12.12.2024 |
Dirk Beyer und Thomas Geißler
Digitale Planung verändert nicht nur Prozesse, sie verändert Menschen und Teams. Dabei fördern digitale Tools Agilität, Mut und ganzheitliches Denken und rücken den Zweck des Bauwerks und die Bedürfnisse der späteren Nutzer in den Mittelpunkt, was zu einem stärkeren Verantwortungsgefühl aller Beteiligten führt. Besonders die BIM-Methodik bietet dabei enormes Potenzial für diese neuen Formen der Zusammenarbeit.
BIM ermöglicht die ganzheitliche Betrachtung von Projekten über deren gesamten Lebenszyklus und schafft eine Plattform für frühzeitige, kollaborative Prozesse mit zukünftigen Nutzern.
Mit der Einführung digitaler Planungsmethoden hat die Carpus+Partner AG schon vor über einem Jahrzehnt nicht nur technische Innovationen vorangetrieben, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen Teams und Auftraggebern revolutioniert. Der Erfolg dieses Paradigmenwechsels zeigt, dass die wahre Innovation in der Verbindung von Partizipation, Kollaboration und Effizienz liegt.
Wie wichtig dieser Paradigmenwechsel bei der Carpus+Partner AG ist, beweist die enge Kooperation mit der Formitas AG als Digital-Spezialist. Im Jahr 2007 entschieden sich Carpus+Partner und die seit 1999 am Markt aktive Formitas GbR, gemeinsam eine GmbH zu gründen (Vorläufer der heutigen Formitas AG), deren Fokus sich auf die digitalen Aspekte der Bauwirtschaft richtet. Die enge Kooperation und Partnerschaft beider Unternehmen bewährt sich bis heute vor allem bei komplexen Projekten mit multifunktionalem Charakter, bei denen Carpus+Partner die Planung und Umsetzung verantwortet, während die Formitas das BIM-Management über die gesamte Laufzeit steuert.
Abkehr von alten Denkmustern
In der Architektur arbeiten zahlreiche Beteiligte aus verschiedenen Gewerken oft nebeneinander, ohne das Gesamtbild zu sehen. Digitale Planungsmethoden helfen, Teams auf einer zentralen Plattform zu verbinden, wodurch eine ganzheitliche Perspektive auf Projekte entsteht, die das Zusammenspiel aller Beteiligten erheblich unterstützt.
Schon 2011 begann Carpus+Partner unter der Federführung von Formitas mit der 3D-Modellierung von Bauwerken mithilfe der BIM-Software Autodesk Revit. Die Formitas AG, die mittlerweile zu den führenden Anbietern für BIM-Beratung und -Management in Deutschland zählt, trug außerdem als Beratungs- und Schulungspartner dazu bei, die Akzeptanz im Markt für digitale Lösungen zu steigern.
Bei der Umstellung der Planungsprozesse auf Building Information Modeling stießen die vorhandenen Serverstrukturen bei Carpus+Partner bald an ihre Grenzen. Die Investition in eine Cloudlösung im Jahr 2020 amortisierte sich schnell durch die kürzeren Datenübertragungszeiten. Dazu kamen weitere Vorteile wie die einfachere Datenübergabe und die höhere Flexibilität durch den ortsunabhängigen Zugriff – ob in den Carpus+Partner-Niederlassungen in München oder Frankfurt, im Homeoffice in Aachen oder auf der Baustelle. Heute wird jedes BIM-Projekt von Anfang bis Ende cloudbasiert geplant. So auch beim technisch anspruchsvollen Neubau für einen großen, international operierenden Kunden.
Das Gebäudemodell als zentrale Wissensplattform
Dieses Neubauprojekt sollte erstmals Testeinrichtungen, Labore und Büros in einem innovativen Hybridbauwerk kombinieren. Die größte Herausforderung bestand in der komplexen Haustechnik mit zahlreichen Schnittstellen. Je früher alle Beteiligten eingebunden wurden, desto effizienter ließ sich diese hohe Komplexität steuern.
Als zentrale Arbeitsgrundlage diente ein Revit-Gebäudemodell, das über die Cloud-Plattform BIM Collaborate Pro für alle zugänglich war. Hier wurden die Planungsergebnisse aller Gewerke hochgeladen, vom BIM-Management sowie Carpus+Partner zusammengeführt und allen Beteiligten zeit- und ortsunabhängig verfügbar gemacht. Dies ermöglichte Live-Besprechungen mit dem Bauherrn, ohne physische Treffen zu benötigen.
Die Teilmodelle wurden gemeinsam bearbeitet, besprochen und für Kollisionsprüfungen genutzt. Durch diese modellbasierte und effiziente Kommunikation konnten die Teams in Echtzeit zusammenarbeiten. Das Ergebnis war eine gesteigerte Performance und ein klarer Zeitgewinn für das Projekt.
Gemeinsame Planung mit dem Auftraggeber
Zu den Besonderheiten des Projektes gehörte, dass der Auftraggeber selbst direkt am Planungsprozess beteiligt war. Die enge Zusammenarbeit und Abstimmung über das digitale Modell trugen entscheidend zu einem intensiven gegenseitigen Verständnis und schnellen Entscheidungen bei. Bereits ab der zweiten Leistungsphase konnte der Kunde mithilfe einer VR-Brille durch den Vorentwurf geführt werden. Diese immersive Erfahrung steigerte die Identifikation mit dem Projekt und ermöglichte es, die Entwurfsidee des Gebäudes zu verstehen, noch bevor der Bau begann.
Zusätzlich entstand durch die ganzheitliche Betrachtung des Gebäudelebenszyklus eine sehr hohe Transparenz. Schon zu Beginn flossen wichtige Faktoren wie Betrieb, Instandhaltung und die Bedürfnisse der zukünftigen Nutzer in das Modell ein. Fragen zu Arbeitsumfeldern, Raumklima und Flächenbedarf konnten frühzeitig geklärt werden. Diese umfassende Herangehensweise ist besonders bei komplexen Gebäuden wichtig, da jeder Planungsschritt unmittelbar Auswirkungen auf den nächsten hat – und ist in dieser Form nur mit digitalen Arbeitsmethoden realisierbar.
Die Zukunft in der Gegenwart vorausdenken
Die Planung des Hybridgebäudes bot bereits einen Blick in die Zukunft des Bauens: Auf Grundlage der Modelldaten wurden unter anderem die zukünftigen Heiz- und Kühllasten durch Georeferenzierung berechnet. Ein weiterer innovativer Ansatz war die Vorfertigung bestimmter Bauteile, wie das Hängesystem für die technische Gebäudeausstattung (TGA), in einer Produktionshalle. Diese vorproduzierten Teile mussten während der Bauausführung nur noch montiert werden.
Dieses Vorgehen veranschaulicht, wie Automatisierung und Vorfertigung in der Bauindustrie künftig aussehen könnten. Für die nächsten Jahre können wir einen erheblichen Entwicklungsschub erwarten, etwa durch die Vormontage ganzer Haustechnikstränge, die dann auf die Baustelle geliefert werden, um Zeit zu sparen. Die Potenziale in diesem Bereich sind noch lange nicht ausgeschöpft und bieten noch viel Raum für Innovation. Wir sind überzeugt, dass der Fortschritt in der BIM-Technologie der Hauptmotor dieser Entwicklungen und ein Innovationsvulkan für die Baubranche ist.