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19.03.2020 | Adrian Merkel

Bild dir deinen Zwilling

3D-Erfassung von Gebäuden

Eine neue Technologie ermöglicht die fotorealistische Erstellung des digitalen Zwillings von Gebäuden und Anlagen – mit handelsüblichen Digitalkameras

Die von der FRAMENCE GmbH entwickelte Technologie setzt ausschließlich auf Panoramabilder, die um Detailfotos ergänzt werden können. Diese Panoramen und Bilder werden in einem 3D-Navigationsgerüst verortet, wobei die 3D-Informationen aus den Panoramen heraus errechnet werden.

In das Navigationsgerüst lassen sich darüber hinaus 2D-Pläne und 3D-Modelle (BIM) einbinden. Diese Hybridgrafik ist die Basis für eine Vielzahl von Funktionen, die bisher nur in echten 3D-Modellen möglich waren.

Fotopanorama (Foto: Roche Pharma AG)

Ausgangssituation

Im Zuge der Digitalisierungsbestrebungen wurden zunehmend 3D-Modelle von Gebäuden und Anlagen gefordert. Durch die Tendenz zur Planung in BIM-Modellen liegen zumindest für Neubauten bis zu einem niedrigen Planungslevel 3D-Modelle vor. Für Bestandsimmobilien oder -anlagen war die nachträgliche 3D-Erfassung bisher zu teuer und aufwändig, auch wenn mit Laserscannern oder 3D-Fotografie verschiedene Verfahren zur Verfügung stehen, die eine Nachkonstruktion vereinfachen.

Gesucht wird deshalb ein einfaches Erfassungsverfahren, das weder die Nutzer aufgrund der Anwendungskomplexität überfordert noch die Kosten durch spezielle Hardware oder aufwändige Nachbearbeitung in die Höhe treibt. Dieses Verfahren muss es aus wirtschaftlicher Sicht zulassen, in kurzen Zeitabständen Dokumentationen zu erstellen und damit dem dynamischen Wandel der Gebäude und Anlagen gerecht zu werden.

Funktionsweise

Die Basis der neuen Technologie sind Voll- oder Teil-Panoramen, die mit handelsüblichen Digitalkameras mit Fischaugenobjektiv aufgenommen werden. Je nach Situation und Komplexität sind für einen Raum mindestens zwei Panoramen notwendig. Es gilt die Regel, dass jedes relevante Objekt auf mindestens zwei Panoramen sichtbar sein muss. Die Erstellung der Panoramen geschieht binnen weniger Minuten.

Die Kernfunktion der Technologie ist die Ausrichtung, Entzerrung, Korrektur und Justierung der Panoramen. Das übernimmt die intelligente Software weitgehend automatisch. Das Verfahren wurde zum Patent angemeldet.

Die Software rechnet auch den Kamerastandpunkt zurück, sodass dieser nicht eingemessen werden muss. Die so bearbeiteten Panoramen enthalten für jeden sichtbaren Punkt die 3D-Koordinaten und verhalten sich damit genau wie echte 3D-Modelle. Es ist also nur bei Bedarf notwendig, auf echte 3D-Modelle zurückzugreifen, die ohne großen Aufwand aus den Bildern heraus erzeugt werden können.

BIM Modell (Foto: Roche Pharma AG)

Die Ziele des Verfahrens bestehen nicht nur in der fotorealistischen Visualisierung von Gebäuden und Anlagen, sondern auch in der Erkennung von Maschinen und Bauteilen, der Erfassung von Stammdaten und der Verortung in Zeit und Raum. Dazu dient das integrierte Assetmanagement, das aus dem CAFM-System der speedikon FM AG übernommen wurde.

Im einfachsten Fall wird für ein Objekt ein Point of Interest hinterlegt. Da es sich hierbei um eine echte 3D-Markierung handelt, kann auf das betreffende Objekt aus jedem Panorama und Bild zugegriffen werden. Eine integrierte Suchfunktion, die auf Bezeichnung und sonstige Merkmale des Objekts referenziert, findet automatisch das Panorama, aus dem das gesuchte Objekt am besten sichtbar ist. Über diese Funktion lassen sich auch Fremdsysteme wie z. B. SAP mit technischen Plätzen anbinden.

Neben der geometrischen Verortung sind die Panoramen und Detailbilder auch zeitlich verortet. Da ältere Panoramen nicht aus dem System gelöscht, sondern zeitlich abgeschlossen werden, lassen sie sich über die integrierte Zeitschiene jederzeit abrufen.

Die Bewegung in der Zeit ist ebenfalls Bestandteil der Softwarelösung. Damit können Informationen schnell gefunden werden, die aktuell nicht mehr sichtbar sind. Ein Beispiel ist das im Zustand der offenen Decke fotografierte Panorama. Es zeigt alle Installationen, die in einer späteren Nutzungsphase nicht mehr zu sehen sind. Verschiedene Visualisierungsverfahren machen komplexe Situationen schnell erkennbar und helfen, Entscheidungen zu treffen.

Halbtransparente Überlagerung von BIM-Modell und Fotopanorama (Foto: Roche Pharma AG)

Eine wichtige Funktion ist die Ermittlung von Abmessungen. Obwohl wir uns in Bildpanoramen bewegen, sind alle sichtbaren Objekte auch maßstäblich vorhanden. Das Abgreifen von Maßen erfolgt durch einfaches Anklicken von Bildpunkten. Die so entstandenen Maßketten sind im 3D-Raum auf allen Panoramen sichtbar.

Der Vergleich von BIM-Modellen mit den realen Bausituationen ist bisher eine Herausforderung. Mit der neuen Technologie geht das einfach. Das BIM-Modell wird in das Hybridmodell geladen und von den Panoramen überlagert. Dadurch sind Abweichungen sofort klar ersichtlich. Auch für die dauerhafte Dokumentation ist diese as-built-Situation wichtig, da sie im Gegensatz zum BIM-Datensatz die reale Umgebung wiedergibt.

Vielfältige Anwendungsbereiche

Bei der Bestandsaufnahme und Bestandsfortführung bestehender Anlagen und Gebäude sind Panoramabilder durch die umfassenden Funktionen von großem Vorteil. Es lassen sich optional Detailbilder für Barcodes und Typenschilder mit einer einfachen Kamera hinzufügen. Diese können bei Instandhaltungen, Wartungen und Reparaturen hilfreich sein.

Die Dokumentation von sicherheitsrelevanten Bereichen für Feuerwehr, Rettungsdienste und Polizei ist ebenfalls ein wichtiges Anwendungsfeld der neuen Softwarelösung. Live-Bilder, z. B. von Überwachungskameras, sind zusätzlich in die Panoramen integrierbar. Durch das Implementieren von Sensoren kann die Technologie Echtzeitdaten übermitteln. Panoramen werden automatisch angezeigt, auf denen der auslösende Sensor zu sehen ist.

Weitere Anwendungsbereiche sind die Dokumentation des Baufortschritts und der Abgleich mit vorhandenen Plänen und BIM-Modellen. Dabei lassen sich BIM-Modelle mit der as-built-Information jederzeit überprüfen und ergänzen.

Installationen in Wänden, Decken und Fußböden werden in den meisten Gebäuden verkleidet und sind später nicht mehr ohne weiteres¬ zu erkennen. Bei der Dokumentation verdeckter Installationen sind alle Panoramen auf der integrierten Zeitschiene in der Umgebung eines Standortes sichtbar. Sind Umbauten, Erweiterungen oder Rückbauten geplant, ist es zusätzlich möglich, 3D-Modelle zu erstellen. Für die meisten Anwendungen sind 3D-Modelle ohnehin nicht mehr zwingend notwendig.

Überlagerung von BIM-Modell und Foto (Foto: Roche Pharma AG)

Fazit

Die Anwendung der Technologie ist auf Benutzerfreundlichkeit, Effizienz und Effektivität optimiert. Dies gelingt unter anderem mit dem schnellen fotografischen Erfassen der Panoramen. Vorhandene BIM-Modelle werden in das Hybridmodell zum Abgleich mit der realen Bausituation geladen.
Das ganzheitliche Verfahren ermöglicht eine durchgängige Integration von Daten und Informationen im gesamten Prozess des Planens, Bauens und Bewirtschaftens. Dank hoher Wirtschaftlichkeit beim Erstellen von Dokumentationen, gerade auch in kurzen Zeitabständen, wird es dem dynamischen Wandel von Gebäuden und Anlagen in hohem Maße gerecht.

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© Roche Pharma AG
Autor

Adrian Merkel studierte an der Universität von Aberdeen in Schottland und schloss mit einem Master in politischer Ökonomie und Management ab. Im Anschluss an sein Studium arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bauinformatik der TU Graz. 2009 gründete er die WiriTec GmbH, ein Schwesterunternehmen der speedikon FM AG, das sich auf die Entwicklungeffizienter Energiemanagement und Energiedatenmanagementlösungen spezialisiert hat. 2017 wechselte er in den Vorstand der speedikon FM AG. Anfang 2019 gründete er das Startup FRAMENCE GmbH. framence.com

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