10.11.2023 |
Sebastian Kohts
Die digitale Konnektivität einer Bestandsimmobilie nachzurüsten, erfordert Wissen, Ausdauer und Kreativität. Das Ergebnis steht einem modernen Neubau jedoch in nichts nach.
Die Anforderungen von Eigentümern und Nutzern an Gewerbeimmobilien haben sich in den letzten Jahren grundsätzlich gewandelt. Arbeitskonzepte wie New Work sind an der Tagesordnung. Digitalisierte Arbeitsprozesse sind erfolgskritisch und nicht zuletzt ein Argument im “War for Talents”. Eine umfassende und zuverlässige Konnektivität ist daher eines der wichtigsten Qualitätskriterien bei der Beurteilung von Gewerbeimmobilien. Bei Neubauten können diese Standards von Anfang an berücksichtigt werden. Doch wie sieht es bei bestehenden Gebäuden aus? Lassen sich ältere oder gar historische Gebäude nach modernen technologischen Standards nachrüsten? Fragen, die für die Baubranche aufgrund der aktuell hohen Zinsen und der gestiegenen Baukosten immer stärker in den Fokus rücken. Experten sind sich längst einig: Das Augenmerk wird sich in den kommenden Jahren zwangsläufig auf den Bestand richten. Und in einem Punkt sind sich sowieso alle einig: Nichts ist weniger nachhaltig als ein leerstehendes Gebäude, das den technischen Anforderungen der Mieter nicht genügt.
Digitale Konnektivität ist klar definierbar: Ausfallsicherheit hat oberste Priorität
Bei der Aufrüstung im Bestand geht es mitnichten “nur” um die Erhöhung der Internetgeschwindigkeit. Viel entscheidender sind drei Faktoren, die die digitale Konnektivität eines Gebäudes definieren - egal, ob Neubau oder historisches Gebäude:
- Ausfallsicherheit,
- Auswahloptionen,
- Zukunftssicherheit.
Um die beiden ersten Aspekte zu garantieren, müssen bei der Nachrüstung bestehender Immobilien zwei voneinander unabhängige Systeme etabliert werden. Dies erreicht man üblicherweise durch redundante Glasfaseranschlüsse von verschiedenen Netzbetreibern, die an unterschiedlichen Stellen ins Gebäude führen. Der Vorteil: Im Falle einer Beschädigung eines der Glasfaserkabel - beispielsweise durch Tiefbauarbeiten - bleibt das räumlich weiter entfernte zweite Kabel intakt. Menschen, die einer Bürotätigkeit nachgehen, sind heutzutage in fast jeder Branche längst von einem funktionierenden Internet abhängig. Ein Telefonat sicher und unterbrechungsfrei fortführen zu können, während man mit dem Aufzug fährt oder in der Tiefgarage in sein Auto steigt, ist außerdem ein echter ökonomischer Mehrwert. Eine Studie von Gartner zeigt, dass ein Internetausfall Unternehmen teuer zu stehen kommt: Eine Stunde ohne Netz kostet demnach durchschnittlich 300.000 Dollar!
Zudem sollten zukünftige technologische Entwicklungen bei der Renovierung von Bestandsimmobilien berücksichtigt werden. Das gelingt durch zusätzliche Kapazitäten in Form von vorgehaltenen Flächen, so dass neue Technologien unkompliziert implementiert werden können. Das Tempo des technologischen Fortschritts war in den letzten Jahren extrem hoch, und es ist nicht zu erwarten, dass sich daran zukünftig etwas ändern wird.
Hürden bei der Nachrüstung gehören dazu
Doch es wäre naiv anzunehmen, dass das Nachrüsten von Bestandsimmobilien immer ein Kinderspiel sei. Im Vergleich zu einem Neubau müssen die dafür notwendigen baulichen Voraussetzungen unter bereits gegebenen Bedingungen erst geschaffen werden. Vielleicht ist der vorhandene Telekommunikationsraum zu klein oder die Anzahl der Hausanschlüsse und Steigepunkte im Objekt zu gering? Solche Aspekte müssen zwingend gelöst werden.
Oftmals stellen sich auch der Denkmalschutz und entsprechende Richtlinien als ein Hemmnis heraus. Meist ist ein Vielfaches an Kommunikation erforderlich, da die Abstimmungsprozesse zwischen den Planern, dem Eigentümer und den Behörden komplexer und aufwendiger sind als bei einem Neubau. Auch die Ausfallsicherheit des Internets zu gewährleisten, kann im Bestand zur Herausforderung werden. Hier gilt es, vorhandene Dokumente und Verträge zu prüfen. Gibt es bereits bestehende Verträge mit mehreren Anbietern von Glasfasernetz? Wenn nicht: Welche Unternehmen kommen an der Stelle infrage? Ganz generell gilt: Je früher man mit den entsprechenden Firmen ins Gespräch kommt, desto besser!
Es gibt für alles eine Lösung, doch nicht alle sind gut oder erlaubt
Wie es um bestimmte Konnektivitätskriterien bestellt ist, lässt sich jedoch nur unmittelbar vor Ort klären. Das betrifft beispielsweise die Signalstärke des Mobilfunkempfangs, die tatsächlich an Ort und Stelle gemessen werden muss. Ist das Signal zu schwach, besteht die beste aller Lösungen darin, ein Antennensystem ins Gebäude einzuziehen. Es dient als Signalverteiler innerhalb des Gebäudes - und zwar bis in jede Ecke und auf allen Ebenen inklusive der Tiefgarage. Ein ähnliches System wird beispielsweise auch in U-Bahnhöfen genutzt. Die Kosten für Immobilieneigentümer belaufen sich bezogen auf das gesamte Gebäude auf rund 20 Euro pro Quadratmeter Bürofläche.
WLAN-Telefonie oder Mobilfunkverstärker auf Repeaterbasis können in einem solchen Fall zwar ebenfalls Abhilfe schaffen. Ersteres hat jedoch den Nachteil, dass Gespräche abbrechen können, wenn man das WLAN-Netz verlässt, beispielsweise durch das Betreten eines Aufzugs innerhalb des Gebäudes. Und ein Repeater ist, zumindest in Deutschland, genehmigungsbedürftig, was häufig langwierig oder teilweise gar nicht möglich ist. Wenn Unternehmen sie ohne Genehmigung nutzen, machen sie sich strafbar - und sind sich dessen oft gar nicht bewusst.
Ein gut nachgerüstetes Gebäude steht einem Neubau in nichts nach
All dies zeigt: Bestehende Gebäude in puncto digitale Konnektivität nachzurüsten, erfordert zwar Mühe, ist jedoch machbar. Die von Anfang an mitgedachte Zertifizierung der digitalen Konnektivität unterstützt Immobilieneigentümer darin, Verbesserungspotenziale der Immobilie gezielt aufzudecken. Gleichzeitig hilft es Mietern, Objekte zu identifizieren, die den heutigen sowie den zukünftigen Anforderungen entsprechen. Wer den Prozess von Anfang an sinnvoll angeht, erzielt ein Ergebnis, das einem Neubau in nichts nachsteht. Der Bestand an Berliner Gewerbeimmobilien ist dafür das beste Beispiel: Hier befinden sich aktuell 105 Gebäude bzw. 2,3 Millionen Quadratmeter Fläche im WiredScore Zertifizierungsprozess, von denen 77 Gebäude ihre Zertifizierung bereits erfolgreich abgeschlossen haben (Stand: 06.11.2023). 34 davon erfüllen den höchsten Standard und haben dafür eine WiredScore Platinum Zertifizierung erhalten. Bei 7 von ihnen handelt es sich um Bestandsimmobilien, die nachgerüstet wurden.