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14.05.2020 | Tina Schrader, Jens Wagner

Die Querdenker

Start-ups im Baugewerbe

Der Zeppelin-Konzern betreibt in Berlin das Zukunftslabor Z LAB. Hier wird an der Digitalisierung der Baubranche gearbeitet – ohne Gewinnvorgaben der Konzernmutter.

Innovationslabor, Ideenschmiede, Start-up – oder Z LAB. Die Zeppelin Lab GmbH ist aus dem Zeppelin-Konzern heraus entstanden mit der Idee, die Digitalisierung am Bau neu zu denken und Lösungen zu entwickeln, die Bauunternehmen den Sprung ins digitale Zeitalter erleichtern. Vier Produkte sind bislang am Markt verfügbar.

Das Z LAB wurde 2016 in der deutschen Start-up-Hauptstadt Berlin ins Leben gerufen und inhaltlich und geographisch unabhängig vom Umfeld des Zeppelin-Konzerns in Garching aufgestellt. Ein bewusster Schritt, verbunden mit dem Ziel, sich stärker und ohne Vorbehalte mit anderen Akteuren der Branche sowie der Konkurrenz aus bestehenden Geschäftsbereichen zu vernetzen. Auf dem neuen Feld der Digitalisierung will man die Baustelle der Zukunft gemeinsam effizienter, vernetzter und automatisierter gestalten.

Unterwegs in zwei Welten

Für den CEO Wolfgang Hahnenberg ist das Z LAB „die Einheit, in der wir Ventures unabhängig von unserem Kerngeschäft frei und disruptiv entwickeln können.“ Hahnenberg ist in beiden Welten zuhause – im Zeppelin Konzern ist er als Chief Digital Officer verantwortlich für die seit 1. Januar 2020 neu entstandene Einheit „Zeppelin Digit“, wozu das Z LAB zählt. Für das Z LAB fungiert er als CEO. Er sieht sich in der Rolle des Vermittlers, des „Übersetzers“, der die funktionalen Dinge in beide Welten trägt. Ihm ist es wichtig, dass die Z LAB-Mitarbeiter autonom und frei von Zwängen Ideen entwickeln und daraus im besten Fall erfolgreiche Geschäftsmodelle initiieren und umsetzen. Hahnenberg: „Im Z LAB gibt es die Freiheit, Dinge quer zu denken, ohne großen Masterplan oder den Zwang, gleich zu Anfang einen mehrjährigen Businessplan aufzustellen.“

Wie frei und autonom ist das Z LAB?

Die Zeppelin Lab GmbH ist unabhängig, mit Ausnahme der Compliance-Richtlinien, an die sich auch die Kollegen in Berlin halten müssen. Und sie kann unabhängig agieren – solange sie im Budgetrahmen bleibt. Hahnenberg sieht Zeppelin selbst in der Rolle des Investors, der das Budget zur Verfügung stellt. Ins Inhaltliche mische man sich nicht ein. Der CEO betont, dass es keinerlei Einfluss darauf gibt, wie sich die Teams zusammensetzen, welche Ideen verfolgt werden und wie an den Produkten gearbeitet wird.

Doch welche Erwartungen stellt der Konzern an sein Start-up in Berlin? Das Z LAB selbst ist als Unternehmen eine Non-Profit-Organisation. Das heißt aber nicht, dass der Konzern nicht am langfristigen wirtschaftlichen Erfolg interessiert ist. Die Geschäftsmodelle, die im Z LAB entstehen und sich am Markt behaupten, sollen natürlich rentabel sein.

Die Besonderheit aber – mit der eigenen Konzernmutter als Investor im Rücken – besteht darin, dass ein mögliches Scheitern nicht verpönt ist. Im Gegenteil: Man ist sich in Garching durchaus bewusst, dass nicht jede gute Idee in der Anwendung erfolgreich ist. Wolfgang Hahnenberg: „Da gibt es keinen schiefen Blick von der Art ‚Guck mal, da ist ein Venture gescheitert.‘“

Wenn absehbar ist, dass sich ein Venture doch nicht etablieren kann, wird es aufgegeben. „Wir halten dann nicht jahrelang daran fest“, so der CEO. Aktuell gibt es im Ideenspeicher rund 30 Ideen. Doch wie gelingt es, aus diesem Pool an Ideen diejenigen herauszufiltern, bei denen es sich lohnt, dranzubleiben?

Kreative Köpfe an der Tischtennisplatte?

Lichtdurchflutete Räume, junge Leute mit Hipster-Bart und Tattoos, die sich über den Schreibtisch hinweg Ideen wie Bälle zuwerfen, zwischendurch an der Tischtennisplatte abhängen und einen gesunden Smoothie in der Gemeinschaftsküche zubereiten? Das Stereotyp vom klassischen Start-up trifft auf das Z LAB nur bedingt zu.
Zwar arbeiten hier viele junge Leute verschiedener Nationalitäten und mit unterschiedlichsten fachlichen Hintergründen – von BWL über IT bis zur Stadtplanung –, und auch die Tischtennisplatte und den Smoothie gibt es. Doch abgesehen davon unterliegt der Prozess eines Produktes bis zur Marktreife laut COO Tomas Zelic einem streng reglementierten Auswahlprozess. Mitarbeiter, die eine Idee haben und an dieser arbeiten wollen, müssen in mehreren Pitches gegenüber der Geschäftsführung dafür werben. Können sie überzeugen, werden ihnen Budget und Unterstützung gewährt.

Von der Idee bis zur Marktreife

Bis eine Idee zum Venture reift oder gar zur Geschäftsgründung gelangt, sind mehrere Hürden zu nehmen:

  • Am Anfang steht die Idee. Der Impuls dazu erfolgt meist auf der Baustelle, wo Mitarbeiter vom Z LAB dem Anwender über die Schulter schauen.
  • Pitch vor der Geschäftsleitung: Ist dieser erfolgreich, erhält ein initiales Kernteam, bestehend aus einem Business Owner, zuständig für die Geschäftsmodellentwicklung, und einem Product Owner, verantwortlich für die Produktentwicklung, ein Budget für drei Monate und personelle Unterstützung.
  • Das Team prüft die aufgestellten Hypothesen, die Mitarbeiter führen Interviews auf der Baustelle und erkunden, wie eine digitale Lösung aussehen könnte.
  • Das Team stellt in einem weiteren Pitch Ergebnisse vor.

Ergebnis negativ: Es sieht anders aus als gedacht. Das Projekt wird dokumentiert und archiviert. Die gewonnenen Erkenntnisse und Lerneffekte werden analysiert und mit anderen Teams im Lab geteilt.

Hypothesen haben sich bewahrheitet: In den nächsten drei bis sechs Monaten wird ein Prototyp, also eine technisch-funktionale Rohfassung einer digitalen Lösung, z. B. einer App, entwickelt.

  • Testphase. Der Prototyp muss sich in der Praxis auf der Baustelle bewähren. Darüber hinaus wird z. B. überprüft, ob eine Zahlungsbereitschaft bei potenziellen Kunden vorhanden ist.
  •  In weiteren Pitches und Entwicklungsphasen muss sich das Team von der Geschäftsleitung und weiteren kritischen Beobachtern an den für jede Phase selbst gesetzten Zielen messen lassen.
  •  Praxistest: Hat das Venture alle Entwicklungsschleifen erfolgreich durchlaufen und das Team in der praktischen Anwendung beim Kunden nachgewiesen, dass die Produktqualität stimmt, das Preismodell funktioniert, der Businessplan tragfähig ist und alle rechtlichen Aspekte geklärt sind, dann ist das Produkt reif für den Markt.
  • Am Abschluss des Start-up-Entwicklungsprozesses im Z LAB steht immer die Skalierungsentscheidung, d. h., die Entscheidung, das Projekt als eigenständiges Unternehmen auszugründen.

COO Tomas Zelic betont: „In Zukunft wollen wir Mitarbeiter zum Mitunternehmer machen. Sie sollen die Möglichkeit haben, Anteile zu erwerben.“ Zelic kann sich ein Szenario gut vorstellen, in dem Zeppelin vielleicht nur noch 20 Prozent der Anteile hält und sich andere geeignete Investoren finden.

Ab in den Venture-Friedhof oder bereit für die Gründung?

Nicht alle Ideen im Z LAB erweisen sich als marktfähig. maschinator ist ein Beispiel dafür, dass man sich auch entscheiden kann, ein Produkt nicht weiterzuentwickeln, obwohl es durchaus Bedarf dafür gibt. Über die Plattform konnte man Maschinenführer finden und buchen. Es hatten sich bereits 100 Fahrer registriert, und auch unter den Bauunternehmen gab es großes Interesse an dieser Art des Matchmaking. Doch letztendlich hielt man das Risiko für zu groß, da offene Fragen in Bezug auf eine Scheinselbstständigkeit und die Sozialversicherungspflicht nicht geklärt werden konnten.

Stand Mai 2020 gibt es vier Ideen, die sich im Z LAB zum Produkt entwickelt haben:

Das B2B-Mietportal klickrent war das erste Venture, das sich erfolgreich behauptete. Über die Web-Plattform finden Geschäftskunden vom Kran über den Bagger bis hin zur Rüttelplatte schnell die gewünschte Technik und können sie nach Bedarf mieten. klickrent vereint die Vorzüge digitaler Technik mit dem Kundenbedürfnis nach persönlicher Beratung.

Mit zamics kann ein Bauunternehmen seinen gesamten Geräte- und Maschinenpark verwalten und nachverfolgen, wo welches Arbeitsmittel im Einsatz ist. Die Maschine selbst gibt dabei Auskunft über ihren Standort via Bluetooth. Aktuell wird die Internet-der-Dinge-Anwendung bei fünf Testkunden erprobt.

klickcheck wiederum ist eine SAAS-Lösung (Software-as-a-Service), mit der sich der Zustand von Baugeräten dokumentieren lässt. Ziel ist insbesondere die saubere Dokumentation von Vor- und Neuschäden an Mietequipment, um Transparenz für alle Prozessbeteiligten zu schaffen und die Schadenregulierung deutlich zu erleichtern. Das Venture hat mittlerweile über 30 Kunden.

Eine disruptive Lösung im Zeitraffer

Die Idee für das neueste Produkt, das im Moment vor dem Sprung zur Marktreife steht, entstand in rund sechs Monaten. akii, ein intelligentes digitales Schließsystem für Baucontainer und Bautüren, muss nur noch den Praxistest bestehen.

Die Idee dafür geht auf ein Ärgernis zurück: Man stand mehr als einmal vor verschlossener Tür, wenn man eine Baustelle besuchte. War der Bauleiter da, begann häufig die Suche nach dem passenden Schlüssel. Meist gibt es für den Container, der als Baubüro dient, nur zwei oder drei Stück, aber viel mehr Personen, die Zutritt haben sollten.

So entstand die Idee, ein intelligentes Schlüsselmanagement zu entwickeln. Das Smartphone hat heute quasi jeder Mensch griffbereit. Mit der akii-App auf dem Smartphone kann der Nutzer einem bestimmten Personenkreis den Zugang erlauben, und das sogar zeitlich befristet. Soll ein Fahrer zum Beispiel ein Gerät im Baucontainer abholen, kann er zwei Stunden lang die Berechtigung erhalten, mit Hilfe der App den Container zu öffnen. Der Bauleiter braucht für die Freigabe nur die Handynummer des Fahrers.

Die Besonderheit: Das Rollen- und Rechtemanagement liegt nicht bei einer Person, wie beispielsweise einem Mitarbeiter des Containervermieters, sondern beim Bauunternehmen und seinen Nachunternehmern selbst. COO Zelic bezeichnet akii als Beispiel für eine echte disruptive Lösung, da sie herkömmliche Schlüssel überflüssig macht und zugleich eine dezentrale Selbstverwaltung der Zugänge ermöglicht, ohne dass dafür zentrale Verwaltungsressourcen vorgehalten werden müssen. Was natürlich benötigt wird, ist ein elektronisches Schloss.

Nun steht der nächste Meilenstein an. klickrent und klickcheck gehen als erste im Z LAB zur Marktreife entwickelte Ventures den Schritt in die Skalierung. Sie werden als eigenständige Lösungen, aber mit dem gemeinsamen Fokus auf die Mietbranche, weiter betrieben und unter dem Dach einer GmbH & Co. KG zusammengelegt. Auch ein passender Name ist bereits gefunden, soll aber erst zur Ausgründung kommuniziert werden. Ansonsten steht der Gründung als Firma im Jahr 2020 nichts mehr im Wege.

Vorreiter in Sachen Digitalisierung

Mit seinen Initiativen und Einladungen zum Ideenaustausch, zum Beispiel im sogenannten Meetup-Format oder auch im Rahmen eines jährlichen Satellite Events zum großen Berliner Technologiefestival Tech Open Air, setzt das Z LAB auch außerhalb der Baubranche Impulse. Zudem ist es ein gefragter Ansprechpartner für große Unternehmen, wenn es um Fragen der Digitalisierung am Bau sowie der Gestaltung eines erfolgreichen Corporate Incubators geht. Hahnenberg sieht es als großen ideellen Mehrwert an, dass sich das Start-up den Ruf erarbeitet hat, die Digitalisierung mit Fokus auf eine ganze Branche und auch über deren klassische Grenzen hinaus voranzutreiben.

Wo die Reise hingeht: Vom Inkubator zum Investor

Das Z LAB sieht in Zukunft drei Hauptaufgaben für sich. Es will wie bisher als Inkubator fungieren, also ein Ort sein, an dem aus Ideen digitale Geschäftsmodelle werden. Für die geplante Ausgründung, die 2020 ansteht, wird Zeppelin vorerst Mitinhaber bleiben.

Zum zweiten sieht sich das Z LAB als Innovationslabor, in dem die Mitarbeiter moderne Technologien analysieren und prüfen, inwiefern durch deren Einsatz bestehende Prozesse verbessert werden können. Der Open Innovation Hub ist quasi als technische Spielwiese gedacht, in der völlig ergebnisoffen experimentiert werden darf und soll.

Als drittes möchte das Z LAB in Zukunft vermehrt in fremde Start-ups investieren. Tomas Zelic: „Wir wollen in Zukunft aktiv als Investor auftreten und Start-ups Raum geben, um zu wachsen – in mehr als nur einem Sinne.“

Der COO betont, dass man sich primär als Transformator versteht. Ziel sei es, den heutigen analogen und oft umständlichen Prozessen auf den Grund zu gehen, das digitale Verbesserungspotenzial zu erkennen und Lösungen zu entwickeln, die die Bauindustrie ins digitale Zeitalter begleiten. Im besten Fall erzielt man eine Sogwirkung, die auch weit in den Mittelstand und in kleinere Unternehmen hinein wirkt und die Baustelle 4.0 schneller zur Realität werden lässt.

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© Z LAB
Autoren

Tina Schrader arbeitet seit der ersten Stunde im Marketing & Communications Team der Zeppelin Lab GmbH und trägt insbesondere die Verantwortung für die Bereiche CRM und Online-Kommunikation. Vorher arbeitete sie mehrere Jahre im Produktmarketingunterschiedlichster
Branchen.


Jens Wagner ist seit August 2019 Senior Editor im Marketing & Communications Team bei Zeppelin Lab GmbH und dort insbesondere für die Entwicklung und Umsetzung von Content-Formaten verantwortlich. Zuvor arbeitete er als Redakteur, Autor und Pressesprecher für verschiedene Fernsehsender und Organisationen. z-lab.com

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