15.09.2023 |
Sebastian Bolle, Martin Piechullik
Die untersuchte Open Source Arbeitsumgebung ist ein Ergebnis des Forschungsprojektes „FutureWaterCampus“, das durch Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung
(EFRE) gefördert wurde. Die Problemstellung wurde aus dem Forschungsprojekt „BIM.Ruhr“ abgeleitet, bei dem ein Leitfaden entwickelt wurde, der insbesondere den Kommunen als Grundlage für zukünftige BIM-Projekte dienen soll, in welchen der Einstieg in die BIMArbeitsmethodik bevorsteht. Im Zuge des internen Diskurses über Fortschritte, Herausforderungen und Ergebnisse wurden Synergien identifiziert, und es wurde ermittelt, dass die Open Source Common Data Environment (OSCDE) eine potenzielle Lösung für eine eruierte Problematik der Kommunen aus dem „BIM.RUHR“ Projekt darstellenkönnte.
OSCDE eine mögliche Lösung für Kommunen?
Kommunen und öffentliche Auftraggeber sehen sich aufgrund spezieller kommunaler Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit vor einer besonderen Herausforderung bezüglich der Nutzung von Cloud-Diensten, zu denen auch die Common Data Environment (CDE)-Lösungen gehören. Aufgrund der Vorgaben sollen die Server solcher Dienste sich nicht außerhalb eines EU-Landes befinden, was die Auswahl an etablierten und gut funktionierenden Softwarelösungen erheblich einschränkt. Eine Abfrage im Rahmen des Forschungsprojektes „BIM.RUHR“ ergab, dass lediglich 50 Prozent der untersuchten CDE-Anbieter den Nachweis eines Serverstandorts innerhalb der EU erbringen konnten [1].
Eine gemeinsame Datenumgebung, auch als Common Data Environment bezeichnet, spielt eine bedeutende Rolle bei der Umsetzung der BIM - Methode, da sie die Kommunikation und Kollaboration in BIM-Projekten ermöglicht. Innerhalb der CDE werden Informationen gesammelt und den Beteiligten über definierte Prozesse zur Verfügung gestellt [2], [3].
Während der Planungs- und Ausführungsphase eines Bauprojektes ist es daher ratsam, dass der Bauherr eine CDE zur Verfügung stellt. Im „Masterplan BIM für Bundesbauten“ wird eine verbindliche Einführung der BIM-Methode in drei zeitlich gestaffelte Level definiert. Mit der Veröffentlichung der Umsetzungsstrategie für die Bundesbauten im April 2023, wurde in Level 1 die schrittweise Einführung und Verwendung von CDEs für neu zu planende, komplexe Bauprojekte (nach Abschnitt C.6 der RBBau (nRBBau)) vorgeschrieben [4].
Die vorliegende Kurzstudie untersucht die Einsatzmöglichkeit der Arbeitsumgebung aus dem „FutureWaterCampus“ Forschungsprojekt als Open Source Common Data Environment (OSCDE) und bewertet ihre Qualität. Die sorgfältig geplante und durchgeführte Kurzstudie liefert zuverlässige und vergleichbare Ergebnisse, die eine fundierte Einschätzung der Eignung der Arbeitsumgebung als Open Source CDE und ihre potenzielle Anwendbarkeit ermöglichen.
Das Konzept der OSCDE
Die konzipierte OSCDE-Lösung basiert auf den beiden Open Source Softwarelösungen Nextcloud und OpenProject, welche durch die entwickelte Integration wie eine Plattform
genutztwerden kann. Die Verbindung zwischen den Umgebungen wird durch eine bidirektionale Schnittstelle hergestellt, was bedeutet, dass die Nutzer aus der einen Umgebung, Änderungen in der anderen Umgebung vornehmen können.
Beide Umgebungen haben unterschiedliche Stärken und ergänzen sich durch die Integration. Aufgrund des modularen Aufbaues der beiden Umgebungen können individuelle Anpassungen an die projektspezifischen oder organisationspezifischen Anforderungen relativ einfach vorgenommen werden. Nextcloud ist in der OSCDE hauptsächlich für das Dokumentenmanagement verantwortlich, indem es Ordnerstrukturen und Zugriffsrechte verwaltet. Neben der Filesharing-Funktion unterstützt Nextcloud die Nutzerkommunikation, Kollaboration und Workflow-Einrichtung.
OpenProject dient als Multiprojektmanagement- Umgebung, in der Nutzer Projektstrukturen erstellen und verwalten können. Arbeitspakete können definiert und mit Dateien verknüpft werden, um eine höhere Informationstiefe und Workflow-Abwicklung zu ermöglichen. Zudem integriert das BIM-Modul von OpenProject einen BIM-Viewer, der das Öffnen von IFC-Dateien und das Arbeiten mit IFC-Modellen ermöglicht.
Untersuchungsmethodik der Kurzstudie
Die Kurzstudie zur Untersuchung und Evaluierung der Open Source Common Data Environment (OSCDE) wurde in drei aufeinanderfolgende Phasen unterteilt. In Phase eins und Phase zwei erfolgte die Analyse der untersuchten CDEs gemäß der DIN SPEC 91391-1,wobei sowohl marktübliche CDEs als auch die OSCDE-Lösung mit dieser Untersuchungsmethodik analysiert wurden.
Die gewonnenen Ergebnisse der ersten beiden Phasen wurden in Phase drei zusammengeführt und eingehend ausgewertet. Darauf aufbauend erfolgte eine abschließende Bewertung,
ob die untersuchte OSCDE eine potenzielle Lösung für die Herausforderungen von Kommunen und öffentlichen Auftraggebern darstellen könnte.
Einordnung der DIN SPEC 91391-1
In der bestehenden Normenlandschaft ist eine DIN SPEC nicht mit einer Norm gleichzusetzen, sondern kann eine mögliche Basis für eine spätere Norm darstellen. DIN sorgt bei der Erstellung einer DIN SPEC für eine harmonische Abstimmung mit bereits existierenden Standards, um mögliche inhaltliche Konflikte zu vermeiden [5].
Bei der Erstellung einer DIN SPEC können sich auch Unternehmen beteiligen und ihre Expertise einbringen, wodurch Innovationen und Entwicklungen am Markt schneller vorangetrieben werden können.
Durchführung und Ergebnisse der Kurzstudie
In der ersten Phase der Kurzstudie wurden die drei CDE-Testumgebungen, die durch die Hersteller zur Verfügung gestellt wurden, anhand der 209 Funktionsanforderungen aus der DIN SPEC 91391-1 überprüft. Diese Überprüfung wurde vorgenommen, um eine valide Datengrundlage zu schaffen, welche mit der konzipierten OSCDE verglichen werden kann. Bei der Überprüfung der drei am Markt etablierten CDE-Lösungen wurden 84 bis 93 Prozent der Pflichtanforderungen erfüllt. Von den optionalen Anforderungen wurden von den getesteten CDE-Lösungen 57 bis 86 Prozent erfüllt.
Es resultiert das Ergebnis von 79 bis 90 Prozent, wenn alle 209 Anforderungen der DIN SPEC 91391-1 betrachtet werden. Das Ziel der zweiten Phase bestand darin, die Open Source Common Data Environment (OSCDE) anhand der DIN SPEC 91391-1 zu überprüfen und zu analysieren. Aufgrund der unterschiedlichen Funktionen von Nextcloud und OpenProject wurden diese Umgebungen zunächst separat betrachtet. Anschließend wurden doppelte Funktionen identifiziert und der Umgebung zugeordnet, welche prozentuell gesehen mehr Funktionen innerhalb eines Anwendungsfalls abdeckt. Dies führte zu einer Bereinigung der doppelten Datengrundlage infolge der zunächst getrennten Untersuchung, woraus eine einheitliche Datengrundlage resultierte.
Die betreffenden Funktionen wurden in der nicht zugewiesenen Umgebung deaktiviert oder gesperrt, um eine klare Trennung und eindeutige Zuordnung der Funktionen an eine Umgebung zu gewährleisten. Auf dieser Grundlage konnten die Schwerpunkte der Funktionenvon Nextcloud und OpenProject anhand der Anwendungsfälle der DIN SPEC 91391-1 identifiziert werden.
In der dritten Phase wurden die Ergebnisse von den marktüblichen CDEs mit den Ergebnissen der OSCDE gegenübergestellt. Alle Ergebnisse aus der Kurzstudie wurden in Tabelle
1 zusammengetragen und nach den definierten Pflicht- und optionalen Anforderungen aus der DIN SPEC 91391-1 unterteilt.
Bei der Auswertung wurde festgestellt, dass die OSCDE in den Pflichtanforderungen ein vergleichbares Ergebnis wie die marktüblichen CDEs erreicht. Bei der Betrachtung aller 209 Anforderungen wurde jedoch festgestellt, dass die OSCDE noch Verbesserungspotenzial aufweist, um ein komparables Ergebnis zu den marktüblichen CDEs zu erreichen. Dabei ist
das größte Verbesserungspotenzial im Bereich des Anwendungsfalls Koordination und der Automatisierung von Workflows festzustellen. Aus technischer Sicht verfügt Nextcloud über die Möglichkeit weitere Funktionen abzudecken. Dazu werden jedoch Programmierungen benötigt die im Rahmen der Kurzstudie nicht betrachtet wurden.
Resümee
Die vorliegende wissenschaftliche Kurzstudie untersuchte und evaluierte eine Open Source Common Data Environment (OSCDE) als potenzielle Lösung für die Herausforderungen
von Kommunen und öffentlichen Auftraggebern bezüglich Datenschutz und Datensicherheit bei der Nutzung von Cloud-Diensten, insbesondere Common Data Environment (CDE)-Lösungen.
Die OSCDE basierte auf den beiden Open Source Softwarelösungen Nextcloud und OpenProject, die durch eine bidirektionale Schnittstelle integriert wurden. Durch die finanzielle Förderung der Integration der Umgebungen Nextcloud und OpenProject, etablierte die Universität Duisburg-Essen in Zusammenarbeit mit OpenProject einen bedeutenden Meilenstein für eine der ersten Open Source CDEs (OSCDE). Welche sich durch ihre ausgezeichnete Skalierbarkeit hervorhebt und von der bereits vorhandenen und zunehmenden Verbreitung von Nextcloud und Open-Project im öffentlichen Sektor profitiert.
Der Artikel präsentierte eine wissenschaftliche Kurzstudie, die eine Open Source Common Data Environment (OSCDE) auf Basis der Softwarelösungen Nextcloud und OpenProject untersuchte. Die Untersuchungsmethodik der wissenschaftlichen Kurzstudie war die Analyse anhand der DIN SPEC 91391-1. Dabei wurden zunächst drei marktübliche CDE-Lösungen und anschließend die OSCDE analysiert.
Die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass die OSCDE eine valide Alternative für Kommunen und öffentliche Auftraggeber sein kann, die aufgrund von Datenschutz- und Datensicherheitsanforderungen keine Cloud-Dienste nutzen können, welche Ihren Serverstandorte außerhalb der EU haben. Die OSCDE stellt eine vielversprechende Lösung dar, die es Kommunen und öffentlichen Auftraggebern ermöglicht, die Vorteile der BIM-Methode zu nutzen, ohne dabei Kompromisse beim Schutz sensibler Daten eingehen zu müssen.