16.11.2021 |
Britt Bergholter, Sonja Eberhard, Andreas Moring, Martin Hutzler
Mit Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V. erstellte die Jury einen differenzierten Kriterienkatalog, der Lösungen für eine CO2-Reduzierung insbesondere durch den Einsatz von BIM abfragte. Über 50 Unternehmen und Institutionen bewarben sich in den vier Kategorien: Projektentwicklung & Planen, Bauen, Betreiben sowie lebenszyklusübergreifende Leistungen. Die vier Gewinner wurden per Online-Voting durch das Publikum ermittelt. Hier werden die prämierten Projekte der Sieger vorgestellt.

Das Null-Emissionsgebäude HafenCity Hamburg
Der aktuelle politische und gesellschaftliche Weg zur Umsetzung der international und national vereinbarten Ziele zur CO2-Reduktion kann nur erfolgreich sein, wenn neben Mobilität und Industrie auch in der Baubranche grundlegende Weichen für die nahe Zukunft gestellt werden. Die HafenCity Hamburg GmbH plant in diesem Kontext die Realisierung ihres neuen Bürogebäudes mit circa 7.200 Quadratmeter Bruttogrundfläche am Standort Dalmannkai als „Null Emissionsbürogebäude“, das in der Gesamtbilanz aus Errichtung, Betrieb und Rückbau CO2-neutral wird. Mit dem ambitionierten Nachhaltigkeitskonzept nimmt das Gebäude europaweit eine Vorreiterrolle ein und soll auch für künftige Grundstücksentwicklungen – nicht nur in der HafenCity – ein maßstabsetzendes Vorbild sein.
Nachhaltigkeit entsteht im interdisziplinären Team
Nachhaltigkeit entsteht im Team – das ist die zentrale Erkenntnis aus dem Planungsprozess für das Null-Emissionsbürogebäude. Das Ziel der Emissionsneutralität in der Gesamtbilanz aus Errichtung, Betrieb und Rückbau kann nur durch eine integrale Planung von Beginn an erreicht werden. Bereits der Realisierungswettbewerb wurde daher interdisziplinär angelegt.
Der Siegerentwurf vereint den konstruktiven und gestalterischen Einsatz des nachwachsenden Baustoffs Holz mit einem innovativen Low-Tech Versorgungskonzept. Dieses erzielt einerseits eine hohe Eigenenergieerzeugung durch Photovoltaikmodule und minimiert andererseits den Energiebedarf durch eine konsequente Reduktion und Vermeidung technischer Anlagen sowie den Einsatz von Geothermie für Heizung und Kühlung. Die großflächige Fassaden- und Dachbegrünung leistet einen wichtigen Beitrag zum Mikroklima und bietet eine hohe Qualität für den städtischen Raum.
BIM als Erfolgsfaktor integraler Planung
Die fortlaufende Überprüfung der Nachhaltigkeitsziele wird durch die zentrale und einheitlich aktuelle Bereitstellung der Informationen im gemeinsamen BIM-Modell disziplinübergreifend ermöglicht. Über die klassischen Anwendungsfälle der BIM-Planung und Koordination hinaus wird das Modell im Sinne der Nachhaltigkeitsziele vielfältig nutzbar gemacht. Die CO2-Bilanz der Konstruktion wird planungsbegleitend BIM-integriert umgesetzt. Die bauteilspezifische Materialzuordnung erfolgt mit Daten aus der vom BBSR zur Verfügung gestellten ÖKOBAUDAT, die punktuell durch produktspezifische Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs) ergänzt werden.
Zur Erstellung der spezifischen Energiebilanz des Gebäudes wurden modellbasierte Simulationen durchgeführt. Diese dienen zur möglichst genauen Abbildung der Nutzenergiebedarfe für das Heizen und Kühlen sowie zur Bestimmung der durch die PV-Anlagen (Dach und Fassade) zu erwartenden Stromerträge. Dabei können durch Nutzung des BIM-Modells u. a. Ausrichtung, Eigenschaften der Gebäudehülle und Verschattung durch Nachbargebäude berücksichtigt werden. Durch den Nachweis einer 3D-Brandsimulation, die auf dem gemeinsamen BIM-Modell basiert, kann auf teils aufwändige Maßnahmen mit hohem Energie- und Materialaufwand verzichtet werden.

Willkommen in der Zukunft/BIM & digitales Bauen
BIM im kommunalen Tief- und Straßenbau (K-VTB) stellt in erster Linie eine völlig neue Form der Baukultur dar, deren Herzstück das Miteinander, die Kommunikation, der Austausch und die Transparenz zwischen allen Prozessbeteiligten ist. Doch wie lässt sich das „Big Picture“ dieser BIM-Idee auf seine wichtigsten Puzzlesteine runterbrechen? Welche konkreten Umsetzungsmöglichkeiten und Voraussetzungen gibt es im Hinblick auf die Besonderheiten des kommunalen Verkehrswege- und Tiefbaus bereits? Und wie lassen sich diese anschaulich und praxisnah einem breiten Fachpublikum vermitteln?
Diese und ähnliche Fragen waren Ausgangspunkt des von der MTS-Akademie entwickelten hybriden Veranstaltungskonzepts „BIM in der Praxis“, in dessen Zentrum ein 13 Stationen zählender BIM-Parcours auf einem rund 7.000 Quadratmeter großen Live-Demo-Baufeld stand.
Die in moderierte Kleingruppen aufgeteilten Teilnehmer rotierten im 20-Minuten-Takt entlang der 13 Parcours-Stationen und hatten so ausführlich Gelegenheit, sich ihr ganz persönliches Bild von den Möglichkeiten modellbasierten Bauens zu machen. Für alle, die vor Ort nicht dabei sein konnten, flankierte MTS die Veranstaltung im Schwäbischen Hayingen durch einen moderierten Live-Stream im Internet.
BIM veranschaulicht an einem realen Parcours auf Live-Demo-Baufeld
An den ersten Stationen wurden zunächst BIM-spezifische Begriffe wie AIA, BAP, BIM-User, BIM-Autor „as-planned“ vorgestellt und anhand von Beispielen ausführlich erläutert. An den folgenden Stationen ging es um die konkrete Umsetzung von BIM in der Praxis. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der Vernetzung der Daten des digitalen Geländemodells mit den tatsächlichen Gegebenheiten auf der Baustelle. Schließlich ist im Laufe des Projektgeschehens eine immer größer werdende Menge an Informationen zu sammeln, zu verwalten und allen Prozessbeteiligten in zielführender Weise zugänglich zu machen. Dabei wird jeder Prozessbeteiligte abwechselnd zum Nutzer und Autor des zugrundeliegenden Bauwerkmodells. Bis schließlich der Auftraggeber als letzter Nutzer im BIM-Zirkel im Ergebnis nicht mehr nur wie bisher ein Stück Straße oder Infrastruktur erhält, sondern auch ein Bauwerksmodell mit sämtlichen Informationen, also echtes „Datengold“ für den folgenden Zirkel der Bewirtschaftung und Unterhaltung des Bauwerks.
Um allen Prozessbeteiligten den mit dem Leistungsschau-Parcours veranschaulichten Weg zu ebnen, entwickelte MTS eine bislang einmalige und in ihrem Grundmodul BIM Basic durch buildingSMART und VDI sowie IHK zertifizierte Weiterbildung zum „BIM-Baustellen-Manager für kommunalen Verkehrswege- und Tiefbau“. Die darauf aufbauende nebenberufliche Qualifizierungsmaßnahme BIM Professional vermittelt ihren Teilnehmern im Rahmen von 10 Monaten das nötige Expertenwissen, um BIM-Prozesse zu verstehen und im eigenen Unternehmen erfolgreich anleiten und umsetzen zu können.
Wer nach Plan baut, kann nach Plan abrechnen
Die Vorteile des vorgestellten Gesamtpakets: Der Mehraufwand für die digitale Planung lässt sich hinten raus in der digitalen Bauausführung einsparen und für künftige Bauprozesse nutzen. BIM sorgt so auch für mehr Rechtssicherheit: Denn wer erst plant und dann baut, streitet am Ende weniger. Hinzu kommen Vorteile, wie beispielsweise bei der Abrechnung: Wer nach Plan baut, kann nach Plan abrechnen. Davon profitieren unterm Strich alle Prozessbeteiligte. Last but not least stellt BIM gleichzeitig auch eine echte Steilvorlage für die Rekrutierung von Nachwuchskräften dar.


KI und Machine Learning Prinzip: Federated Learning
Die Immobilienwirtschaft ist von Datensilos und Einzelfällen geprägt. Dadurch kommt man nur schwer auf eine kritische Masse, um aus Daten echten Nutzen – also Wissen – zu ziehen. In der Immobilienbranche kommt noch dazu, dass (fast) jedes Gebäude ein Unikat ist und sozusagen ein Eigenleben führt. Alle Daten werden in erster Linie im und für das einzelne Objekt gesammelt und genutzt. Die Folgen: Genannte Datensilos, weitgehend singuläre Analytics, keine Vernetzung und Synergieeffekte in digitalen Anwendungen und zu geringe Datenmengen für sinnvolle KI- Anwendungen. Hinzu kommen noch Datenschutzvorschriften, die allerdings auch für andere Branchen und Unternehmen gelten. Es ist also verständlich, dass in der Branche zwar gerne die Kooperation beschworen wird, das Offenlegen, Teilen und gemeinsame Nutzen von Daten aus Sicht der einzelnen Unternehmen aber keinen Sinn machen oder sogar als gefährlich eigeschätzt werden.
Alle diese genannten Gründe tragen dazu bei, dass es aktuell weder technische Lösungen noch wirtschaftlich sinnvolle Szenarien für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Machine Learning im Immobiliensektor gibt. Denn Machine Learning braucht ein zentralisiertes Training von Modellen auf Basis gesammelter und zentral gespeicherter Daten. Es funktioniert nach dem Motto: Bringe die Daten zum lernenden KI-System. Ein neues KI und Machine Learning Prinzip mit dem Namen Federated Learning wählt nun einen anderen Ansatz und kann damit die Probleme lösen. Es funktioniert nach dem Motto: Bringe das lernende KI-System zu den Daten. Das bedeutet, dass das Prinzip der Datenauswertung und der Analyse des KI-Systems auf die Server oder Endgeräte gespielt wird, auf denen sich die relevanten Daten befinden. Das Training von KI-Modellen passiert also auf dem Geräte-Bestand durch sogenanntes aggregiertes Lernen.
„Share the knowledge, not the data!“
Die Vorteile dabei liegen klar auf der Hand: Es gibt weiter eine lokale Datenspeicherung und keine zentrale Sammlung, niemand muss seine Daten mit anderen teilen oder offenlegen. Es besteht garantierter Datenschutz, da die Daten die Server oder Geräte nicht verlassen und beim Zusammensetzen des Puzzles anonymisiert sind. Die KI interessiert nur die Masse und die Qualität der Daten, nicht woher sie kommen oder wem sie gehören. Gleichzeitig haben alle Parteien, die am Federated Learning teilnehmen, einen gesicherten Zugriff auf die Erkenntnisse aus den Datenbeständen und können diese, wie auch die trainierte KI, für eigene Zwecke nutzen.
Und dafür brauchen die Partner, also die Unternehmen, auch keine neue Infrastruktur; die eigene vorhandene IT- und Datenlandschaft ist völlig ausreichend. Das Motto lautet hier also „Share the knowledge, not the data!“
Mit dem Federated Learning Ansatz bleiben die eigenen Daten der Unternehmen weiterhin exklusiv. Gleichzeitig kommen ausreichend Datenmengen zusammen und eine ausreichende Datenqualität, die KI und Machine Learning Lösungen und Anwendungen für Planung, Bau und Betrieb in einem angemessenen Verhältnis¬ von Aufwand und Ertrag möglich macht – auch für umweltgerechte Maßnahmen.

BIM in der 6. Dimension: So wird Graue Energie sichtbar
Der Generalplaner SEHLHOFF hat als Spezialist in den Bereichen Innovation und Nachhaltigkeit ein Berechnungstool entwickelt, das die Graue Energie von Bauwerken sichtbar macht – den GREENi (Graue Energie Indikator). Mit dem Begriff „Graue Energie“ ist die Energie gemeint, die bei der Herstellung, beim Transport, der Lagerung, dem Verkauf und bei der Entsorgung von Produkten, Baustoffen oder ganzen Gebäuden aufgewendet werden muss. Das bedeutet, dass sich hinter jedem Objekt Graue Energie versteckt. Die Graue Energie eines Gebäudes ist teilweise sogar höher als der Bedarf an Heizenergie bei jahrzehntelanger Nutzung.
Durch den GREENi ist SEHLHOFF in der Lage, den anfallenden CO2- und Schadstoffausstoß sowie den Bedarf an Grauer Energie effizient und passgenau zu bestimmen. Die Berechnungen basieren auf dem 3D-Modell (BIM-Modell) im herstellerneutralen IFC-Format (Open BIM). GREENi nutzt die vorhande¬nen digitalen Planungsdaten, um automatisiert folgende Umweltauswirkungen zu ermitteln:
- Treibhauspotential (CO2)
- Ozonbildungspotential (Ethen)
- Versauerungspotential (SO2)
- Überdüngungspotential (Phosphat)
- Gesamtprimärenergiebedarf
- Erneuerbarer Primärenergiebedarf
- Nicht-erneuerbarer Primärenergie¬bedarf
Graue Energie ist oft höher als der Bedarf an Heizenergie
GREENi liefert dadurch die notwendigen Informationen, um die Nachhaltigkeit von Bauwerken bereits in der frühen Planungsphase zu bewerten und bei Bedarf zu optimieren. Er stellt somit eine Erweiterung der bisherigen BIM-Anwendungen hin zu einer Lebenszyklus-Betrachtung dar, der sogenannten 6. Dimension bei der BIM-Planung. So werden Planungsteams bestens unterstützt, um individuell auf die Bedürfnisse von Kunden einzugehen und verstärkt die Umwelteinflüsse transparent zu machen. Dabei geht es nicht nur um
Materialauswahl, sondern vielmehr um integrale Planung, die das gesamte Objekt und Nutzung betreffen.
Die Anwendungen sind vielschichtig, von der Bestandsbewertung (Umweltauswirkungen beim Rückbau) bis zur Bewertung und Optimierung bei baulichen Maßnahmen. Mit GREENi hat SEHLHOFF den Nachweis erbracht, dass eine Sanierung im Vergleich zu Abriss und (gleichwertigen) Neubau bei einer Umnutzung 79 Prozent CO2 einspart.
