16.11.2021 |
Lisa Schaab
So wie der Umfang von BIM nach Bedarf fest- gelegt wird, variieren auch die erforderlichen Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Auf- gaben von BIM-Managern je nach Bauprojekt und werden zu Beginn individuell vereinbart. Schaut man in die AHO oder die DIN 2552, wird die Rolle vornehmlich als Ansprechpartner des Auftraggebers in allen digitalen Belangen beschrieben. Der BIM-Manager definiert im Rahmen des Projektmanagement-Prozesses die AIA (Auftraggeber-Informations-Anforderun- gen) und erstellt die BIM-Ziele und -Anwen- dungsfälle. Darüber hinaus liegen die Verwal- tung des CDE (Common Data Environment), die übergeordnete Qualitätssicherung der BIM- Modelle und die Dokumentation aller BIM- Leistungen in seinem Verantwortungsbereich. Das Leistungsbild von BIM-Managern ist ohne einige Hintergrundinformationen nicht leicht zu verstehen und lässt viel Spielraum für Interpretationen. Wer einen BIM-Manager be- auftragen möchte, weiß nicht unmittelbar, was dessen konkrete Aufgaben sind und in welchen Projektbereichen die BIM-Methode angewen- det werden soll. Auch Vorträge, Artikel und an- dere Literatur strotzen vor Fachbegriffen. Die Hemmschwelle, Rückfragen zu stellen, ist hoch. Keiner möchte sich als unwissend outen.
Dies kann zu Kommunikations- und Verständigungs- schwierigkeiten führen. Zusätzlich wächst die Anzahl an BIM-Managern. Viele Fachplaner, Projektsteuerer und BIM-Interessierte besu- chen Schulungen und Zertifikatslehrgänge, um sich entsprechende Kompetenzen anzueignen. Diese Entwicklung zeigt, dass viele Parteien von BIM überzeugt oder sogar begeistert sind, jedoch oftmals noch die Praxiserfahrung fehlt
und viel Halbwissen vorhanden ist.
Daher möchten wir eine Orientierung ge- ben, welche Indikatoren auf die Qualität von BIM-Managern schließen lassen. Im Folgen- den haben wir die zehn wichtigsten Lernerfah- rungen aus unserer Praxis im BIM-Manage- ment zusammengefasst:
1. Einführende Ziel-Workshops, damit alle dieselbe Sprache sprechen
Jeder BIM-Manager hat zu Beginn eines Projektes eine grobe Vorstellung davon, zu welchen¬ BIM-Anwendungsfällen und -Prozessen er dem Bauherrn rät. Dennoch ist es unerlässlich, einen Ziel-Workshop mit dem Auftraggeber durchzuführen, um ein gemeinsames BIM-Verständnis zu erlangen. Auch Wünsche und Gründe für die Anwendung der BIM-Methode seitens des Bauherrn sollten einbezogen werden.
Häufig sind etwa fortgeschrittene Anwendungsfälle entscheidend, also solche, die sehr hohe Anforderungen an die Modellierung und Standardisierung von Informationen in den Fachmodellen einzelner Planungsdisziplinen erfordern. Das kann zum Beispiel eine automatisierte Kostenermittlung sein. Selbstverständlich ist es möglich, dies in einem Projekt umzusetzen, jedoch sollte der Bauherr ehrlich über die Bedeutung, den Aufwand und die Anforderungen an die zu beauftragenden Fachplaner aufgeklärt werden. Nur so kann er transparent Aufwand und Nutzen gegenüberstellen.
2. AIA übersichtlich halten
Eine Aufgabe von BIM-Managern ist das Verfassen der Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA). Damit ist eine Art Lastenheft für die BIM-Methode gemeint. Dieses ist Vertragsbestandteil und muss wasserfest sein. Jedoch sieht man in Projekten viele AIAs mit sehr umfangreichem Volumen und vielen Fachbegriffen. So ist kaum einem Fachplaner vollständig klar, was genau er hier unterschreibt.
Die Kunst besteht darin, einen rechtssicheren AIA zu erstellen, der konkret und kurz auf den Punkt bringt, was der einzelne Fachplaner liefern muss und weshalb der Bauherr dies verlangt. Dies kann im Projekt Geld und Aufwand sparen, da die Fachplaner anhand der AIA direkt beurteilen können, ob sie alle beschriebenen Anforderungen erfüllen. Natürlich besitzt jeder BIM-Manager eine Vorlage für die AIA, jedoch muss diese für ein Projekt in Abhängigkeit der Beteiligten, der Vergabestrategie und der Planungsinhalte individuell angepasst werden.
3. Attribute individuell auf Bauherrenziele abstimmen
Dasselbe gilt auch für die in den AIA geforderten Attribute (mit Bauteilen verknüpfte Informationen, wie z. B. das Material) und die Modellierungsrichtlinien (Vorgaben für das Konstruieren eines BIM-Modells). Die Anforderungen und der Umfang sollten dem Kontext der internen Prozesse von Bauherrn entsprechen, wie auch den im Zielworkshop definierten Anwendungsfällen. Dies bedeutet für den BIM-Manager viel Aufwand, da er alle Themen der Attributlisten und Modellierungsregeln für jedes Projekt erneut hinterfragen sollte. Ist der direkte Nutzen des Einpflegens von Attributen von Beginn an klar, hat dies direkte Auswirkungen auf die Umsetzung durch Fachplaner und auf deren Qualitätsbestreben. Auch fällt das Angebot unter Umständen günstiger aus, wenn sich die Anzahl an geforderten Attributen im Rahmen hält.
4. Vorteile von IFC nutzen
Die Abkürzung IFC steht für Industry-Foundation-Classes und klassifiziert ein standardisiertes Datenschema zur Beschreibung von Gebäudeinformationen. Dieses sollte als Austauschformat zwischen den Projektbeteiligten verwendet werden. Seine Vorteile bestehen darin, dass die Dateien kleiner und standardisiert aufgebaut sind und von fast jeder in diesen Prozessen verwendeten Software gelesen werden können.
Es erfordert jedoch einen sauberen Export. Bei einigen Softwaretypen gibt es eine Reihe von Einstellungsmöglichkeiten und nicht alle Elemente erscheinen in der IFC zwingend genauso wie in der Modellierungssoftware. Doch selbst wenn alle Projektbeteiligten eine Softwarefamilie nutzen und daher auch andere Formate nutzen können, sollte ein guter BIM-Manager auf diesen Exportprozess bestehen und die Qualitätssicherung gewährleisten. Nur so kann garantiert werden, dass das Modell auch über die nächsten Jahrzehnte von verschiedensten Softwaretypen gelesen werden kann. Entsprechend können beim Einsatz von IFC viele weitere Anwendungsfälle umgesetzt werden.
5. Schulung von Projektteilnehmern
In jedem Bauprojekt gibt es eine Vielzahl an Projektteilnehmern. Diese verfügen über unterschiedliches Know-how und betrachten die Planung aus ganz anderen Blickwinkeln. Nicht alle davon sind, software- oder hardwaretechnisch, in der Lage, sich die BIM-Modelle von der Projektplattform herunterzuladen und anzuschauen sowie die hinterlegten Attribute zu nutzen. Meist ist dies nur bei den modellierenden Parteien der Fall.
Jedoch kann die Qualität der gesamten Planung enorm verbessert werden, wenn man in einem BIM-Projekt alle Teilnehmer dazu befähigt, einen Viewer zu nutzen und ein Feedback zum 3D-Modell zu geben. Dies ist für viele Akteure intuitiver als das Lesen von 2D-Plänen. Bei der Toolauswahl gilt es vor allem, das Handling, die erforderliche Hardware und die Bereitstellungskosten zu berücksichtigen. Alternativ dazu können regelmäßige Termine angesetzt werden, in denen alle Beteiligten gemeinsam das Modell anschauen.
7. Planung visualisieren
Ein häufig unterschätztes Thema in BIM-Projekten ist die Visualisierung der Planung. Die meisten Verzögerungen und Nachträge im Bauwesen entstehen erfahrungsgemäß durch verspätete Entscheidungen oder Meinungsänderungen seitens der Bauherren oder späteren Nutzer des Gebäudes. Dies kann erheblich minimiert werden, wenn die einzelnen Zielgruppen die Planung frühzeitig „erleben“ können. Es gibt verschiedene Medien, anhand derer die Planung visualisiert werden kann. Beispiele dafür sind unter anderem Pläne, Listen, 3D-Modelle, VR-Begehungen, 4D-Ablaufsimulationen, Fluchtwegsimulationen oder Simulationen der Montagelinien. Pläne und Listen kommen in der Regel in jedem Projekt vor.
Das 3D-Modell kommt bei BIM-Projekten unweigerlich hinzu, aber alle weiteren Visualisierungsoptio¬nen werden tendenziell zu wenig eingesetzt. Ein erfahrener BIM-Manager wird Bauherren auf diese Möglichkeiten aufmerksam machen, ob im einführenden Zielworkshop oder bei gegebenem Anlass für die Visualisierung einer Schlüsselstelle. Manchmal können diese Visualisierungen unmittelbar aus dem Modell abgeleitet werden. An anderer Stelle ist für die Darstellung jedoch der Anschluss an eine separate Datenbank oder das Aufarbeiten von Materialien notwendig. Dieser gegebenenfalls notwendige Aufwand lohnt sich jedoch nicht nur aus Marketing-Gesichtspunkten, sondern dient auch der Bewertung der Planung. Beispiele dafür sind die virtuelle Bedienung der zukünftigen Arbeitsplätze durch Mitarbeiter in einer VR-Umgebung, Simulationen von Schleppkurven oder Wege-Optimierungen.
8. Attribute verwalten
Die Bauteile eines 3D-BIM-Modells werden, neben der Geometrie, vor allem von den Attributen definiert. Nur diese Informationen ermöglichen die Durchführung der Anwendungs¬fälle. Dabei gibt es Prozesse, bei denen automatisiert auf die BIM-Modelle zugegriffen wird, wie z. B. bei einer Mengenermittlung. Hier werden Summen über Bauteile mit identischen Eigenschaften gebildet und zum Beispiel für eine Kostenkalkulation genutzt. Dabei verlässt sich jeder Planer auf die im Modell hinterlegten Daten.
Sofern das Auslesen von Informationen durch Softwarelösungen übernommen wird, müssen die von Planern eingepflegten Daten maschinenauslesbar sein. Das bedeutet beispielsweise, dass für eine Software „Stahlbeton“, „STB“, „Stahl-Beton“, oder auch eine Schreibweise mit Rechtschreibfehlern, jeweils unterschiedliche Materialien sind.
Hier ist es Aufgabe des BIM-Managements, Aufwand und Nutzen abzuwägen, die Anforderungen der einzelnen Anwendungsfälle richtig einzuschätzen und sie in die AIA aufzunehmen.
9. Einsatz automatisierter Kollisionsprüfungen hinterfragen
Wie zuvor beschrieben, gewährleisten Qualitätssicherungen der BIM-Modelle die Durchführbarkeit von Anwendungsfällen und die frühere Identifikation von Planungsunstimmigkeiten. Dafür werden gerne automatisierte Kollisionsprüfungen genutzt.
Sie überprüfen die Fachmodelle anhand von Regeln automatisiert auf Unstimmigkeiten oder Überschneidungen. Es gibt dazu zahlreiche Softwarelösungen am Markt mit verschiedenen Stärken und Schwächen. Auf Knopfdruck können zahlreiche Prüfergebnisse zu verschiedensten Thematiken und Bauregeln ausgegeben werden. Dies ermöglicht eine nahezu nie dagewesene Sicherheit der Planung. Diese ausgegebenen Ergebnisse zu sichten, ist einerseits für Gesamtkoordinatoren wie auch für Planer viel Arbeit und kann andererseits die falsche Schwerpunktsetzung für Planer sein, insbesondere zu einem frühen Planungszeitpunkt. Zahlreiche Themen werden aufgeworfen, welche Planer ohnehin auf der Agenda haben, aber erst später berücksichtigen würden.
Dennoch sind Kollisionsüberprüfungen bereits zu frühem Zeitpunkt sinnvoll; sie sollten jedoch in enger Abstimmung mit den Fach¬gewerken erfolgen. Alternativen dazu bieten visuelle Qualitätssicherungen, welche durch Einfärbungen und die Anzeige bestimmter Objekte eine Beurteilungsgrundlage bereitstellen. Eine Balance beider Elemente ist sinnvoll.
10. Issue-Präsentation beachten
Viele Fachplaner reagieren mittlerweile sehr empfindlich auf das Wort Issue. Im Englischen bedeutet der Begriff „Thema“ oder „Problem“ und im BIM-Prozess wird damit häufig eine Unstimmigkeit oder Problemstellung verbunden, die auf die Gesamtkoordinatoren im Rahmen der Qualitätsüberprüfung hinweisen. Auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, diese Unstimmigkeiten an Fachplaner zu kommunizieren. Entweder man erstellt für jedes Thema ein einzelnes Issue oder man gruppiert diese nach verschiedenen Kriterien, wie etwa Geschossigkeit, TGA-Gewerk oder Trasse. Der Umgang damit hat einen erheblichen Einfluss auf die Arbeit der Fachplaner. BIM-Manager sollten deswegen einen Blick auf die Perspektiven und die implementierte Fehlerkultur im Projekt haben.
Selbstverständlich kann man die Kompetenz von BIM-Managern nicht ausschließlich anhand dieser zehn Punkte bemessen. Wer diese berücksichtigt, ist nicht automatisch ein guter BIM-Berater für den Bauherren. Dazu gehören ebenso kompetentes Schnittstellenmanagement sowie technisches Know-how über die einzelnen Softwarelösungen am Markt, über ihre Vor- und Nachteile und die Kompatibilität verschiedenster Softwareanwendungen untereinander. Gerade für die strategische Beratung zu Beginn, für einen erfolgreichen Zielworkshop und die Generierung der AIA, müssen BIM-Manager in der Lage sein, schon sehr früh im Prozess die Anforderungen an Menschen, Modelle und Tools definieren zu können. Ein Urteil über diese Kompetenzen zu treffen ist für Fachfremde sehr schwierig. Ein Gespräch mit BIM-Managern über ihre Einstellung zu den genannten zehn Punkten gibt Ihnen aber bereits eine Menge Aufschluss über ihr Know-how, Kulturverständnis und ihre Arbeitsweise.