Werner Schönthaler
Weltweit werden konventionelle Baupraktiken immer unhaltbarer. Wir werden nicht nur mit der Notwendigkeit konfrontiert, Häuser für die wachsende Bevölkerung zu bauen, sondern üben auch immer mehr Druck auf unsre Ökosysteme aus, da wir unsere natürlichen Ressourcen mit einer unaufhaltsamen Geschwindigkeit ausbeuten.
Gebauter Sondermüll
So schrieb der bekannte Wiener Architekt Dietmar Steiner, Mitbegründer des Wiener Architekturzentrums, in der Wiener Zeitung: „Wir bauen den größten Sondermüll der Baugeschichte“. Obwohl er sich sein Leben lang mit Architektur beschäftigt, spricht sich Dietmar Steiner gegen das Bauen aus – zumindest in seiner derzeitigen umweltschädigenden Form.
Tatsächlich werden heutzutage in der Baubranche Materialien verbaut, die weder getrennt noch wiederverwertet werden können, sondern teilweise als Sondermüll entsorgt werden müssen.
Hanf in Kombination mit Naturkalk bietet hier eine ideale Lösung sowohl in bauphysikalischer als auch ökologischer Sicht. Die Hanfschäben werden mit besonderen Naturkalken und Mineralien in einer Ziegelmaschine in Formen gepresst und luftgetrocknet. Heraus kommen Hanfsteine in diversen Stärken, die nach einem Monat Trocknungszeit verbaut werden können. Die Produktion benötigt zwar eine große Maschine, ist wegen der natürlichen Trocknung aber äußerst schonend für die Umwelt.
Klimahaus mit Hanfsteinen
Die bauphysikalischen Eigenschaften sind beeindruckend: Hanfsteine erlauben es uns, Häuser ohne zusätzliche Dämmung zu bauen. Mit einer Mauerdicke von 40 Zentimetern erreicht man einen U-Wert von 0,18, was dem höchsten Klimahausstandard entspricht. Mit 45 Zentimetern erreicht man Passivhausstandard.
Heutzutage ist es üblich, bei Neubauten mit vielen Schichten zu arbeiten, mit verschiedenen Materialien und Dehnungen. Daraus ergeben sich über kurz oder lang Schwachpunkte mit Kondenswasserbildung, Schimmel, Bakterien. Die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Hauses in Europa beträgt etwa 30 Jahre, danach ist es Sondermüll.
Der Grund, weshalb Häuser gedämmt werden, liegt außer im Komfort hauptsächlich in der Schonung der Umwelt durch Energieersparnis. Tatsächlich ist dies eine große Lüge – weil bei Produktion und Entsorgung ein Vielfaches an Energie verschwendet wird, als in der kurzen Nutzungsdauer eingespart werden kann.
Schutz gegen Schimmel, Feuer und Insekten
Hanfsteine dämmen Wärme, speichern und reflektieren sie. Dadurch bringen sie behagliche Wärme im Winter und Kühle im Sommer. Sie dämmen Schall und regulieren die Raumakustik. In der Wirkung auf die Raumluft sind Hanfsteine dem Lehm sehr ähnlich. Sie nehmen die Luftfeuchtigkeit auf, durch den hohen PH-Wert des Kalks wird die Luft gereinigt und desinfiziert und wieder an den Raum abgegeben. Die Folge ist eine reine Raumluft mit Regulation der Luftfeuchtigkeit, bei der man sich behaglicher fühlt. Gerüche werden neutralisiert. Durch die Kondensationsenergie (Aufnehmen und Abgeben der Luftfeuchtigkeit) entsteht eine natürliche Klimaanlage, die im Winter Wärme und im Sommer Kühle freisetzt.
Im Gegensatz zu den meisten konventionellen Dämmmaterialien brauchen Hanfsteine keine synthetischen Brandhemmer. Da der Kalk in die Hanfschäben eindringt und mineralisiert, brennen Hanfsteine nicht (Brandschutzklasse B-s1, d0).
Hanfsteine sind resistent gegen Insekten und Ungeziefer, sehr leicht im Gewicht und diffusionsoffen.
Hanfsteine vs. Hanfbeton
Die Bestandteile des Materials (Hanf und Kalk) klingen zwar einfach, sind aber komplex. Nur hochwertige Naturkalke mit besonderer Zusammensetzung in Kombination mit natürlichen Additiven ergeben ein hochqualitatives Produkt. Weltweit gibt es viele verschiedene Mischungen, doch nur wenige funktionieren so gut, dass man mit ihnen in normaler Bauzeit bauen kann.
Dies ist heutzutage fundamental wichtig, weil Zeit an Geld gekoppelt ist. So kann man auch mit normalem gelöschten Kalk Hanfbeton herstellen, braucht dafür aber eine größere Menge Kalk, wodurch das Endprodukt an Dämmwirkung einbüßt und eine sehr lange Trocknungszeiten benötigt. Zum Teil muss man bis zu 1,5 Jahren warten, bis man den Verputz aufbringen kann.
Der Unterschied von Hanfbeton und Hanfsteinen ist – sofern die Mischung gut ist – nur der zeitliche Faktor. Hanfsteine sind schon vorfabriziert und trocken, Hanfbeton muss erst trocknen. Bei gleicher Mischung ist das Endergebnis dasselbe. Nicht zu unterschätzen ist beim Hanfbeton der Arbeitsaufwand. Das Material muss im Zwangsmischer gemischt werden, die Wände müssen eingeschalt, gefüllt und gestampft werden – bei geringen Mauerhöhen pro Tag.
Erfahrungsgemäß ist dies machbar, wenn der Bauherr ohne externe Baufirma arbeitet und Zeit hat. Sobald die Arbeit von einer Firma durchgeführt wird, sprengt es die Baukosten. In einigen Fällen jedoch, z. B. bei einer sehr schiefen, alten Steinmauer oder bei der Ausfachung von alten Fachwerkhäusern, ist Hanfbeton die ideale Lösung, auch weil es nur wenige gute Alternativen gibt.
Weil sowohl im Mörtel, Putz und Hanfstein immer nur dieselben zwei Materialien vorkommen, ist das Gebäude langlebig und unempfindlich gegen äußere Einflüsse. Schon die Römer verwendeten sehr ähnliche Kalke.
Ein weiterer großer Pluspunkt ist die Wiederverwertbarkeit. Hanfsteine können nicht nur kompostiert, sondern komplett als Baumaterial wiederverwendet werden (Cradle to Cradle).
Minus 60 Prozent CO2
Andere Vorteile dieser zwei Materialien sind die Diffusions-Offenheit, die wohltuende Wirkung und die Langlebigkeit, besonders bei Renovierungen. Wenn man altes Mauerwerk oder Holzwände nachträglich dämmt, wird den meisten Dämmmaterialien eine Dampfbremse oder Zementsperre eingebaut, damit der Taupunkt nicht die Kunden in die Dämmung lässt. Diese absolute Luftdichtigkeit mindert die Langlebigkeit des alten Mauerwerks massiv. Weil Hanfsteine die entstehende Kondens aufsaugen – dabei trotzdem die Dämmwirkung nicht verlieren –, sind keine Sperren notwendig.
In der Ökobilanz eines Bauprodukts werden alle Einflüsse von der Produktion bis zur Entsorgung akribisch berechnet. Bei den Hanfsteinen kam das Resultat einer negativen CO2-Bilanz heraus (minus 60 Prozent). Man spart mit dem Bau eines Hanfhaues einige Tonnen CO2.
In Europa wird immer mehr Nutzhanf angebaut, Schäben und Fasern aber meistens nicht verwendet. Dies ergibt sowohl ökologisch als auch ökonomisch wenig Sinn und ist ein großer Widerspruch. In der Achse Schweiz-Südtirol bilden sich deshalb 360-Grad-Kreisläufe (Alpenpionier.ch, Ecopassion.it, hanfstein.eu, glaernischtextil.ch), womit die Hanfpflanze als Ganzes veredelt wird, von Lebensmitteln und Cannabidiol (CBD) über Textilien bis zu Hanfsteinen.
Einhaltung neuer EU-Standards
Für den Landwirt hat dies den Vorteil, dass er die ganze Pflanze verwertet und damit mehr Geld verdient. Für die Firmen ist es von Vorteil, eine komplette Produktpalette anbieten zu können. Auch auf Messen und Veranstaltungen kann man die Begeisterung besser verkaufen, wenn man die gesamte Vielfalt vor Augen hat. Damit kann man dem Prinzip der Hanfpflanze als ganzheitliche Deckung von Grundbedürfnissen zur vollen Anwendung verhelfen.
Die EU will mit den Nearly zero-energy buildings ab 2020 bei jedem Bau die Produktion und Entsorgung der Materialien in die Ökobilanz einberechnen. In den skandinavischen Ländern ist dies heute vorgeschrieben. Bauten mit Hanf-Kalk werden dem heute schon gerecht.
Bilder im Text: Maren Krings Photography