20.11.2023 |
Dill Khan, Jürgen Schmitt
Das Computer Aided Design (CAD) ist schon lange Bestandteil des Curriculums an Hochschulen und Universitäten. Das Building Information Modelling (BIM) ist dagegen bei der Integration in den Lehrplänen noch in der Entwicklungsphase. Bereits im Jahr 2012 erkannte eine Gruppe von Studierenden aus dem Fachbereich der Architektur an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Darmstadt (h_da), dass BIM ein Themenkomplex ist, der das Arbeitsfeld der Tätigen im Bauwesen beeinflussen und prägen wird. Auf Eigeninitiative begann damals die Gruppe der Studierenden, sich dem Themenkomplex Digitalisierung im Bauwesen zu nähern und es entwickelte sich das Projekt Campus digital. Dabei war und ist es ein primäres Ziel des Projektes, eine interdisziplinäre Lehre für alle am Bau beteiligten Fachbereiche der h_da aufzubauen, um so das facettenreiche Spektrum der Digitalisierung im Bauwesen abzudecken. Im Juni 2022 wurde das Projekt mit dem BEGIS-FM Award ausgezeichnet.
Das Projekt Campus digital
Als einer der ersten Schritte wurde durch die Studierenden das Facility-Management der h_da, die Abteilung Bauen und Liegenschaften, kontaktiert und das Projekt Projekt Campus digital beziehungsweise die Idee die Schaffung eines digitalen Zwillings der h_da vorgestellt. Schnell wurden durch die Leitung des Facility-Managements die Vorteile von BIM beziehungsweise des digitalen Zwillings der Hochschule erkannt. In den ersten Wochen und Monaten wurden durch die Studierenden solide Grundlagen für den digitalen Zwilling geschaffen. Dazu wurden durch das Facility-Management der h_da die 2D-Bestandspläne in verschiedenen digitalen Formaten wie DWG, DXF, JPG oder PDF soweit diese vorhanden waren, zur Verfügung gestellt. Mithilfe einer Common Data Environment (CDE) wurden die Daten durch die Studierenden sortiert und allen Beteiligten zur Verfügung gestellt.
Die h_da verteilt sich mit über 80 Gebäuden über ganz Darmstadt und hat die zwei Standorte Campus Darmstadt und Campus Dieburg. Viele Gebäude der Hochschule sind aus den 70er und älter. Die Bestandsunterlagen sind oft mangelhaft oder sogar teilweise widersprüchlich. Aus den vorhandenen Daten (ca. 40 Terrabyte) wurden Daten (ca. 12 Terrabyte) durch die Studierenden herausgefiltert. Der Fokus lag dabei auf Grundrissen, Schnitten, Ansichten sowie TGA-Pläne.
Zum Organisieren der umfangreichen Datenmengen sowie dem Koordinieren, dem Erfassen, und dem Speichern von Dateien und Informationen ist eine CDE für den digitalen Zwilling essenziell. Im Projekt Campus digital werden hierfür die Plattform BIM360 von Autodesk und thinkproject verwendet.
Die Identifizierung jeder Information der Teilnehmer am Projekt Campus digital innerhalb des CDE ist von grundlegender Bedeutung. Auf diese Weise wird für jeden der Projektbeteiligten ersichtlich, wer eine bestimmte Information produziert. Die einzelnen Modelle der Gebäude der h_da, die von verschiedenen Projektmitglieder erstellt werden, haben somit einen rechtmäßigen Inhaber. Für die dreidimensionale Modellierung der einzelnen komplexen Gebäude arbeiten die Studierenden cloudbasiert in Zweier- bis maximal Vierergruppen gleichzeitig an einem Projekt/Gebäude zusammen.
Waren in den Anfangszeiten Studierende aus dem Fachbereich Architektur in dem Projekt aktiv, so sind in den letzten Semestern auch Studierende aus dem Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwesen sowie aus dem Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik hinzugestoßen. Das ist insbesondere für das Lernen des interdisziplinären Zusammenarbeitens sehr förderlich.
In der Anfangsphase des Modellierungsprozesses fand ein intensiver Austausch mit den Mitarbeitern der Facility-Managements der h_da statt, um so festzustellen, welche Anforderungen an den digitalen Zwilling gestellt werden. Lange Zeit wurden Einsatzmöglichkeiten und Vorteile der BIM-Methodik nur im Planungs- und Bauprozess wahrgenommen. Dabei führt ein Zusammenspiel von BIM und CAFM zu entscheidenden Verbesserungen in allen Lebenszyklusphasen von Gebäuden und Anlagen. Diskutiert wurde beispielsweise über Parametrik, Prüfintervalle, Feuerlöscher, Brandmelder, Erste-Hilfe-Kasten, Parameter der Raumstempel sowie die angebundenen ERP Systeme für den finanztechnischen Part. Hier wurden unter anderem auch Aspekte wie das Flächenmanagement, Raumbelegung, Renovierung, Instandhaltung oder auch Nachhaltigkeit besprochen.
Aber auch während der aktuellen Modellierungsprozesse findet eine enge Abstimmung mit dem Facility Management statt. So werden zum Beispiel zum Auftakt eines Semesters Meetings durchgeführt, um Ziele zu modifizieren und neue Ziele festzulegen. Deutlich wird bei der Zusammenarbeit mit dem Facility Management, dass insbesondere bei der Modellierung von größeren Strukturen das Facility Management immer von Anfang an einbezogen werden sollte, um eine vernünftige Grundlage für die weitere Arbeit des Facility Management zu gewährleisten.
Zusätzlich wurden zur Verifizierung der 3D-Modelle auch einige Hochschulgebäude gescannt. Ebenso wurde begonnen, den digitalen Zwilling als 4D- und 5D-Modell im Rahmen von Abschlussarbeiten zu erweitern. Am Ende soll der digitale Zwilling der h_da der Abteilung Bau und Liegenschaften zur Verfügung gestellt werden, um die Hochschulgebäude im Rahmen eines 6D-Modells zu managen (Lifecyclemanagment, Umbau, Neubau etc.). Geplant sind hierfür auch Schulungen der Mitarbeiter der h_da im Umgang mit den BIM-Modellen. Weitere Learning outcomes für die Studierenden im Projekt Campus digital sind die 2D-Plandarstellungen in Entwurfs-, Genehmigungs-, und Ausführungsführungsplanung, die mit der BIM-Methode parallel erstellt werden.
Die Vorlesung zum Projekt Campus digital
Neben dem „praktischen“ Erlernen des 3D- bis 5D-Modellierens wurde parallel eine Vorlesung im Rahmen des Projektes Campus digital entwickelt, die sich mit der Theorie, die hinter BIM steckt, auseinandersetzt und die stetig an die aktuellen Normen und Entwicklungen angepasst wird. Die wöchentliche Veranstaltung wendet sich an die Studierenden aus den Bereichen Architektur, Bau- und Umweltingenieurwesen sowie Gebäude- und Systemtechnik und hat jeweils eine Dauer von 45 bis 90 Minuten.
In den Anfangszeiten waren für die Veranstaltung ca. 20 bis 25 Studierende zugelassen. Aufgrund der starken Nachfrage ist die Kursstärke mittlerweile auf ca. 40 bis 45 Studierende angewachsen.
Die Inhalte umfassen Themen wie zum Beispiel:
Modellierungstandards der BIM-Methode
BIM aus der Sicht des Auftraggebers
BIM aus der Sicht des Auftragnehmers für Planung, Bau und Betrieb
Digitalisierung und die neuen Berufe
Rollen und Verantwortlichkeiten
Rollenverschiebung in den Leistungsphasen der Planer
Cloudbasiertes Arbeiten – Common Data Environment (CDE)
BIM Office Administration – Implementierung von BIM-Prozessen im Arbeitsalltag
Building Smart – Open Standards, IFC – Industry Foundation Classes
BCF – BIM Colaboration Format in der Anwendung
BIM und HOAI/BIM und VOB
AIA – Auftraggeber Informationsanforderungen
BAP – BIM Abwicklungsplan
BIM Richtlinien und Normen
Datenstrukturen
ISO-19650 in der Anwendung
KI – Generative Design in der Anwendung
5G und die Digitalisierung im Bauwesen
Roboter und die Baustelle der Zukunft
Digitale Transformation
Virtuelle Realität
Corporate Social Responsibility (CSR) – Corporate Digital Responsibility (CDR)
Klimawandel CO-Reduktion durch den digitalen Zwilling
BIM in der Ausschreibung
BIM im Bestand – Instandhaltung und Rückbau
SCAN2BIM Facility Management digital
Prüfen des Kompetenzerwerbs
Angesichts der großen Veränderung durch die Digitalisierung der Baubrauche lernen die Studierenden in einem praxisnahen Kurs auf die Problematiken der Digitalisierung einzugehen. Die Studierenden lernen frühzeitig, mit den Studierenden der anderen Fachdisziplinen zusammenzuarbeiten. Sie lernen auch die neuen Methoden der interdisziplinären cloudbasierten Zusammenarbeit kennen, auch die hier genutzte Software wird den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nähergebracht.
Der Kompetenzerwerb zeigt sich durch richtige Anwendung (Modellierstandard) bei der Modellierung der Hochschulgebäude. Die zu prüfenden Studierenden präsentieren ihr Gebäude und erklären anhand dessen, wie sie ihr Projekt aufgebaut und modelliert haben. Eine solche Präsentation durch einen Studierenden fand zum Beispiel auch auf der Autodesk-University-Messe 2019 im Darmstadium vor einem Fachpublikum mit etwa 300 Personen statt.
Zusätzlich gibt es eine theoretische Abgabe in Schriftform, in der die Teilnehmer einen ca. 20-seitigen BIM-Abwicklungsplan ihres Gebäudes erstellen. Hier soll der Erwerb des theoretischen Wissens widergespiegelt werden. Dabei werden auch gebäudespezifische Informationen festgehalten, die mit dem Facility Management festgelegt wurden. Dabei werden Informationen des Modellierstandards, aber auch allgemeine Gebäudeinformationen verlangt.
Bis jetzt haben etwa 300 Studierende der h_da aus dem Projekt Campus digital profitieren können. Viele von ihnen arbeiten heute in der Wirtschaft auf den Positionen eines BIM-Modellierers, BIM-Koordinators oder BIM-Managers.
Ebenso erfolgte auch eine Begleitung beim Neubau am Campus Darmstadt durch die Studierenden. Hier fand coronabedingt das Richtfest in digitaler Form statt. Dafür wurde ein Video vom Campus Darmstadt aus dem digitalen Zwilling der Hochschule erstellt.
Zukünftige Aktivitäten
Eine große Herausforderung steht mit der Schulung des Personals des Facility Managements der Hochschule bevor. Dadurch soll gewährleistet werden, dass der digitale Zwilling effizient genutzt und auch weiterentwickelt wird, da ein BIM-Modell nur nachhaltig ist, wenn es stetig mit aktuellen Informationen gefüllt wird.
Das Campus Model soll in einem auf BIM basierenden CAFM System überführt werden, um soweit es möglich ist, die Gebäude-Software unabhängig zu verwalten. Hier soll der Schwerpunkt auf Instandhaltung, Betrieb und Bewirtschaftung sowie Anlagenverwaltung liegen.
Ebenso soll der digitale Zwilling der Hochschule Darmstadt dazu dienen, um in Zusammenarbeit mit Building Smart, Abschlussarbeiten durchzuführen, bei denen Themen wie IFC, Brandschutzsimulationen usw. im Vordergrund stehen. Viele der Kursteilnehmer nutzen hier auch ihr Modell, um sich in bestimmte Bereiche der Bau-Digitalisierung zu vertiefen.
Ein anderes Themenfeld, welches sich eröffnet, ist das Generative Design. Dies kann den jungen Menschen als Assistent beim Erstellen, Testen und Evaluieren von komplexen Designprobleme dienen, um optimierte und fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Durch die Gebäudedaten des digitalen Zwillings der h_da und auch den dazugehörigen Geländedaten (GIS) eröffnet sich mit dem City Information Modellig (CIM) ein weiteres neues Themenfeld, das Potenzial für eine intelligente Stadtplanung mit sich bringt. Dies ist auch die Vorbedingung für eine Smart City. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, Verkehrsströme, Energieversorgung oder Klima in einem CIM-Modell zu simulieren. Hier besteht die Idee, nicht nur ein Modell für die h_da zu generieren, sondern auch ein Modell für Darmstadt zu erschaffen, was auch als Grundlage für Entscheidungen für Politiker, Investoren, Planer dienen kann.