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13.05.2020 | Jürgen Winkler

„Der Bund nimmt eine Vorbildrolle ein“

Interview zu BIM Deutschland und dem BIM-Portal

Wo steht Deutschland beim Thema BIM – und wofür braucht es BIM Deutschland? Interview mit Dr. Jan Tulke, Geschäftsführer der planen-bauen 4.0 GmbH und der Initiative BIM Deutschland.

Der Stufenplan Digitales Planen und Bauen war bei seiner Verkündung 2015 mit großen Erwartungen verknüpft. Hat er die Erwartungen erfüllt?

Der Stufenplan war der erste Aufschlag zur Digitalisierung der Bauwirtschaft. Der Zeithorizont bis Ende 2020 bedeutete: Ab diesem Zeitpunkt sollen digitale Methoden wie z. B. BIM in der Breite genutzt werden – bereiten Sie sich darauf vor. Bis dahin sammeln wir Erfahrungen mit Pilotprojekten, wir schaffen erste Handreichungen und klären Rechtsfragen zu Themen wie HOAI und Vergaberecht.

Das wurde in den vergangenen vier Jahren angeschoben. Die Pilotprojekte haben gezeigt, dass die neuen digitalen Methoden bereits praxistauglich sind und dass sie einen Mehrwert bringen. Vielleicht nicht immer gleich im ersten Projekt, weil die Einführung der digitalen Methoden in Teilen eine Umstellung der gewohnten Abläufe bedeutet. Aber diejenigen, die in den Teams der Pilotprojekte arbeiteten, sahen nicht nur langfristig einen Mehrwert.

Beispielsweise stand die Nutzung von BIM bei der Deutschen Bahn zunächst unter Finanzierungsvorbehalt, bis der Mehrwehrt nachgewiesen wurde. An den 13 vom Bund geförderten Pilotprojekten der Bahn wurde das genauer untersucht. Der nachgewiesene Mehrwert führte schließlich zur Aufhebung des Finanzierungsvorbehalts. Die Bahn kann jetzt digitale Methoden im Regelbetrieb anwenden und nicht nur punktuell bei ausgewählten Projekten. Wenn Sie sehen, wie viele Projekte die Bahn jetzt mit BIM plant und baut, ist das ein Erfolg des Stufenplans.

Kann man BIM Deutschland als Fortsetzung des Stufenplans betrachten?

Der Stufenplan von 2015 war eine Initiative zur Umsetzung der Empfehlungen der Reformkommission Großprojekte. Die Reformkommission hatte einen Zehn-Punkte-Plan erarbeitet. Ein Punkt davon war der intensivierte Einsatz digitaler Methoden, was durch BIM Deutschland weiter unterstützt werden soll.
Die Umsetzung des Stufenplans erfolgte zunächst verstärkt im Infrastrukturbau. Jetzt wird auch der Hochbau stärker eingebunden. Das begann mit dem Erlass von 2017, der für Hochbauprojekte des Bundes eine Prüfung vorsieht, ob eine Eignung für die Anwendung digitaler Methoden und BIM besteht.

Insofern ist BIM Deutschland die Weiterführung des Stufenplans. Wir liefern den beiden Bundesministerien fachliche Beratung, wir verstehen uns auch als Sprachrohr und reflektieren, ob das, was an Zielen erarbeitet wurde, auch in der Praxis realisierbar ist.

Teilen Sie den Eindruck, dass BIM in der Mehrzahl der deutschen Bauunternehmen und Planungsbüros noch nicht angekommen ist?

Es geht grundsätzlich darum, das Thema Digitalisierung konkreter zu fassen. Wenn wir nur sagen, jetzt muss BIM eingesetzt werden, dann weiß keiner so richtig, was er machen soll. Wir versuchen deshalb, das Thema über den Begriff der BIM-Anwendungsfälle greifbarer zu machen: Welche Prozesse sollen durch die modellbasierte Arbeitsweise unterstützt werden?

Als Ergebnis des Projekts BIM4INFRA wurden beispielsweise Anwendungsfälle für verschiedene Leistungsphasen eines Projektes entwickelt und veröffentlicht, die an die HOAI-Phasen angelehnt sind. Ziel ist es, für die verschiedenen Bauwerkstypen und Phasen zu identifizieren, welche Daten gebraucht werden, um diese Anwendungsfälle zu unterstützen und daraus konkretere Datenanforderungen zu stellen.

Das ist auch das Grundprinzip des Stufenplans, nach dem im Rahmen der Ausschreibungsunterlagen sogenannte Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) zur Verfügung gestellt werden, die genauer Angaben liefern sollen. In welchem Detail-Level sollen die Modelle erstellt werden? Welches Bauteil soll welche Eigenschaften aufweisen?

Um die Mitarbeiter in den Bauverwaltungen mit der Erstellung der AIA nicht gleich zu überfordern, hat man in den Pilotprojekten begonnen, diese Anforderungen zu formulieren. Das setzt viel Fachwissen voraus und ist aufwendig. Andererseits gibt es teilweise gute analoge Vorlagen wie z. B. die ASB-ING, die für Ingenieurbauwerke beschreibt, welche Informationen in einem Bauwerksbuch für den Betrieb übergeben werden sollen. Das hat man in Pilotprojekten für den Brückenbau umgesetzt, um die benötigten Informationen aus den Modellen zu liefern.

Diesen Weg muss man weitergehen und dabei darauf achten, dass die verschiedenen ausschreibenden Stellen in Deutschland einbezogen werden. Hier liegt eine Herausforderung in den unterschiedlichen Strukturen. Der Straßenbau und der Hochbau sind föderal organisiert, der Wasserstraßenbau eher zentral, bei der Bahn wiederum gibt es verschiedene Gesellschaften innerhalb des Konzerns DB AG. Hier muss man ein Wissensmanagement aufbauen, um die Digitalisierung in der Breite umzusetzen.

Dazu soll auch das BIM-Portal beitragen, das von BIM Deutschland entwickelt wird. Es soll den ausschreibenden Stellen ein Werkzeug zur Verfügung gestellt werden, mit dem sie unterstützt werden, um konkrete Datenanforderungen zu formulieren. Das BIM-Portal ist ein Pool mit Bauteilbeschreibungen und -eigenschaften und mit BIM-Anwendungsfällen. Darin kann man Muster-AIA konfigurieren, indem man beispielsweise sagt, welche Anwendungsfälle für eine Straßenbrücke in der Leistungsphase 3 angewendet werden sollen und welche Datenanforderungen sich daraus ergeben.

Vom BIM-Portal wird die AIA als Vertragsanlage in Textform und als maschinenlesbares Template für die CAD-Planungswerkzeuge zur Verfügung gestellt. Zusätzlich werden vom BIM-Portal die entsprechenden Prüfregeln bereitgestellt, damit automatisiert geprüft werden kann, ob die gelieferten Modelle formal den Anforderungen entsprechen.

Das heißt, Sie bündeln mit BIM Deutschland die Erfahrungen aus den Pilotprojekten des Stufenplans und versuchen, die Vorgaben zu vereinheitlichen und über das BIM-Portal für alle nutzbar zu machen.

Ja, damit werden die digitalen Methoden greifbarer, gerade auch für kleinere Unternehmen, die sich keine BIM-Stabsstelle leisten können, um dies auszuarbeiten. Sie bekommen konkretere Vorgaben, was im Einzelnen zu liefern ist. Die Inhalte des BIM-Portals werden zudem durch eine fachliche Pflegestelle kontinuierlich weiterentwickelt und ergänzt. Dabei fließen die Erfahrungen aus den bisherigen und zukünftigen Projekten ein.

Bieten Sie über das BIM-Portal auch 3D-Objekte zum Download an?

Es wird Objektvorlagen geben, die vorgeben, welche alphanumerischen Daten an einem Bauteil hängen sollen. Das BIM-Portal wird aber keine 3D-Bibliotheken zur Verfügung stellen. Das bleibt dem einzelnen Planungswerkzeug überlassen. Die Daten werden ja in einem offenen Format angefordert, dafür gibt man die Eigenschaften für die 3D-Objekte an.

Wer steckt hinter BIM Deutschland?

BIM Deutschland wurde initiiert vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Mit der Umsetzung beauftragt wurde ein Konsortium aus 19 Partnern unter Führung der planen-bauen 4.0 GmbH. Darüber hinaus gibt es Kontakt zu Verbänden und anderen Organisationen, die eventuell schon über Datenquellen für Objektvorlagen oder Merkmalserver verfügen.

Die Finanzierung erfolgt aus den Etats der beiden Ministerien, nicht aus der Wirtschaft. Der Auftrag für BIM Deutschland läuft zunächst bis Ende 2022 mit der Option, ihn um ein Jahr zu verlängern. Das Thema digitale Methoden endet aber nicht 2022 oder 2023, es wird auch nach 2023 weiter vorangetrieben. Entsprechend arbeitet man derzeit an einem Konzept zur langfristigen Verstetigung von BIM Deutschland und der entstehenden Unterstützungsangebote.

Orientiert sich das BIM-Portal am österreichischen Merkmalserver?

Wir kennen den Merkmalserver aus Österreich, da gibt es natürlich gewisse Überschneidungen. Bei uns wird ein Merkmalserver Baustein des BIM-Portals sein, damit man weiß, welche Eigenschaften ein Objekt besitzt. Wir wollen aber auch die bestehenden deutschen Klassifikationen und Regularien wie die ASB-ING oder das Standardleistungsbuch Bau auf dem BIM-Portal zusammenführen und in die digitale Arbeitsweise integrieren.

Welche Zielgruppen will BIM Deutschland erreichen?

Alle Akteure der Bauwirtschaft. Aufgrund ihrer Vorbildfunktion spielt dabei die öffentliche Bauverwaltung in den Bereichen Straße, Wasserstraße, Schiene und Hochbau eine wichtige Rolle. Wir wollen die interne Einführung digitaler Methoden unterstützen, insbesondere bei der Ausschreibung, bei der konkrete Anforderungen für den BIM-Einsatz definiert werden.

Wir unterstützen und beraten die Mitarbeiter, und wir konzipieren Aus- und Weiterbildungsangebote. Diese werden auf den besonderen Bedarf der öffentlichen Bauverwaltungen zugeschnitten, weil es dort interne Regularien und Prozesse gibt, die mit der BIM-Methodik verknüpft werden müssen. Sämtliche Ergebnisse werden jedoch veröffentlicht und dienen somit auch der Wirtschaft als Orientierung – in Bauprojekten öffentlicher und privater Bauherren.

Führt BIM Deutschland die Schulungen selbst durch?

Nein, wir entwickeln Aus- und Weiterbildungskonzepte und stellen sie Schulungsanbietern zur Verfügung.

Engagieren Sie sich auch bei Normung und Standardisierung?

Ja, wir werden auch diese beiden Themen vorantreiben. In Zusammenarbeit mit den bekannten Normungs- und Standardisierungsorganisationen wird eine Normungsstrategie entwickelt werden, um eine durchgängige BIM-Nutzung auf Basis offener Datenstandards zu ermöglichen. Dabei sollen Anpassungsbedarf und Lücken aufgezeigt werden, die anschließend durch pränormative Projekte unterstützt werden können. Den Ministerien BMVI und BMI ist es wichtig, die Normungs- und Standardisierungsaktivitäten der einzelnen Organisationen aufeinander abzustimmen, um ihren Beitrag in jeweils originären Aufgabengebieten leisten zu können.

Wie funktioniert das Zusammenspiel mit Normungs- und Standardisierungsorganisationen?

Wir stehen mit ihnen im engen Austausch. Beim VDI entsteht mit der 2552 eine ganze Reihe von nationalen Richtlinienblättern, und beim DIN wird die internationale Normungsarbeit gespiegelt sowie nationale Ergebnisse international transportiert. buildingSMART treibt beispielsweise die pränormative Arbeit im Bereich der Datenformate wie IFC und BCF voran. Zudem erfolgt mit dem GAEB die Pflege des Standardleistungsbuchs (STLB). In all diesen Gremien sind interessierte Kreise eingeladen mitzuarbeiten. Wir unterstützen hier an vielen Stellen.

Die technische Ausstattung der öffentlichen Bauverwaltung führt oft zum Bruch in der digitalen Planung. Wo nur ein Faxgerät zur Verfügung steht, kann kein digitaler Bauantrag eingereicht werden. Sehen Sie hier eine Möglichkeit für BIM Deutschland, um die Modernisierung der Verwaltungen zu beschleunigen?

Das liegt in verschiedenen Verantwortungsbereichen. Der Bund kann insbesondere bei den Bundesbauverwaltungen seinen Einfluss geltend machen. Auch in den Landesbauverwaltungen hat der Bund eine Einflussmöglichkeit, wenn die Länder für den Bund bauen.

Es besteht jedoch die Hoffnung, dass die Digitalisierung auch bei den Ländern, Städten und Kommunen aufgegriffen wird. Sie können auf die Vorarbeiten des Bundes aufbauen und so die Vorteile nutzen. Bei den digitalen Bauanträgen versucht man beispielsweise durch einheitliche Standards bei den Datenformaten einen Anreiz für die Entwicklung von Standardsoftwareprodukten zu schaffen. Dann muss nicht jede Kommune in aufwändige Individuallösungen investieren, sondern kann auf ein standardisiertes Produkt zurückgreifen.

Klar ist, dass man hier nicht alles von oben verordnen kann. Der Bund nimmt hier aber eine Vorbildrolle ein und unterstützt die Verwaltungen bei der Digitalisierung auf verschiedenen Ebenen.

Für Unternehmen und Freiberufler ist seit 2011 die Abgabe der elektronischen Steuererklärung Pflicht. Wäre eine verbindliche Stichtagsregelung auch bei der Einführung des digitalen Bauantrags denkbar?

Es gibt einerseits im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes das Ziel, einen Großteil von Verwaltungsleistungen für den Bürger digital zugänglich zu machen. Hierzu konzipieren Bund und Länder Portale, über die die Anträge der Bürger an die zuständige Behörde weitergeleitet werden.

In Ergänzung dazu wurden über den IT-Planungsrat die Datenformate (xPlanung und xBau) für den Bebauungsplan und einen digitalen Bauantrag entwickelt und eine bundesweite verbindliche Einführung bis 2022 beschlossen. Wenn eine Behörde ein neues IT-System beschafft, muss es ab sofort diese Datenformate unterstützen. Wenn eine Behörde bereits ein IT-System besitzt, muss dieses bis 2022 den neuen Standard unterstützen. So wird die Kompatibilität sichergestellt.

Sie setzen dabei auf die Sogwirkung von Gemeinden, die digital arbeiten und andere Gemeinden nachziehen?

Ja, denn ein Ziel besteht auch darin, die Prüfung der Bauanträge zu vereinfachen. Unser Ziel ist dabei der modellbasierte Bauantrag und nicht nur ein gescannter Plan, der als PDF versendet wird. Abgesehen von der Ersparnis bei Lagerflächen, die bisher für die Aktenordner notwendig sind, hat ein PDF wenig Effizienzvorteile.

Bei einem modellbasierten Bauantrag können Sie die Bauordnung zu großen Teilen in Prüfregelsätzen abbilden, wodurch der Prüfer eine entsprechende Unterstützung erhält. Dadurch sollen die Kapazität der Genehmigungsbehörden erhöht und die Bearbeitungszeiten für Bauanträge verkürzt werden. Im Datenformat XBau ist die Unterstützung eines modellbasierten Bauantrags bereits berücksichtigt.

Durch BIM verschieben sich Aufgaben innerhalb der Leistungsphasen, was sich in der HOAI nicht abbildet. Ist die Anpassung der HOAI an das digitale Planen und Bauen ein Thema für BIM Deutschland?

Das war in der Anfangszeit von BIM in Deutschland eine große Diskussion. Damals hieß es, wir können BIM nicht einführen, weil die HOAI solche Effekte nicht abdeckt. Jetzt ist man im allgemeinen Verständnis ein Stück weiter. BIM erfordert nicht zwingend, bestimmte Aufgaben in eine frühere Leistungsphase zu legen. Ich glaube, dass es BIM ermöglicht, in frühen Phasen ein tieferes Projektverständnis zu haben und dieses digital zu dokumentieren, was aber nicht zwangsläufig mehr Aufwand bedeuten muss. Auf der anderen Seite ermöglicht BIM in frühen Phasen, Aufgaben zu erledigen, die früher gar nicht denkbar waren.

Wenn ich jetzt in einem groben BIM-Modell eine Energiesimulation durchführe, dann würde ich das bei herkömmlicher Planung in dieser frühen Phase gar nicht können. Das ist dann eine Zusatzleistung, die zum Projekterfolg beiträgt. Aber die eigentliche Planung in genau der Reihenfolge und Tiefe, wie sie die HOAI definiert, kann ich auch mit digitalen Methoden in derselben Reihenfolge und Tiefe durchführen.

Es ist deshalb falsch, den Schluss zu ziehen, dass bei BIM mehr Aufwand in die frühen Phasen gesteckt werden muss. Man kann mit gleichem Aufwand ein tieferes Verständnis erhalten und hat optional die Möglichkeit, in früheren Phasen zusätzliche Leistungen zu erbringen. Grundsätzlich lässt es die HOAI zu, Leistungen aus späteren Phasen vorzuziehen und zu honorieren. Doch nur weil ich mit BIM arbeite, bin ich nicht zwingend mit mehr Aufwand in früheren Leistungsphasen konfrontiert.

Aus Sicht der HOAI ist BIM ein Werkzeug, dass der Planer verwenden kann oder nicht.

Ja, die HOAI ist methodenneutral. Der Werkvertrag legt einen Planungserfolg fest. Mit welchen Methoden der Planungserfolg erzielt wird, bleibt offen. Zusätzlicher Aufwand kann entstehen, wenn bei BIM am Anfang der Arbeit Abwicklungspläne erstellt oder viele Anforderungen koordiniert und Beteiligte beraten werden müssen, die vielleicht noch keine umfangreichen Erfahrungen haben. Das ist tatsächlich eine Zusatzleistung. Aber ob ich die originäre Planung mit Tusche, 2D-CAD oder einem 3D-Modell durchführe, spielt für die HOAI keine Rolle.

Ein anderer Punkt, der immer öfter diskutiert wird, ist die strikte Trennung von Architekten und Bauingenieuren während der Ausbildung. Die zunehmende Spezialisierung an den Universitäten bringt als Gegenreaktion das Ideal des Baumeisters hervor, der über ein umfassenderes Wissen verfügt und mehr als ein Fachgebiet im Blick hat. Ist die Ausbildung auch ein Thema für BIM Deutschland?

Die akademische Ausbildung liegt in der Autonomie der Hochschulen. Natürlich gibt es bei den Fachinhalten verschiedene Schwerpunkte. Alles zu vereinen würde keinen Sinn ergeben, aber was hilft, sind beispielsweise Projektarbeiten, bei denen man das Zusammenspiel von Architekten und Bauingenieuren übt. Aber ich glaube, dass es wichtig ist, den Studenten zu zeigen, wie sie mit digitalen Werkzeugen arbeiten können. Wie werden die Daten digital übergeben? Wie müssen sie strukturiert sein, damit die andere Seite die Daten nutzen kann? Das muss von den Lehrenden ausgearbeitet und in die Vorlesungen eingebracht werden.

Dabei geht es weniger darum, genau zu verstehen, was der Architekt mit den Daten macht. Es geht mehr darum, zu wissen, wie ich mit anderen Planern und Ingenieuren zusammenarbeite, wie ich ihnen benötigte Informationen bereitstelle, wie ich deren Informationen erhalte und wie ich meine eigenen Arbeiten auf andere Daten aufsetzen kann. Bisher hat jeder sein eigenes Gedankenmodell und seine eigenen Datenstrukturen und Fachmodelle. Damit fängt er für sich allein an und macht dann nur die manuelle Übersetzungsarbeit für die Modelle, die er von den anderen Fachdisziplinen erhält. Deshalb müssen diese Schnittstellen in den Hochschulen noch mehr in den Fokus gerückt werden.

Die Verschränkung der Fachdisziplinen bietet sich bei Entwürfen an, bei denen man an konkreten oder fiktiven Projekten zusammenarbeitet und der eine Student den Entwurf und der andere Student die Berechnungen oder Energiesimulationen erstellt. Da sieht man dann, wie sich die Arbeiten gegenseitig beeinflussen. Aber die spezifischen Fachinhalte können trotzdem weiterhin in den jeweiligen Studiengängen gelehrt werden.

Das macht natürlich für den einzelnen Lehrenden mehr Aufwand. Wenn sich Professoren aus verschiedenen Fachbereichen miteinander abstimmen müssen, um ein gemeinsames Konzept zu erarbeiten, haben sie am Anfang mehr koordinierende Aufgaben zu bewältigen, erzielen aber im Endeffekt einen höheren Mehrwert. Wie bei BIM.

Die Nutzung digitaler Informationen ist bei Immobilienverwaltern und im Facility Management noch nicht sehr verbreitet. Werden Sie hier auch Überzeugungsarbeit leisten?

Ja, dafür gibt es bei BIM Deutschland ein eigenes Arbeitspaket, das sind die BIM-Anwendungsfälle in der Betriebsphase. Das betrifft nicht nur den Hochbau, auch der Infrastrukturbau ist hier einbezogen. Wir untersuchen, welche Prozesse es im Betrieb gibt, die mit strukturierten Daten einen Mehrwert generieren können, wo Daten schneller ablesbar sind oder wo sich ein Gebäude aus dem Modell heraus steuern lässt. Ein anderes Thema ist die Bestandsdatenhaltung, die bisher auf Pläne ausgelegt ist.

Zukünftig sollen die Betreiber mit Modelldaten umgehen können. Wir diskutieren schon seit einigen Jahren, wie die Modelle, die in immer mehr Projekten entstehen, strukturiert aufbewahrt und genutzt werden können. Dafür ist es wichtig, dass diese Modelle einheitlich entstehen und nicht für jedes Projekt eine andere Struktur ausgedacht wird. Das bringt nur eine große Sammlung von Modellen, die nicht einheitlich auswertbar sind. Aus Portfolio-Sicht werden deshalb eine standardisierte Vorgehensweise und Informationsstrukturen benötigt.

Gibt es für BIM Deutschland einen Zeitplan, der definiert, welcher Milestone in welchem Jahr abgearbeitet sein soll?

Das ist noch im Entstehen, aber für die Strategie nach 2020 gibt es bei BIM Deutschland bereits ein Arbeitspaket, in dem der Stufenplan fortgeschrieben wird. Darin werden das nächste Zeitintervall und das nächste Leistungsniveau definiert, das wir erreichen wollen. Momentan konzentrieren wir uns auf den Aufbau von BIM Deutschland, die Entwicklung des BIM Portals und darauf, die positiven Erfahrungen aus den Pilotprojekten des Leistungsniveaus 1 mehr in die Breite zu bekommen. Es wird sicher so sein, dass wir den Roll-out in die Breite auch in Zukunft unterstützen, während andere, die schon weiter sind, das nächste Leistungsniveau mit Pilotprojekten erproben. Darauf kann dann wieder die breite Masse aufbauen.

Das große Interesse am Start von BIM Deutschland hat uns überrascht. Die kurze Pressemitteilung, die wir auf unsere Website gestellt haben, gehört zu den meist geklickten News im Januar 2020. Es scheint, als hätte die BIM-Szene auf Sie gewartet.

Ich glaube, wir haben es in den vergangenen Jahren geschafft, dass das Thema BIM ein Begriff ist. Was bedeuten diese drei Buchstaben, was kommt auf uns zu, warum müssen wir uns damit befassen? Jetzt haben wir das Jahr 2020, BIM wird in allen Infrastrukturprojekten eingesetzt, und da stellt sich für die beteiligten Planer und Architekten die Frage: Was muss ich konkret tun? Das erzeugt einen großen Informationsbedarf. Auf der anderen Seite gibt es auch schon viele, die die ersten Erfahrungen bereits gesammelt haben und jetzt die nächsten Schritte angehen wollen.

Bleibt es bei der Grenze von 5 Millionen Euro Baukostenvolumen, ab der bei Hochbauprojekten des Bundes BIM zu prüfen ist?

Die Zahl steht noch im Erlass des Bundesbauministeriums aus dem Jahr 2017, und der Erlass wurde bisher nicht geändert. BIM ist sicher nicht zwingend für jeden Handwerksbetrieb erforderlich, aber eine Grenze für kleine Projekte ist auch nicht sinnvoll. Bei kleinen Projekten ist die Umsetzung mit BIM schließlich viel einfacher als bei Großprojekten, bei denen beispielsweise komplizierte geometrische Formen realisiert werden müssen.

Es ist nur so, dass die Leute oft sagen, bei kleinen Projekten komme ich mit klassischen Methoden sehr gut zurecht. Da gibt es für sie keinen zwingenden Bedarf an einer neuen Methode. Aber auch beim Bau eines Einfamilienhauses kann sich BIM lohnen. Ich denke da beispielsweise an die bessere Kommunikation mit dem Kunden und die Automatisierungspotentiale bei Kalkulation, Bau und Abrechnung.

Der Bund setzt aber weiterhin auf Freiwilligkeit – oder rückt der Tag näher, ab dem BIM für alle Bauprojekte ab X Euro Bauvolumen zur Pflicht wird?

Für den Infrastrukturbereich gibt es das schon. Ab Ende 2020 ist BIM für alle neu zu planenden Infrastrukturprojekte anzuwenden.

Auch im Bundeshochbau?

Dort ist das Prinzip anders. Normalerweise muss man sich ja rechtfertigen, wenn man etwas Neues macht, statt am Gewohnten festzuhalten. Geht es schief, haben es alle andern besser gewusst. Durch den Erlass von 2017 wird diese Situation umgekehrt. Man muss sich rechtfertigen, wenn man die neue Methode nicht einsetzt. In einem nächsten Schritt wird ein Masterplan erstellt, in dem verbindliche Fristen für die Anwendung spezifischer BIM-Anwendungsfälle festgeschrieben werden.

Und bei privaten Bauherren?

Für private Bauherren könnte man Anreize schaffen, beispielsweise durch Bedingungen zur BIM-Nutzung bei der Vergabe von Fördermitteln im Bereich der Wohnungsbauförderung oder KfW-Förderung. Das wird bereits diskutiert. Zuvor sollten aber die Voraussetzungen geschaffen werden, die auch den kleinen und mittelständischen Unternehmen den BIM-Einstieg erleichtern.

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© Dirk Werner
Autor

Dr. Jan Tulke studierte Bauingenieurwesen mit Schwerpunkt Bauinformatik und Statikan der TU Berlin. An der Bauhaus-Universität Weimar promovierte er berufsbegleitend im Fachbereich Informatik im Bauwesen. Nach beruflichen Stationen als Tragwerksplaner im Tief- und Tunnelbau, Projektleiter FuE Projekte Virtual Construction sowie Leiter Forschung und Produktentwicklung BIM Beratung (alle bei HOCHTIEF) ist er seit 2016 Geschäftsführer der planen-bauen 4.0 GmbH. bimdeutschland.de

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