05.09.2024 |
Marcus Schreyer, Ayline Herre, Jakob Przybylo
Die Anwendung der Integrierte Projektabwicklung (IPA) verbreitet sich auch in Deutschland. Doch treffen die zahlreichen, erwarteten Potenziale auch in der Praxis ein? Dieser Artikel greift die verschiedenen Aspekte differenziert auf.
Die Integrierte Projektabwicklung oder Integrated Project Delivery (IPD) ist ein neuer, vertraglicher Ansatz im Bauwesen in Deutschland. Dieser sichert, dass alle Projektbeteiligten das gleiche Ziel, den Projekterfolg haben, um komplexe Bauprojekte effizienter und interdisziplinär erfolgreicher zu gestalten.
Zu IPA-Projekten gehören Charakteristika wie die frühzeitige Einbeziehung der Schlüsselbeteiligten, Etablierung eines Mehrparteiensystems, gemeinsame Entscheidungen, Anreizsystem im Rahmen eines Vergütungsmodells und eine kooperative Haltung (siehe „Integrierte Projektabwicklung (IPA) – Charakteristika und konstitutive Modellbestandteile laut IPA-Zentrum“ IPA Zentrum 2022).
Obwohl beispielsweise in Skandinavien bereits etabliert, sind IPA-Projekte in Deutschland zwar stark im Kommen, aber noch vergleichsweise selten. Viele Anwälte halten sie hier noch immer für nicht durchführbar.
Vor circa drei Jahren haben wir, die DT BAU Consulting, begonnen, innovative Methoden in IPA-Projekten einzusetzen und an unterschiedlicher Stelle darüber berichtet. Mit Projekten wie der „Allianz Drei Schulen in Bremerhaven“ haben wir uns als eines der erfahrensten Teams in Deutschland etabliert, und übertragen diese Prinzipien auf weitere Aufgaben. Mit diesem Artikel werden aktuelle Erkenntnisse geteilt.
Die Verbreitung von BIM hat in den letzten Jahren zugenommen und kann Erfolge verzeichnen. Allerdings treten in der Praxis häufig Schwierigkeiten auf. Bei entgegengesetzten Zielen und einem fehlenden Vertrauen, finden auch das digitale und integrative Informationsmanagement nur mit angezogener Handbremse statt.
Der IPA-Vertrag setzt die gleichen Ziele und verlangt nach mehr Zusammenarbeit. Er verspricht viel. Doch auch zu viel
Was sagt das Praxisbeispiel „Allianz Drei Schulen Bremerhaven“?
In unserem genannten Praxisbeispiel – dem ersten IPA-Projekt der öffentlichen Hand im Hochbau in Deutschland –werden drei moderne, innovative Schulen und zwei Sporthallen in Bremerhaven innerhalb von drei Jahren neu gebaut. Es ist zudem das erste IPA-Projekt bei dem BIM umfassend genutzt wird.
Das Projekt steht unter einem großen Zeitdruck, um den wachsenden Anforderungen an Schulplätzen in Bremerhaven gerecht werden zu können. Seitens des Bauherrn „STÄWOG Gruppe“ (Wohnungsgesellschaft der Stadt Bremerhaven) in Kooperation mit der „BIS“ (Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH) als Projektmanager wurde daher das Verfahren der Integrierten Projektabwicklung (IPA) in Kombination mit Building Information Modeling (BIM) von Beginn an gefördert und umgesetzt.
Als Coach für die digitale Zusammenarbeit im Projekt und für das BIM-Management wurde die DT BAU Consulting GmbH beauftragt. Eine weitere Aufgabe ist die Unterstützung der gesamten IPA hinsichtlich Optimierung und Professionalisierung im Hinblick auf Digitalisierungsthemen. Die Lumico GmbH hat die Rolle des IPA-Coaches sowie für LEAN und vertragliche Themen übernommen. Beide agieren in enger Abstimmung. Zu Projektbeginn waren bei der STÄWOG Gruppe und der BIS keine IPA, BIM oder Lean Erfahrungen gegeben.
Die weiteren Allianzpartner gmp, WTM, Lindner, August Prien und PKi- hatten bereits gute Kompetenzträger im Team.
Projektziele und Status
Das Projekt verfolgt allgemeine BIM-Ziele wie eine hohe Koordination im Projekt oder eine umfassende Projektdokumentation als Grundlage für den späteren Betrieb. Sehr wichtig ist, dass im Projekt eine kollaborative Projektkultur unter Anwendung von Lean und Change Management gefördert wird. Zu den Maßnahmen zählen zum Beispiel Ideenwettbewerbe zugunsten neuer Lösungswege.
Eine effiziente Kommunikation wird durch die Zusammenarbeit vor Ort in einem gemeinsamen Arbeitsraum, der sogenannten Co-Location in Bremerhaven gewährleistet.
Anfangs wurden nur wenige, grundlegende BIM-Anwendungsfälle definiert. Diese umfassten beispielsweise die Modellierung, die Durchführung von Besprechungen anhand von Modellen, das modellbasierte Aufgabenmanagement, die Durchführung von Kollisionsprüfungen am Modell und die Datenübergabe ins CAFM. Im Laufe des Projekts wurden weitere Anwendungsfälle hinzugefügt.
Dazu gehörten beispielsweise:
Virtual Reality (VR) zur besseren Visualisierung des Projekts und Klärung grundlegender Planungsanforderungen mit dem Auftraggeber
Digitales Aufmaß durch Scanning und automatisiertem Soll-/Ist-Abgleich auf der Baustelle mit dem Modell
Modellbasierte Mengenermittlung und Grundlage für die Ausschreibung beziehungsweise Abrechnung
Dashboarding zur Visualisierung und Auswertung von zentralen Projektinformationen.
Aktuell befinden sich zusätzliche Anwendungsfälle, wie der Einsatz von HP-Siteprints und Sitewalks auf der Baustelle, in der Testphase.
Ein PMO-Datenmanagementgruppe mit mehr als30 Personen unter der Leitung von DT BAU Consulting stellt sicher, dass die BIM-Strategie über alle Projektpartner konsequent umgesetzt und optimiert wird.
Das Projekt „Allianz Drei Schulen Bremerhaven“ zählt heute sicherlich zu dem oder einem der führenden BIM-Projekte in Deutschland. Vielleicht ist es auch das Führende. Die Möglichkeiten, die IPA für die Zusammenarbeit bietet sind unbeschränkt. Allerdings sind die Herausforderungen bei der Realisierung dieser nicht zu vernachlässigen: Dynamisch, stets verändernde Prozesse, Change-Management im Projekt und laufende Organisationsentwicklung. Der Ressourcen- und Kompetenzbedarf sollte nicht unterschätzt werden.
Die Learnings
IPA bildet eine gute Grundlage für die Methoden BIM und Lean. Die Methoden sind dabei zu integrieren.
Wichtig ist es, das Projektteam vorab im Bieterverfahren mit den individuellen Stärken/Schwächen digital passend zusammenzustellen.
Eine enge Kommunikation vor allem zu Projektbeginn ist für die BIM-Methode ebenso essenziell wieein durchgängiges Informationsmanagement.
IPA-Projekte erfordern eine professionelle Vorbereitung, flexible Anpassung und fortlaufende Optimierung der Rollen/Prozesse im Sinne des „Best for the Project“.
Ein strukturiertes Coaching mit den Schwerpunkten IPA, digitales Datenmanagement und Lean Construction sowie ein durchgehendes Management sind daher wesentliche Erfolgsfaktoren.
Fazit
IPA schafft Herausforderungen, aber auch gute, interdisziplinäre Lösungsansätze für signifikante Einsparungen. Durch die stets wechselnden Strukturen und die vielen Abstimmungen im Projekt ist eine zielgerichtete Kommunikation besonders wichtig und stellt sicher eine der zentralen Herausforderungen dar. Einheitliche Prozesse und das Prinzip der „Single Source of Truth“ verbessern die Qualität der Arbeit und Entscheidungen.
Ein starkes Coaching mit positivem Mindset und ein engagierter Auftraggeber begleiten und treiben das Projekt von Anfang an und sind entscheidend für eine umfassende Anwendung von BIM und weiterer Methoden. Der Vertrag stellt hierfür die Weichen und „löst die Bremsen“ für BIM und Lean, die hier gewöhnlich greifen.