln für alle Beteiligten.
Taktung Modellübbergabe (Bild: R.formitas AG)
Da die Verantwortung für den Prozess und die Kommunikation beim BIM-Manager liegt, ist das Thema aus Bauherrensicht grundsätzlich delegiert. Im BOB-Fall geht es darüber hinaus darum, die jetzt gemachten Erfahrungen für das Produkt und den Prozess der fortlaufenden Projekte der Serie zu nutzen. Derzeit entwickelt BOB Projekte in fünf verschiedenen Regionen Deutschlands. Zudem stehen Aufträge für drei Privatbauherren an, die alle in BIM abgewickelt werden. Es liegt auf der Hand, dass beim BOB.Rheinallee besonderes Augenmerk auf die Stimmigkeit und Übertragbarkeit der Prozesse geachtet wird.
Die beteiligten Planungspartner Johannes Schneider/Geirsson Architekten, Kempen Krause Tragwerksplanung und die holländische BOB-Partnerfirma BAB für den Bereich TGA profitieren von der Führung durch das BIM-Management. Auf Arbeitsebene geht die BIM-Gesamtkoordination auf alle problematischen Details ein. Entscheidend ist in dieser frühen Phase, dass die Planungsbeteiligten dasselbe Grundverständnis für das Thema BIM entwickeln. Gelingt das, wie im Falle BOB.Rheinallee, minimieren sich Fehler und Missverständnisse.
Rheinallee dyn-Gebäude-Simulation Bauteile (Bild: BOB AG)
Hierbei ist auch wichtig zu betonen, dass der Schlüssel zum Erfolg vor allem beim Verständnis der Akteure auf der Arbeitsebene liegt. Bei den regelmäßigen Treffen stehen damit nur Problemlösungen auf der Tagesordnung, keine Vertrags- oder Managementthemen. Der Mehrwert wird bereits in der jetzigen Phase des Projekts deutlich. Alle Schnittstellen sind definiert, und durch die BIM-Gesamtkoordination liegen neue Schwierigkeiten alle vierzehn Tage auf dem Tisch (Abbildung 1 und 2). Dies kommt besonders bei den üblichen Problemen der Schlitz- und Durchbruchplanung zum Tragen.
BIM-Modell überdauert Gebäudenutzung
Eine hohe Transparenz bei der Kollisionsprüfung führt zu einem deutlich kooperativeren Miteinander der Planungspartner, als das bei nicht BIM-gesteuerten Projekten der Fall ist. Aus der Bauherrenperspektive erwartet die BOB AG daher eine hohe Quote bei der Fehlervermeidung. Dies wird vor allem helfen, Umplanungen und damit Nachträge zu minimieren. Zudem erhofft sich der Bauherr erheblich positive Auswirkungen auf den späteren Betrieb von BOB.Rheinallee.
Die formitas AG steht für eine Symbiose aus Form und IT. Das Unternehmen setzt sich mit der Digitalisierung der gebauten Umwelt auseinander und richtet den Fokus auf die BIM-Methode. BOB und formitas kamen durch die räumliche Nähe schnell in Gespräche über eine mögliche Zusammenarbeit. Die Vorteile lagen auf der Hand: höchste Transparenz während der Planungs- und Bauphase von BOB und Nutzung des BIM-Modells während des gesamten Betriebs. Sogar nach dem möglichen Abriss stünde es als archiviertes und voll funktionsfähiges virtuelles Gebäude zur Verfügung.
Bereits in der Vorplanungsphase von BOB.Rheinalle waren alle Beteiligten Willens, das Projekt in der BIM-Methode durchzuführen. Die Leistungen teilten sich in die fünf BIM-Projektstufen: Analyse, Abwicklungsplanung, Ausführung, Projektabschluss und Integration.
In der BIM-Analyse ging es darum, die Niveaus aller Beteiligten zu verstehen, um die richtigen Anforderungen im Projekt zu stellen. In vielen Gesprächen entstand das nötige Vertrauen zwischen allen Beteiligten.
Rheinallee dyn-Gebäude-Simulation Raumklassen (Bild: BOB AG)
Architekt und TGA-Planer nutzten die Software Autodesk Revit, der Planer in Verbindung mit dem TGA-Add-on StabiCAD. Auch der Tragwerksplaner konnte auf Projekterfahrungen mit dem BIM-Programm und die zugehörige Arbeitsmethodik zurückblicken.
Abwicklungsplanung und Lastenheft
formitas kam die Rolle zu, die durch Kollaboration entstehenden Potentiale zu benennen und auszuschöpfen. Dafür musste sich jedoch vorerst in der Phase BIM-Abwicklungsplanung eine digitale Projektabwicklungsstrategie finden. Es galt, entsprechende BIM-Ziele zu definieren:
Erhöhung der Informationsverfügbarkeit für BOB-Entscheidungen
Erhöhung der Planungssicherheit
Reduktion doppelter Datenhaltung
Kollisionsfreiheit der Ausführungsmodelle
Erhöhung der Marketingnutzbarkeit der Planungsmodelle
Reduktion des Aufwands für die Gebäudeinbetriebnahme
Um diese Ziele zu erreichen, wurden umzusetzende BIM-Anwendungsfälle ausgewählt. Da es sich um das Pilotprojekt handelte, konzentrierte sich formitas auf Basis-Anwendungsfälle, objektorientierte Modellierung der Architektur, TGA- und Tragwerksplanung sowie Kollisionsprüfung, ohne die Möglichkeit der BIM-basierten Kommunikation wie Virtual oder Augmented Reality als spätere Anwendungen auszuschließen.
Die Erstellung des Lastenhefts (Auftraggeber-Informationsanforderungen, AIA) und des Pflichtenhefts (BIM-Abwicklungsplan, BAP) waren die nächsten Schritte. Diese Dokumente sind einerseits für die Vertragsgestaltung relevant, andererseits dienen sie als BIM-Handbuch für die Projektbeteiligten. Auch werden darin die Leistungen der Akteure und die Gestaltung der Anforderungen an die BIM-Anwendungsfälle deutlich. So stellt formitas für BOB.Rheinallee den BIM-Manager, und jeder weitere Projektbeteiligte legt einen eigenen BIM-Koordinator fest. Letztere werden sich mit den digitalen Arbeitsprozessen in den Unternehmen befassen und zugehörige Datenflüsse mit dem BIM-Manager im Projekt abstimmen.
Schnittstellen (Bild: R. formitas AG)
Als weitere Vorgabe wäre zunächst die gemeinsame internetbasierte Datenumgebung zu nennen. Sie ist eine Art Cloud, in der alle Fachmodelle ihren Platz finden. In diesem Projekt wird die Cloud con-ject.pm verwendet und von formitas administriert. Der Datenraum ist für alle bindend. Entsprechende Nutzerzugänge, Rollen und Rechte müssen Beachtung finden.
IFC, BCF, RVT, NWD
Architekten, TGA und Tragwerksplaner arbeiten künftig in eigenen Fachmodellen. Damit das Zusammenfügen der drei Planungsteile reibungslos funktioniert, gibt es auch einige terminliche, technische und inhaltliche Anforderungen, an die sich alle Modellierer halten müssen. Für diese Festlegungen diente ein BIM-Kick Off-Workshop, in dessen Rahmen auch der Workflow entstand.
Terminlich ist BOB.Rheinallee auf eine zweiwöchentliche Modellübergabe ausgelegt. Das bedeutet, dass alle BIM-Koordinatoren jeden zweiten Dienstag bis 18 Uhr ihre Fachmodelle auf die gemeinsame Datenumgebung hochladen sollen. Hier können sie den Fortschritt der anderen Fachplaner vergleichen. Der BIM-Manager führt mit den aktuellen Modellen eine Kollisionsprüfung durch. Diese Ergebnisse werden dann jeweils donnerstags besprochen.
Alle Fachplaner müssen in Autodesk Revit, Version 2017.2, arbeiten. Als Austauschform werden sowohl die OpenBIM-Formate IFC und BCF als auch die closedBIM-Lösungen RVT und NWD verwendet. Beides ist wichtig, da nicht ein einziges Datenformat jede weitere Software bedienen kann. So geschieht eine Kollisionsprüfung zwar mit den Autodesk-Format NWD, aber eine Visualisierung auf der Baustelle funktioniert damit nicht. Zusätzlich sind die Modelle immer gleich und ohne Datum zu benennen, damit sie von der Software erkannt werden.
Inhaltlich wurden verschiedene Level of Development (LoD) definiert. Das LoD ist eine übergeordnete Messgröße, die den Entwicklungsgrad und die Verlässlichkeit geometrischer und semantischer Informationen in den Fachmodellen beschreibt. Geometrische Informationen werden mit dem Level of Geometry (LoG) und semantische mit Level of Information (LoI) beschrieben. Es sollten z. B. bis zum Ende der Leistungsphase 3 (HOAI) unter Beachtung der Modellierungsregeln nur die Außenkonturen von Bedeutung sein. Erst zum Ende der Leistungsphase 5 sind die genauen Schichtenaufbauten zu modellieren.
Ausblick
Letztlich ist all dies ein kleiner Ausschnitt einer individuellen BIM-Projektstrategie. Diese bildet die Basis für die spätere Planung. Inwiefern die im Kick Off-Workshop erarbeitete Richtung eingehalten wird und welche Auswirkungen sich im Projekt ergeben, wird in Teil 2 untersucht.