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31.01.2022 | Lukas Schnaidt,Alexander Zanker, Peter Schnell, Amir Elmahdi

Alles im Blick mit 360°-Fotos 
auf der Baustelle

Innovative Tools

Die Anwendungsmöglichkeiten von 360°-Fotos auf Baustellen sind ausgesprochen vielfältig. Das zeigen einmal mehr Beispiele für die cloudbasierte Fortschrittskontrolle und Bauzustandsdokumentation. Der Mehrwert einer strukturierten Erfassung mittels dieser Methode wird sich in Zukunft aber nicht auf die reine Dokumentation des Bauzustands beschränken.

Auf den meisten Baustellen werden Fotos zur Dokumentation des Baustellenzustands, des Baufortschritts und der Identifizierung von Mängeln genutzt. Diese Fotos müssen nach der Aufnahme meist manuell gespeichert, einheitlich benannt und organisiert abgelegt werden. Ebenso muss eine einheitliche Ablagestruktur definiert sein, welche Informationen bezüglich des Datums und der Verortung beinhaltet und einen einfachen Zugriff für alle Beteiligten gewährleistet – ein Prozess, der oft zeitaufwendig und umständlich ist. So auch bei der ZECH Hochbau AG, ein auf die Errichtung von schlüsselfertigen Großprojekten spezialisierter Generalunternehmer.

Laut einer Umfrage innerhalb des Unternehmens beträgt der Zeitaufwand eines Gewerke-Bauleiters für die Fotodokumentation pro Tag mehr als 20 Minuten. Ebenso wurde bei 40 Prozent der Baustellen keine Software und bei den restlichen 60 Prozent keine einheitliche Software zur Bauzustandsdokumentation verwendet. Dadurch werden mangelnde Produktivität und Probleme bei der Anknüpfung weiterer Tools deutlich. Ziel war es deshalb, eine Lösung zu implementieren, welche den Dokumentationsprozess effizienter gestaltet und gleichzeitig die Qualität sowie Transparenz auf den Baustellen erhöht.

Cloudbasierte versus manuelle Prozesse

Zu Beginn des cloudbasierten Prozesses werden einmalig die Grundrisse des Gebäudes als 2D-Pläne importiert und die Standpunkte zur Verortung der 360°-Fotos festgelegt. Die Standpunkte können hierbei entweder manuell platziert und beschriftet oder automatisch aus dem zugehörigen BIM-Modell erzeugt werden. Bei den anschließenden Baustellenbegehungen muss dann nur noch einmalig an den Verortungspunkten „ausgelöst“ werden, um die Umgebung ganzheitlich zu dokumentieren. Dadurch ist eine einzige Begehung ausreichend, um den Zustand aller Gewerke aufzunehmen. Nach der Begehung ist mit der Synchronisierung der Prozess abgeschlossen und es muss keine zeitintensive manuelle Nachbereitung stattfinden.

Der Nutzen zeigt sich auf vielfältige Weise

Durch die Aufnahme von 360°-Fotos bei der Begehung der Baustelle wird der Arbeitsaufwand verringert und die Effizienz durch mehrere Funktionen erhöht. Besonders bei der Nacharbeit lässt sich der Aufwand reduzieren, da durch die singuläre Synchronisierung der neu aufgenommenen 360°-Fotos, die bisher manuell durchzuführenden Prozessschritte nahezu eliminiert werden. Dadurch entstehen keine Fehler bei der Benennung und Ablage der Fotos.

Die 360°-Fotos werden bei der automatischen Ablage mit den entsprechenden Verortungspunkten auf den Grundrissen verknüpft, wodurch diese intuitiv und effizient organisiert und so leicht wieder aufzufinden sind. Dies ersetzt die traditionelle Ordnerstruktur der Dokumentation, hin zu einer auf Metadaten basierenden Datenbank mit strukturierten Daten. Die automatische Ablage der 360°-Fotos auf einer Plattform ermöglicht zusätzlich einen einfachen und direkten Fernzugriff. Somit können Baustellenbegehungen zum Teil virtuell durchgeführt werden, wodurch die Wege- und Rüstzeiten eingespart werden können.

Auch die Kompatibilität mit einer BIM-basierten Projektabwicklung bietet viele Vorteile. Sie ermöglicht einerseits in der Planungsphase die direkte Verknüpfung zur Integration für die Verortungspunkte aus dem BIM-Modell, andererseits können in der Ausführungsphase die Mängelaufnahmen direkt aus dem Tool über eine Schnittstelle zu der verwendeten cloudbasierten Baustellenmanagement-Plattform übertragen werden. Und auch für die Übergabe der Dokumentation nach Abschluss des Bauprojekts an den Kunden, stellt die visuelle Bauzustandsdokumentation mittels 360°-Fotos eine Effizienzsteigerung dar, da die notwendigen Fotos und Dokumente strukturiert, ganzheitlich und zentral abgelegt sind.

Alle relevanten Informationen auf einem Blick

Mit Hilfe der 360°-Kamera lässt sich der gesamte Raum mit nur einem Foto aufnehmen. Im Durchschnitt können somit elf herkömmliche Fotos durch ein 360°-Foto ersetzt werden. Eine gute Qualität der Fotos durch eine hochwertige Kamera ist demnach besonders relevant. Darüber hinaus können die aufgenommenen 360°-Fotos interaktiv mit weiteren Dateien verknüpft werden. Hierzu zählen beispielsweise Detailfotos, PDF-Dokumente und sogar Audio- und Videodateien. Indem die Kamera den gesamten Raum aufnimmt, werden auch Probleme und Mängel erfasst, die bisher noch unbekannt waren.

Zusätzlich können mit einer Split-Screen Funktion Aufnahmen aus einem Verortungspunkt in unterschiedlichen Bauphasen miteinander optisch verglichen werden. Außerdem wird durch virtuelle Baustellenbegehungen die Arbeitssicherheit erhöht, da mit dem System eine Art „Google Street View“ für Projektbeteiligte und Sicherheitsfachkräfte geschaffen wird. Die Fachkräfte können die Baustelle per Fernzugriff digital begehen, was die Begehungsfrequenz steigert und damit die Unfallprävention erhöht.

Der Einsatz der 360°-Fotos endet jedoch nicht zwangsläufig bei der Abnahme des Projektes. Auch in der Betriebsphase werden die Vorteile des Systems ausgeschöpft. Das durchgängige Dokumentationstool bietet sich nämlich ebenso für das Facility Management an, wodurch eine ganzheitliche Dokumentation besser möglich wird.

Vorteile über die Baustelle hinaus

Ein zentraler Mehrwert der cloudbasierten 360°-Fotodokumentation besteht in der nachhaltigen Steigerung von Transparenz auf den Baustellen und deren Prozessen. Durch den virtuellen Zugriff auf die Bauzustandsdokumentation können Missverständnissen zwischen Projektbeteiligten vermieden werden. Auch Aufgabenbesprechungen oder Arbeitsanweisungen werden so effizienter, da die aktuelle Ist-Situation des Gebäudes ohne tatsächliche Besichtigung vor Ort, digital und mobil dargestellt und abgestimmt werden kann.

Die Möglichkeiten der cloudbasierten 360°- Fotodokumentation beschränken sich dabei nicht nur auf die Unterstützung des Baustellenpersonals bei operativen Tätigkeiten. Auch im Rahmen der Nachweislegung bei Auseinandersetzungen kann die vollumfängliche Dokumentation des Bauzustandes und dessen zeitliche Entwicklung von entscheidendem Vorteil sein. Das betrifft insbesondere verdeckte Leistungen, die sonst nur durch aufwendige Prüftechniken oder einen Teilrückbau nachgewiesen werden können.

Bild: ZECH Hochbau AG

Um Auseinandersetzungen mit Partnern, Kunden oder Nachunternehmern zu vermeiden, ist präventiv eine transparente Zusammenarbeit von großer Bedeutung. Das Rechte- und Rollenmanagement auf der Plattform ermöglicht hierfür beispielsweise die Vergabe von Leserechten, wodurch die entsprechenden Personen Zugriff auf die hinterlegte Fotodokumentation erhalten. Damit können nicht nur Mehrfachdokumentationen vermieden, sondern auch der Grundstein für eine partnerschaftliche Projektabwicklung gelegt werden.

Ausblick

Der Mehrwert einer strukturierten Erfassung von 360°-Fotos auf den Baustellen wird sich in Zukunft nicht auf die reine Dokumentation des Bauzustands beschränken. Die mit dieser Methode erfasste Menge an qualitativen und vollumfänglichen Daten kann mithilfe von künstlicher Intelligenz von verschiedenen Anbietern teilweise heute schon analysiert und auf verschiedene Anwendungsfälle hin ausgewertet werden. Einsatzmöglichkeiten hierfür sind beispielsweise im Bereich der Material- und Mengenerfassung, der Mängeldetektion oder der Terminplanung denkbar. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der digitalen Werkzeuge wird dabei die Qualität, Effizienz und Transparenz weiter steigern.

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© ZECH Hochbau AG
Autoren

Peter Schnell (M.Sc.) ist akademischer Mitarbeiter am Institut für Baubetriebslehre der Universität Stuttgart. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem digitale Methoden und Technologien sowie deren Auswirkungen auf die Bauwirtschaft und die am Bau Beteiligten.(Bild: privat) ibl.uni-stuttgart.de


Lukas Schnaidt (M.Sc.) ist im Bereich Digitalisierung und Innovationen bei der ZECH Hochbau AG tätig. Im Rahmen seiner Arbeit beschäftigt er sich mit der Digitalisierung und der Automatisierung von Prozessen sowie mit neuen Methoden und Ansätzen rund um das Bauen. (Bild: privat)


Dr.-Ing. Amir Elmahdi ist Leiter der Digitalisierung bei der ZECH Hochbau AG und legt seinen Fokus auf der Verbesserung der Effizienz und Effektivität des Unternehmens. Er stellt die aktuelle Arbeitsweise in Frage und schaut über das Gewohnte, Bekannte und Erwartete hinaus, um Ideen zukunftsfähig zu machen. (Bild: privat)


Alexander Zanker (M.Sc.) ist als Business Analyst bei der ZECH Hochbau AG tätig und auf Prozessdigitalisierung und Datenanalyse spezialisiert. Hierbei arbeitet er eng mit der IT, den Projektteams auf den Baustellen sowie den technischen und administrativen Abteilungen des Unternehmens zusammen. (Bild: privat)

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