16.11.2021 |
Tim Westphal
„Die Schaffung zukunftsweisender, gesellschaftsfähiger Gebäudekonzepte, die im Einklang mit natürlichen, klimaneutralen und ressourcenschonenden Baumaterialien sowie smarten, energieeffizienten Technologien stehen.“ Fat Architects aus Luxemburg zeigen, wie das gehen kann.
Für Architekturschaffende wird es immer bedeutender, sich mit einem Nachhaltigkeitsbegriff auseinanderzusetzen, der weit mehr als „grünes Bauen“ bedeutet. Denn allein dem Bausektor sind über 30 Prozent des jährlichen CO2-Ausstoßes zuzurechnen. Hinzu kommen große Mengen von Rohstoffen – bei einer sehr geringen Rohstoff-Recyclingquote für Sanierung, Um- und Rückbau. Zukunftsfähige Architektur erfordert einerseits den behutsamen Umgang mit dem Bestand und gibt andererseits Raum für Innovation, Technologie und Neubau.
Nachhaltige Architektur ist daher heute und wird in der Zukunft vor allem zur resilienten Architektur, die geschickt auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagiert und neue Nutzungen in alter Hülle ermöglicht – und das qualitativ, schnell, technisch weniger aufwendig und maximal funktional. Ein gutes Beispiel dafür ist die FAT, die „Foundation of Art and Tectonic“. Die Architekten und Ingenieure aus Luxemburg, die sich unter diesem Titel vereinen, sind jedoch keineswegs träge, wie es der Name provokant assoziiert. In ihrem interdisziplinären Planungsteam geht es um die Schaffung „zukunftsweisender, gesellschaftsfähiger Gebäudekonzepte, die im Einklang mit natürlichen, klimaneutralen und ressourcenschonenden Baumaterialien sowie smarten, energieeffizienten Technologien stehen“. So ist es auf ihrer Homepage zu lesen. Vor gut vier Jahren haben sie sich zusammengefunden und lassen seitdem ihre Ideen aus einer Fülle von Projekten sprudeln. Thomas Kruppa, Architekt, Gründer und Geschäftsführer von FAT Architects, kann mit seinem Team von inzwischen sieben Kollegen auf viele Bauvorhaben in der Planung und Realisierung schauen. Dabei bleibt das Büro vom ersten Tag immer „am Puls der Zeit“.

Bild: FAT Architects, Luxemburg
Büro-Neugründungen bieten den großen Vorteil, dass man keine Altlasten wie etwa ineffiziente Prozesse oder verknöcherte Strukturen mit sich herumschleppt. Alles lässt sich anders denken; es findet sich kein über Jahrzehnte gewachsener Habitus etablierter Architektur- und Ingenieurbüros. Von dieser Freiheit profitierten ebenso Thomas Kruppa, sein Kollege Andreas Kleinert und die weiteren Mitarbeiter vom ersten Tag an. Digitale Planungsmethoden bestimmen dabei alle Projekte im Büro. Eine modellbasierte Planung ist die Basis jedes Vorhabens und BIM gelebter Alltag bei FAT. Ökologisches Bauen und digitale Planungsansätze stehen bei ihnen nicht im Widerspruch zueinander. Im Gegenteil: Für ihre Projekte setzen FAT auf Prozessoptimierungen, die vor allem auf effizienten Abläufen im eigenen Büro und einer Architektur-„Produktion“ auf Basis vorgefertigter Module und Elemente beruhen.
Eine Holz-Mehrzweckhalle – geplant für zwei Standorte
Ihre in der Branche recht ungewöhnliche Arbeitsweise manifestiert sich in allen Entwürfen¬. Stets sind sie so erdacht, dass sie maximal flexibel reagieren auf zukünftige Umnutzungen, Umbauten oder sogar Standortwechsel, sprich: Umzüge eines ganzen Gebäudes. Genau das ist der Fall bei der in der Ausschreibungsphase befindlichen Multifunktionshalle im luxemburgischen Dudelange, die bis Ende 2022 an der Route de Bettembourg am Standort einer ehemaligen Halle entsteht. In dem Neubau soll das rege Vereinsleben der Gemeinde ein neues Zuhause finden. Von Vornherein stand für die Stadt als Auftraggeberin fest, dass das Bauwerk seinen Standort wechseln und in acht bis zehn Jahren in das Ökoquartier Neischmelz, auf das Gelände einer ehemaligen Zeche, umzieht.
Das Mehrzweckgebäude ist ein Holzmodulbau, der aus einer Fülle von Einzelelementen besteht. Wichtig bei der Planung der Konstruktion ist die komplette Demontierbarkeit vom Dach bis hinunter auf die Streifenfundamente. Die Module werden so gefertigt, dass ihre maximale Breite 3,5 Meter beträgt. Sie lassen sich ohne Probleme auf LKWs verladen, auf die Baustelle bringen und in einigen Jahren genauso einfach zum neuen Standort transportieren. Alle Elemente sind geschraubt; es gibt keine Nagel- oder Klebeverbindungen. Nur so ist gewährleistet, dass die komplette Demontage auch am zweiten und endgültigen Standort reibungslos funktionieren kann.
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AR-PUB-Ansicht, Bild: FAT Architects, Luxemburg
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Pläne Modulaufbau, Bild: FAT Architects, Luxemburg
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Grundriss, Bild: FAT Architects, Luxemburg
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AR-PUB-Schnitt, Bild: FAT Architects, Luxemburg
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Dudlelage Halle 1 final, Bild: FAT Architects, Luxemburg
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Dudlelage Halle Foyer, Bild: FAT Architects, Luxemburg
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Zwei Standorte bedeuten zwei eigenständige (stadt-)räumliche Situationen. Die Grundstücke unterscheiden sich darüber hinaus in ihrer Orientierung, der Einbindung in die Umgebung und in ihrer Größe. FAT mussten sicherstellen, dass das Mehrzweckgebäude auf beide Grundstücke passt. Die Architekten überlagerten dafür kurzerhand die Flächen und bildeten daraus eine Schnittmenge. Die entstehende Grundrissform wurde dann, entsprechend der Funktion, in die Höhe entwickelt. So ergab sich die Gesamtkubatur. Im Inneren wiederum dominiert ein striktes Konstruktionsraster, das in der Anordnung der Raum- und Flächenmodule sowie in den Bauteilen des Innenausbaus, so den Türen, Innen- und Trennwänden ablesbar wird.
Die Vorteile einer integralen Arbeitsweise
Das integrale Planungsteam besteht aus Architekten, Holzbauingenieuren, Haustechnik¬ingenieure, Bauingenieure für Außenanlagen/Rohbau sowie einem Büro für Nachhaltigkeit. Mit diesem übergreifenden Team von Fachplanenden war einerseits gewährleistet, dass die Belange der ansässigen Ortsvereine und andererseits die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft in allen Planungsbereichen Berücksichtigung finden. Andreas Kleinert, FAT Architects: „Wir saßen sehr früh zusammen, um eine optimale Teamstruktur zu besprechen. Unserer Bauherrin haben wir dann mitgeteilt, dass wir ein interdisziplinäres Planungsteam für das Projekt vorschlagen möchten. Wir konnten unsere Empfehlungen abgeben, denen die Gemeinde Dudelange auch entsprochen hat.“
Das Vertrauen der Bauherrin in das Planungsteam ist groß. Doch sind das keine Vorschusslorbeeren, die FAT hier bekommen. In mehreren Projekten konnten sie den Ansatz der Reversibilität und des Umsiedelns eines Gebäudes beweisen. So zum Beispiel mit dem eigenen Büro, das zuvor als temporäres Bergrestaurant auf dem Chäserrug im Kanton St. Gallen diente. FAT Architects haben die drei Holzmodule nach dem Abbau am Berg vom Holzbauspezialisten Blumer-Lehmann übernommen, umgeplant, umgebaut und am Bürostandort in Moutfort wiedererrichtet. 2022 soll der Holzbau nochmals an einen neuen Bürostandort umziehen. Ganz im Sinne einer zirkulären Kreislaufwirtschaft lässt sich das immer wieder fortführen, bis ein endgültiger Standort gefunden ist oder aber am Ende der Lebensdauer die Holzmodule wieder nahezu vollständig dem Stoffkreislauf zugefügt werden.
Open-BIM Ansatz im Fokus
Die Planung des Mehrzweckgebäudes für Dudelange ist seit dem ersten Strich modellbasiert sowie bauteilorientiert und erfolgte mit der büroeigenen BIM-Planungssoftware (Archicad); die Abstimmung mit den Fachplanern verlief anschließend über das offene IFC-Austauschformat. Der Open BIM-Ansatz stand dabei stets im Fokus: Alle Partner sollten ihre eigene Softwarelösung nutzen können. Neben den Architekten arbeiteten die Statik (Stahlkonstruktion) und die TGA-Fachplanung ebenfalls modellbasiert. Der Holzbauingenieur erstellte die Statik und Konstruktionsplanung zwar in 2D, sämtliche Anschlusspunkte und Details sind aber im Nachgang von FAT Architects nochmals in 3D gezeichnet. Andreas Kleinert zu dieser Vorgehensweise: „Komplexe Verschneidungen und Fügungspunkte lassen sich so besser darstellen und Ausführungsfehler werden bereits im Vorfeld vermieden.“
Die FAT-Architekten bekamen vom Holzbauspezialisten Pirmin Jung für die Holzbaukonstruktion, Holzbaustatik, den Brandschutz sowie die Akustik, einen Bauteilkatalog zur Verfügung gestellt. Die darin festgelegten Anforderungen wurden von ihnen ins Modell der Multifunktionshalle übersetzt und parallel als Bauteile angelegt. Thomas Kruppa, FAT Architects: „Schon in der Vorentwurfsphase gab es erste Koordinierungsgespräche mit dem Statiker. Die finale IFC-Datei, die wir viel später und nach der Einbindung aller weiteren Fachplanungen aus unserer BIM-Software Archicad auslesen konnten, floss in die Ausschreibungsunterlagen ein. Über die öffentliche Ausschreibungsplattform in Luxemburg waren die Daten dann abrufbar und potenzielle Bieter konnten sie herunterladen.“
Die Ausschreibungsphase ist seit Anfang August 2021 abgeschlossen und die Angebotsprüfung läuft. Dabei erweist es sich als nicht so simpel, einen passenden Modulbau-Partner zu finden: Die Konstruktion der Mehrzweckhalle ist außergewöhnlich, wenngleich für einen versierten Holzmodulbauer gut abzubilden. „Aber viele Holzbauer haben volle Auftragsbücher.“, weiß Andreas Kleinert „Und daher ist es momentan schwierig, eine Fülle von Angeboten zu erhalten.“
Es ist möglich, wieder einfacher zu bauen
Das Projekt Mehrzweckhalle Dudelange erzeugt reges Interesse – weit über die Luxemburger Landesgrenzen hinaus. FAT planen parallel mit verschiedenen Städten und Gemeinden Projekte für öffentliche und private Bauherren in Deutschland (Rheinland-Pfalz), Luxemburg und in der Schweiz. Dass sie ihre ganzheitlichen Ansätze beim Planen und Bauen und die Kreislaufwirtschaft so stark in den Mittelpunkt rücken, kommt dabei nicht von ungefähr. Das einfache Bauen, von digitalen Planungsmethoden fundiert unterstützt und gleichzeitig in der Architekturqualität optimiert, fasziniert das Team um Thomas Kruppa und seinen langjährigen Kollegen Andreas Kleinert. Er sieht hier Potenzial wie Herausforderung: Architekt Florian Nagler zeigt es ganz aktuell mit seinen drei Versuchsbauten: „Es ist möglich, weiterhin einfach zu bauen. Wir müssen wieder simpler werden und ich hoffe inständig, dass es einen Weg gibt, es normen- und regelkonform umzusetzen. Diese irre technische Aufrüstung muss ein Ende nehmen! Dann wird auch der Nachhaltigkeitsbegriff mit neuen Aspekten belebt und Themen wie Lebensdauer und Resilienz in der Architektur rücken stärker ins Blickfeld.“
