Jürgen Winkler
Die Umstellung auf BIM führt bei Architekten und Planern zu Unsicherheiten. Vom Zeitaufwand über Urheberrecht und Honorare bis zu Vertrags- und Haftungsfragen scheint vieles ungeklärt. BIM-Experte Hagen Schmidt-Bleker stellt sich den Fragen der Redaktion.
Build-Ing.: Herr Schmidt-Bleker, Sie verfügen über viel Erfahrung bei der Planung und Projektsteuerung mit BIM. Welche Hindernisse sehen Sie bei der Einführung von BIM?
Hagen Schmidt-Bleker: Ein Faktor ist sicherlich die Baubranche. Sie ist konservativ, denn es geht nicht zuletzt auch um Verantwortung und Haftung. Neuerungen haben es da naturgemäß immer etwas schwerer. Das Bauplanungsgeschäft ist komplex und lässt sich nicht wie ein Massenprodukt (etwa ein Auto) handhaben bzw. exportieren. Zwar gibt es mittlerweile auch Architekturen von der Stange, aber die Regel ist das nicht. Hoher Zeitaufwand zur Einarbeitung der Belegschaft und auch zur Koordination der Fachplaner im laufenden Prozess schrecken viele ab. Ebenfalls sind hohe Implementierungskosten gefürchtet und auch, kein geeignetes Personal zu haben.
Lassen sich Kosten-, Zeit- und Qualitätsvorteile durch BIM quantifizieren?
Die Qualitätssteigerung ist evident, denn die Planungssituation lässt sich schnell erfassen und eventuelle Fehler werden sicht- und abstellbar. Zum Stichwort Zeit: Auf das gesamte Projekt gesehen, verschlingt der herkömmliche 2D-CAD-Arbeitsprozess am meisten Zeit während der Projektdokumentation und weniger bei der Konstruktionsphase. Beim BIM-Verfahren hingegen verschiebt sich der Aufwand in den Planungsprozess und schmilzt in der Dokumentation erheblich zusammen. In einer idealtypischen Annahme spart BIM dabei rund 30 Prozent der Zeit ein.
Ganz wichtig bei dieser Zeitbetrachtung ist jedoch der Einsatz von Projektvorlagen, denn bezogen auf herkömmlichen CAD-Einsatz mit 100 Prozent, spart BIM mit Vorlagen 50 Prozent der Gesamtzeit ein, ohne Vorlagen aber nur 10 Prozent. Die Erstellung der entsprechenden Vorlagen nimmt im statistischen Mittel rund 33 Prozent der Projekt-Bearbeitungszeit ein. Die Vorlagen sollten also sehr genau sein und so oft wie möglich genutzt werden, damit bei Folgeprojekten dieser Zeitaufwand entfallen kann. Die Kosteneffizienz ist stark optimiert, denn es wird ja zuerst digital und anschließend real gebaut; also idealerweise keine Überraschungen mehr, keine Planungsfehler, keine Nachträge.
Wie weit ist die Zulieferindustrie mit dem Aufbau von BIM-kompatiblen Bauteildatenbanken?
Das weitet sich immer mehr aus. Es gibt freie wie kostenpflichtige Anbieter. Zeki Harmanci z. B. referierte auf der BIMconvention 2017 in Aachen für die Firma Saint-Gobain den Einsatz von BIM in der Baustoffindustrie. Mittlerweile besteht auf deren Plattform die Möglichkeit, rund 10.000 geprüfte Konstruktionen in Allplan, ArchiCAD und Revit zu importieren. Die BIM-Daten sind auch anpassbar, jedoch ist hier Obacht nötig wegen der rechtlichen Belastbarkeit.
Ist der Eindruck richtig, dass kleine Architekturbüros die Kosten für BIM-fähige Software scheuen?
Mag sein. Viele begreifen aber, dass Digitalisierung unvermeidlich ist, sonst drohen Auftragsverluste. Die Tendenzen, BIM zwingend zu machen bei Ausschreibungen, ist klar ablesbar. Auch werden die Bauherren bald die Methode verlangen, weil sie Kosten- und Terminsicherheit verspricht. Klar sollte sein, dass nicht jedes Büro die ganze Palette der BIM/VR/AR-Maßnahmen braucht. Vielmehr kommt es auf eine genau abgestimmte Lösung an. Planer sollten sich beraten lassen.
Wer ist wann und wie lange Autor bzw. Urheber im Detailprojekt BIM? Wer hat das Controlling im BIM-Projekt?
Es ändert sich grundsätzlich nichts: der Architekt ist der Autor. Er bzw. der Projektsteuerer steht in der Koordinationsverantwortung und nicht der BIM-Manager. Wichtig ist, dass nur Sachverhalte ausgeführt werden, die beauftragt sind, denn das klassische Rollenverständnis wird ergänzt. Die Ansiedelung des BIM-Managers z. B. kann direkt am Bauherren geschehen, bei der Projektsteuerung oder dem Generalplaner bzw. -übernehmer. Auch können BIM-Koordinatoren zum Einsatz kommen.
Letztlich ist die jeweilige Konstellation Ausdruck der internen Projektstrategie und gehört in die Vorplanung. Auch BIM-Ziele und zugehörige Anwendungen müssten in diesem Zusammenhang entsprechend koordiniert werden. Wichtig ist es, bereits in der Vorplanung einen BIM-Abwicklungsplan zu machen und auch, die Anforderungen des Projektes zu definieren. Ein solcher Plan besteht in der Regel aus diesen Themen: Zieldefinition, Zuordnung von Anwendungen, Ablauf sowie Definition der Verantwortlichkeiten. Es ist hilfreich, zur Erstellung eine vorlaufende BIM-Analyse-Phase zu haben, die Menschen, Prozesse, Technologien, Daten und Rahmenbedingungen ins Kalkül einbezieht.
Beeinflussen personelle Zuständigkeiten die Haftung des einzelnen Gewerks?
Sicherlich. Ist die Entscheidung für BIM getroffen, ist es eben wichtig, die Mitarbeiter in den Wandelprozess einzubinden. Partizipation kombiniert mit klaren Management-Vorgaben ist eine gute Methode, um skeptischen Mitarbeitern die Berührungsängste zu nehmen. Das wären z. B. BIM-Schulungen oder Teile aus Projekten – zunächst zur Übung, dann aber auch im training on the job.
Müssen Architekten Honorareinbußen befürchten, weil Planungsänderungen während des Bauprozesses mit BIM vermieden werden?
Änderungen im laufenden Prozess wird es in Maßen immer geben, wenngleich es ja der Witz an BIM ist, dass zuerst komplett digital gebaut wird und danach real. Das dürfte auch der Grund für den Siegeszug der Methode sein. Genau genommen legt BIM aber keine Inhalte im Planungsprozess nach vorn, sondern ermöglicht, spätere Leistungsphasen früher zu beauftragen. Die inhaltliche Tiefe (Level of Detail, LOD) im Planungsgeschehen ist der Maßstab und nicht der Zeitpunkt der Erbringung.