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Anja Beecken

"Nicht jeder Bau ist ein BIM-Projekt"

Kommentar der Architektin Anja Beecken

Theoretisch kann auch ein Carport mit BIM geplant und gebaut werden. Ob das sinnvoll wäre, ist eine andere Frage. Denn BIM ist kein Wundermittel für jeden Zweck. Architektin Anja Beecken erklärt in ihrem Kommentar, wo sie die Vorteile von BIM sieht – und wo die Grenzen.

BIM ist ein 3D-Modell, an dem alle Planungsbeteiligten gemeinsam vom Entwurf bis zur Fertigstellung und Dokumentation arbeiten. Das bedeutet, dass alle Planer, Architekten, Statiker und Haustechnikplaner (z. B. Elektro-, Lüftungs- und Sanitärplaner) an einem 3D-Modell zeichnen. Damit sollen eine größtmögliche Transparenz und Planbarkeit hergestellt und die Fehlerquote stark verringert werden.

Klare Strukturen durch BIM

Nehmen wir nun eine Bauzeichnung und stellen uns vor, alle beauftragten Planer zeichnen im selben Modell die Bauteile ein, für die sie zuständig sind. Der Architekt zeichnet die Gebäudeteile wie Fassade und Dach, Wände und untergehängte Decken, Türen und Doppelböden ein. Der Statiker zeichnet die Stützen oder Unterzüge, die Stürze der Türen oder die Deckenstärken ein. Der Haustechnikplaner zeichnet seine Leitungen in den Hohlraum der untergehängten Decken oder Doppelböden, der Klimaplaner seine Klimageräte und der Elektroplaner seine LED-Leuchten. Der Heizungsplaner ordnet seine Heizkörper entsprechend seiner Berechnungen in den Räumen an. Natürlich müssen dabei Absprachen getroffen werden, die es vorher nicht gab. Wie legt z. B. der Architekt die Unterzüge einschließlich der Deckenstärken an, damit der Statiker seine Bewehrung einbauen kann?

Wenn jeder die Bauteile, die zu seiner Planung gehören, mit dem gleichen 3D-Programm im selben 3D-Modell einzeichnet, gibt es theoretisch auf der Baustelle nicht mehr verschiedene Sätze von Plänen – Architektenausführungspläne der Architekten, Schal- und Bewehrungspläne der Statiker oder Ausführungspläne der Haustechniker – sondern einen einzigen Satz. Jede Firma muss in der Lage sein, diese dreidimensionale Planung  zu plotten oder zumindest einzulesen. Denn BIM soll Ordnung in die Planung bringen, Übersichtlichkeit über die Arbeitsstände und klare Strukturen.

Bleibt man beim gemeinsamen Modell, in das alle Bauteile eingetragen werden, dann hat jeder seinen Raum im Modell, indem er zeichnen kann. Bauteile, die ihn nichts angehen, bleiben gesperrt. Ein Protokoll führt darüber Buch, wer wann was in die jeweilige Zeichnung eingetragen hat.

Gründlichere Planung in allen Leistungsphasen

Daraus ergibt sich ein Vorteil, der gerade von planenden Berufen genannt wird: eine noch stärkere Planung im Vorfeld, um in der tatsächlichen Bauphase Fehler zu vermeiden. Und diese bessere Planung im Vorfeld wird dreidimensional sein. Auch Fehler werden nicht zweidimensional, sondern dreidimensional sichtbar. Alle gleichberechtigt am Modell arbeitenden Beteiligten korrigieren diese Fehler.

Nimmt man beispielsweise einen klassischen Punkt, an dem Rohrdurchführungen in Form von Durchdringungen durch statische Träger auf Kreuzungen von Rohren treffen, so werden diese Überschneidungen – oder besser Überschneidungsfehler – dreidimensional zu sehen sein.

Eine noch gründlichere und detailliertere Planung im Vorfeld kann nur positiv bewertet werden. Das ist genau das, was ich mir als Architektin immer gewünscht habe. Noch wichtiger als zuvor ist es allerdings in diesem Zusammenhang, die Entscheidungen der ersten Leistungsphasen nicht mehr zu ändern. Je intensiver die Computerarbeit aller Beteiligten schon zu einem frühen Zeitpunkt ist, desto wichtiger ist es, Entscheidungen aus vorangegangenen Variantengegenüberstellungen in kleineren Maßstäben bestehen zu lassen.

Ausschreibungen und Dokumentation

Die Idee, BIM in Deutschland zu etablieren, wird vor allem von der Bauherrenseite vorangetrieben. Neben der genaueren Planung vor Baubeginn gibt es aber noch eine starke Forderung der Bauherren: Gebäudedokumentation.

Nach Fertigstellung des Gebauten wünscht sich der Bauherr ein 3D-Modell, in dem raumweise und materialabhängig alles dokumentiert und abrufbar ist. So werden beispielsweise Fensterlisten, Türlisten, Raumbücher oder Fußbodenbeläge eingelesen. Der Bauherr wünscht sich dies vor allem, um in den Folgejahren Nachbestellungen und Reparaturen einfacher auszuführen.

Baudokumentation wie Raumbücher, Tür- und Fensterlisten gab es immer schon als Besondere Leistung. Die Idee eines dreidimensionalen Körpers, der per Mausklick in jedem Raum alle Informationen darstellt, gibt der Gebäudedokumentation jedoch eine neue Bedeutung. Vor allem professionelle Bauherren streben dieses System an, um Gebäude effektiv verwalten und instandhalten zu können.

Ausschreibungen und Bauzeitenpläne sollen sich durch passende Aufsatzprogramme ebenfalls aus der 3D-Modellwelt erzeugen lassen, um Kosten und Termine zu verknüpfen. Auch die Rechnungsprüfung wird dann an diesem 3D-Modell durchgeführt. Computerprogramme wie Ceapoint von MS-Projekt zur Verknüpfung der Bauzeitenpläne oder itwo von Arriba zur Verknüpfung von Kosten und Terminen sind jedoch noch sehr teuer – und alle Beteiligten müssten diese Programme lizenzieren und verwenden.

Rückzug der 3D-Planung

Die 3D-Darstellung ist für viele Architekten gängige Praxis. Seit ca. 1986 benutzen fast alle Architekten 3D-Modelle. Zu Beginn der neunziger Jahre zeichnete auch ich alle Entwurfs- und Ausführungsplanung in 3D. Doch die Programme zeigten oft Schwächen beim fugenlosen Generieren von Fassaden aus der Zusammensetzung der einzelnen Etagen.

Ab Ende der neunziger Jahre ließ die Begeisterung für dreidimensionale Ausführungsplanungen in unserem Umfeld nach. Bauherren forderten kein 3D. Grundrisse, Schnitte und Ansichten zweidimensional zu zeichnen, erforderte weniger Aufwand. Die 3D-Entwicklung war rückläufig. Zur Zeit werden die meisten Projekte wieder in 2D bearbeitet. Zu hoch ist auch der Aufwand bei geforderten Änderungen in 3D-Modellen.

Das soll nun anders werden, seit über BIM von Verknüpfungen der drei Dimensionen mit Zeitabläufen, Lebenszyklen, Kosten und Amortisationen nachgedacht wird. Und ich bin davon überzeugt, daß sich BIM bei Bauherren in der professionellen Ebene für Großprojekte durchsetzen wird. Aber so, wie es auch heute noch Statiker gibt, denen man PDF-Pläne schickt, weil sie in diese lediglich ihre Informationen einarbeiten, so wird es vermutlich auch weiterhin viele Ingenieure geben, die nicht mit allen Programmen der BIM-Welt ausgestattet sind.

Um mit BIM arbeiten zu können, benötigen alle am Planungsprozess Beteiligten und natürlich auch der Bauherr selbst nicht nur kompatible Software, sondern auch Mitarbeiter, die damit umgehen können: BIM-Berater, BIM-Manager, BIM-Koordinatoren, die als neue Berufe oder Rollen auf allen Seiten entstehen müssen, die neben der Tätigkeit von Architekten und Ingenieuren neu verhandelt werden sollen.

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Autor

Dipl.-Ing. Architektin Anja Beecken studierte von 1982 bis 1989 Architektur in Braunschweig, Darmstadt und Florenz. 1993 gründete sie das Büro Anja Beecken Architekten in Berlin. Von 2006 bis 2009 war sie Landesreferentin der Berliner Architekten im Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e.V. Anja Beecken ist u. a. zertifizierte Energieberaterin, Mitglied im Rat für Stadtentwicklung Berlin und im Beirat Moderne Gebäudetechnik, Delegierte der Architektenkammer Berlin sowie Mitglied im AK Digitalisierung/BIM der Architektenkammer Berlin. www.anja-beecken.de

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